66. Letzte Momente

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Míriel pov.

Ich konnte es kaum fassen, selbst als das Elbenheer nur noch wenige Meter von mir entfernt stand. Ihr Anführer, kein geringerer als Haldir – dessen Bekanntschaft wir in Lothlorien machen durften. Der blonde Elb war einer der obersten Befehlshaber Lothloriens und nun hatte er tatsächlich ein Heer voller Kampferprobter und gut ausgerüsteter Elben hierhergeführt, geschickt von Lady Galadriel, Lord Celeborn und Lord Elrond höchstpersönlich.

Im Moment unterhielt Haldir sich mit Aragorn und dem dazu gestoßenen König Theoden, doch ich schenkte ihrer Unterhaltung bisher noch wenig Beachtung. Noch war ich immerhin viel zu sehr davon fasziniert das sie wirklich hier waren. Mit ihnen an unserer Seite, würde das alles vielleicht doch nicht so hoffnungslos wie erwartet werden. Vielleicht hätten wir wirklich eine Chance es zu schaffen.

Mein Blick fiel wieder auf Aragorn, als ich im Augenwinkel sah, wie dieser Haldir um den Hals fiel. Belustigt musste ich schmunzeln, über den verdatterten Blick des blonden Elben. Wohl wissend, wie ungern Elben Körperkontakt teilten. Mit einem hilflosen Blick und dennoch einem kleinen Lächeln auf den Lippen, klopfte Haldir Aragorn leicht auf die Schulter. Als die beiden sich wieder voneinander gelöst hatten, konnte ich spüren, wie Legolas meine Hand sachte ergriff, bevor er einige Schritte nach vorn trat. Und ich damit unweigerlich mit ihm.

Die Elben, die eben noch aufgestellt dagestanden und nach vorn gestarrt hatten, drehten sich und stießen die Spitzen ihrer Langbögen geräuschvoll auf den unebenen Steinboden unter sich. Damit zollten sie Legolas eindeutig ihren Respekt, was kein Wunder war, wo der Elb an meiner Seite doch der Prinz des Waldlandreiches war. Nur ich fühlte mich so von allen angesehen und an seiner Seite im Moment ein wenig unwohl. All die Aufmerksamkeit war nichts für mich.

Haldir und Legolas ergriffen sich gegenseitig an den Armen und so zwang ich mich dazu, meine Aufmerksamkeit lieber nur auf die beiden zu lenken. Freundlich begrüßte auch ich Haldir und wechselte einige respektvolle Worte mit dem Elben, bevor auch schon ein weiteres Horn durch die engen Gassen der Hornburg hallte. Erschrocken horchten wir alle auf und ich konnte beinahe sofort spüren, wie sich mein Herzschlag beschleunigte und wie Legolas Finger sich fester um die meinen schloss. Schluckend erwiderte ich den Blick des Elben.

„Es geht los." Meinte dieser schluckend. Kein Herzschlag verging, da brüllten König Theoden und Aragorn schon abwechselnd die ersten Befehle.

„Haldir, deine Männer sollten sich am äußeren Ring der Schlucht positionieren, dort werdet ihr freies Schussfeld haben und wir können die Menschen die Brücke und die Burg direkt verteidigen lassen." Meinte Aragorn an Haldir gewandt. Der Elb neigte den Kopf leicht.

„Wir fügen uns deinem Befehl, Aragorn Arathorns Sohn." Meinte er. Nur kurz nickte Aragorn ihm dafür dankbar zu, denn dann eilte der Waldläufer auch schon weiter.

„Und wo sollen wir uns nun positionieren?" Wollte Haldir Ahnungslos von Legolas wissen. Trotz all dem Grauen, das uns bevorstand, schaffte der Elb es mich für einen Moment lang schmunzeln zu lassen. Auch Legolas und Haldir wirkten einen winzigen Herzschlag lang ein wenig amüsiert. Dann verkündete Legolas an Haldir und seine Elben gewandt das diese uns nur folgen müssten, weil wir ihnen den Weg weisen und uns dann ebenfalls bei ihnen positionieren würden. Zusammen liefen wir also los.

