Kapitel 96

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Die nächsten Wochen vergingen quälend langsam. Die Zeit wollte einfach nicht vergehen. Wenn man auf etwas wartete, dauerte es meist ewig.

Der erste Meilenstein war beinahe erreicht, denn es war der letzte Tag des ersten Semesters. Zumindest das wäre geschafft. Die Hoffnung hielt ich klein, dass Arian schon im zweiten Semester den Kurs abbrechen konnte. Ansonsten wäre die Enttäuschung zu groß.

Genau deshalb konzentrierte ich mich auf Ende des Studienjahres. Das war die längste Zeitspanne, dann gäbe es keine Enttäuschung, falls es wirklich so lange dauerte.

Aktuell graute es mir vor den Ferien. Meine Mum hatte mich nach Hause zitiert und dem kam ich nach. Ich hatte sie auch seit dem letzten Familientreffen nie mehr besucht. Diesmal musste ich es mir antun.

Da half nicht mal der Kurs mit den Dekan. Wobei ich die Stunden mittlerweile allgemein nicht mehr mochte. Ihn zu sehen tat weh und war kein Gefallen. Es war leichter, wenn ich Arian nicht direkt vor der Nase hatte.

Gerade saß ich mit Shawn im Hörsaal und wartete auf den Beginn der Vorlesung. Er starrte auf den Platz neben mir und meinte: "Es ist schräg, dass Kelly nicht mehr hier ist. Sie war immer so normal, dabei war sie eine Dealerin." Man hörte seiner Stimme an, dass er das immer noch kaum glauben konnte. Mir erging es da nicht anders. Ich schüttelte lediglich den Kopf und schaltete meinen Laptop ein.

Allgemein hatten uns zwei weitere Studenten verlassen. Vermutlich hatte ihnen der Studiengang doch nicht gefallen oder es war ihnen zu schwer. Da durfte man gespannt sein, wie viele es bis zum Schluss durchziehen würden.

Shawn hatte wohl denselben Gedanken, denn er schubste mich leicht mit der Schulter an. "Wir haben das erste Semester überstanden." Er grinste mich an und damit wollte er die Stimmung heben. Ich zwang mir ein Lächeln auf die Lippen. "Ja, stimmt. Wir sind unserem Ziel einen Schritt näher."

"Geht das mit ein bisschen mehr echter Begeisterung?" Mein Blick landete entnervt auf ihm. "Ich muss nach Hause zu meiner Familie. Das wird Folter. Woher sollte ich Begeisterung nehmen?"

"Aus der Vorfreude, dass du bald wieder auf dem Campus zurück bist. Ewig dauern die Ferien auch nicht." Ich schlug mir eine Hand vors Gesicht und fälschte ein Weinen. "Eine Woche muss ich den Wahnsinn ertragen. Schlimmer wird es, weil Arlo auch dort sein wird."

"Ich bete, dass ihr das beide in einem Stück überlebt. Auch, dass dein Studium nicht in den Dreck gezogen wird." Den Optimismus behielt ich mir selbst. In den letzten wenigen Telefonaten, hatte meine Mum nie die Astronomie angesprochen. Vielleicht schaffte sie es endlich die Klappe zu halten, wenn sie schon nichts Positives zu sagen hatte. Die Hoffnung starb bekannterweise zuletzt.

Meine Hand nahm ich wieder runter und wandte mich Shawn zu. "Aber ich freu mich für dich, weil du es kaum erwarten kannst deine Lieben zu treffen." Unwillkürlich fand ein Grinsen in sein Gesicht. Es war unverkennbar wie sehr er die Ferien herbei gesehnt hatte. Wobei man sich fragen musste, ob er seine Katze oder seine Familie mehr vermisste. "Danke, Pheobe. Und du wirst sehen wie schnell die paar Tage vorüber sind. Danach wirst du erleichtert sein, weil du dann länger nicht mehr zu ihnen musst."

Da hatte er einen guten Punkt angesprochen. Nach dem Besuch könnte ich es wieder ewig hinauszögern. Das gab mir Motivation. Mit dem Gedanken würde ich das besser überstehen.

Unterbrochen wurde unsere Unterhaltung vom Dekan, der mit einer Begrüßung den Raum betrat. Ich beobachtete ihn auf dem Weg zu seinem Pult. Es blieb mir weiterhin ein Rätsel wie man jemanden derart anhimmeln konnte. Es hatte mich wirklich hart erwischt.

Wie üblich hatte er ein makelloses Auftreten. Die Frisur saß perfekt. Heute hatte er sogar eine blaue Krawatte und nicht nur ein weißes Hemd an. Das Hemd hatte die perfekte Passform, so konnte man erahnen, dass er Muskeln hatte. Also trainierte Arian weiterhin. Irgendwie musste er die Zeit auch totschlagen. Sofern es ihm gleich wie mir erging.

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