~

Aufgestellt an vorderster Front standen wir zwischen all den Elben auf der Ringmauer und warteten. Warteten auf das Ende. Oder einen Wendepunkt in all der Dunkelheit die um uns herum herrschte. Inzwischen war es stockdunkel um uns herum und über uns zogen sich die dunklen Wolken immer enger zusammen und versprachen an diesem Abend noch ein Unwetter. Also wundervolle Voraussetzungen für eine Schlacht, gegen einen Feind der uns um ein Vielfaches überlegen war und der absolut keine Gnade kannte. Oder gar wusste, was diese bedeutete.

Eine Hand, die sich plötzlich auf meine Schulter legte, riss mich aus meinen Gedanken und ließ mich zur Seite sehen. Aragorn stand dort, ein schmales Lächeln und trauriges Lächeln auf den Lippen hatte er mir und dem neben mir stehenden Legolas eine Hand auf die Schulter gelegt. Auch Gimli, der auf Legolas' anderer Seite stand, schenkte seine Aufmerksamkeit dem Waldläufer.

„Nun Junge, was auch immer dir Glück bringen mag, es möge die Nacht überdauern." Murmelte Gimli grummelnd in seinen roten Bart hinein und dennoch für uns alle verständlich.

„Deine Freunde sind mit dir." Versicherte hingegen Legolas ihm aufmunternd. Dankbar blickten Aragorns blau-graue Augen auf den Elben. „Auch sie mögen die Nacht überdauern." Meinte daraufhin plötzlich Gimli und ich merkte, wie sich meine Lippen leicht hoben.

„Wahr gesprochen, Herr Zwerg." Meinte ich anerkennend, woraufhin Gimli sich halb verbeugte.

„Ich danke Euch." Meinte Aragorn sanft lächelnd, dann klopfte er Gimli noch einmal auf die Schulter und mit den Worten: „Gebt auf Euch acht", verschwand er wieder zwischen den Reihen der schwer bewaffneten Elben.

Über uns donnerte es. Ein einziger weißer Blitz erhellte den Himmel, dann setzte der eiskalte Regen ein.

In der Ferne konnte ich die schwarzen Herzen unserer Feinde schlagen hören, ich konnte ihren Gestank und ihre Mordlust riechen, konnte ihre donnernden Schritte über den langsam matschig werdenden Boden hören.

„Sie sind gleich da." Verriet ich den um mich herumstehenden. Ich konnte im Augenwinkel sehen wie die ersten Elben ihre Bögen fester packten. Handknöchel stachen bei den eisernen Griffen weiß hervor, Gesichter setzten eine steinerne Maske der Furchtlosigkeit auf und jeder betete ein letztes Mal zu den Valar das wir alle die Nacht wirklich überdauern würden – wohl wissend, dass es trotz aller Gebete nicht passieren würde.

Ein letztes inniges Mal blickte ich durch all den Regen in Legolas funkelnde Eisblaue Augen, schenkte dem Elben dabei ein liebevolles Lächeln und erinnerte mich für einen Moment an all die wunderschönen Momente zurück, die wir zusammen verbracht hatten. Unser erster Tanz, der erste Kuss ... ja sogar unser sehr kreatives Kennenlernen im Wald mit den Zwergen fiel mir wieder ein. Und Legolas' ehrliches Lächeln verriet mir, dass es ihm nicht anders ging. Und so bedurfte es gar keiner Worte, bevor wir uns ein letztes Mal einander entgegen lehnten und einen innigen Kuss austauschten.

Noch in dem Atemzug, in dem wir uns voneinander lösten, hallte Aragorns Stimme wie ein weiteres Donnergrollen über uns hinweg. Die Schlacht begann ...

Wolfsmädchen || LegolasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt