Kinobesuch

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Er rempelte Kujtim an, als stünde er ihm im Weg. Dann lief er an uns vorbei, ich sah ihm hinterher. Er holte aus und verpasste einem anderen Mann der da stand eine Faust mitten ins Gesicht. Erleichtert und doch schockiert lies ich von Kujtim ab und betrachtete das Szenario. Sekunden später lief er zu den beiden sich wie wild prügelnden Männern und trennte sie. Gebrüll und lautes Fluchen hallte durch die U-Bahn Station bis mehrere Sicherheitsleute Kujtim zur Hilfe kamen. Sie lösten ihn ab und legten die beiden Männer in Handschellen. Mein Herz wollte nicht aufhören zu rasen, als er zurück kam mit einem gestressten Gesichtsausdruck. Was war nur los?
Jeder beobachtete wie die beiden abgeführt wurden, fast hätten wir die U-Bahn verpasst, die gerade abfahren wollte. Kujtim packte mich am Arm und drückte den Knopf. Wir stiegen ein und suchten uns einen Platz. Mit schlotternden Knien folgte ich ihm nach hinten. Doch alles war belegt. Also mussten wir stehen.
"Hey, alles in Ordnung?" fragte er und hob mein Gesicht an.
"J-ja, es geht schon.." stotterte ich.
"Es ist nichts passiert, ein kleiner Streit unter Freunden. Nichts schlimmes." wollte er mich beruhigen.
'Wenn du wüsstest, was ein einziger Anruf auslösen kann...' schoss es mir durch den Kopf.
Ich starrte an ihm vorbei ins neigendwo. Ich konnte beobachten wie er mich ansah. Er musterte mich von oben bis unten. Ich hätte zu gern gewusst was er dachte. Als die Bahn an unserer Station hielt, lief ich hektisch aus der Bahn, in der sich die Leute schubsten und drängten. Ich konnte Menschenmengen nicht ertragen, ich bekam Panik wenn zu viele auf einem Haufen waren. Erst als wir an der obersten Stufe der Treppen ankamen, hörte ich auf zu rennen.
"Puhh, warum hetzt du denn so?" fragte er.
"Ich hab mich eingeengt gefühlt.. Tut mir leid."
Wir liefen die kurze Strecke zum Kino.
Er hielt mir, ganz der Gentleman, die Türe auf und ich trat hinein. Der Geruch von süßem Popcorn kam mir entgegen. Ich stand in einer riesigen Eingangshalle, die in rot und Goldtönen gehalten war. Es sah atemberaubend aus. Wie lange bin ich hier nicht mehr drin gewesen?
"Warum so beeindruckt? Ist doch nur ein Kino?" unterbrach er meine Gedanken.
"Ja, es ist nur lange her.." sagte ich und versuchte zu lächeln.
Eine Stille breitete sich zwischen uns aus.
"Na komm, was willst du gucken?" fragte er.
Ich hatte keine Ahnung was überhaupt lief.
"Ich weiß nicht.. Was läuft denn?"
"Lass uns nachsehen."
Wir überlegten lange, letzt endlich fiel unsere Entscheidung auf "Dilwale", einen Bollywoodfilm. Er zahlte die Tickets und auch das Popcorn und die Getränke. Ich fühlte mich sehr unwohl dabei, aber er bestand darauf. Nachdem wir unseren Platz gefunden hatten, saßen wir eine ganze Weile stillschweigend da und sahen der Werbung zu. Endlich begann der Film. Doch genau in diesem Moment schweiften meine Gedanken wieder ab. Ich überlegte wieder, was passieren würde wenn ich wieder zuhause bin. Ich überlegte was er mir antun würde. Und mein Herz fing wieder an zu rasen. Meine Hände zitterten, ich konnte kaum meine Cola halten. Ich spürte wie meine Kehle sich schürte und mir die Luft wegblieb. Doch ausnahmsweise hatte ich keine Angst vor meiner Bestrafung. Ich hatte eher Angst vor seinen Fragen. Was sollte ich antworten. Worüber hat die Polizei mich befragt? Was hatte ich geantwortet? Fragen über Fragen die mir durch den Kopf schossen. Den Film hatte ich völlig vergessen, mein Magen drehte sich und ich hatte das Gefühl mich übergeben zu müssen. Denn ich musste mich nicht nur der dreifachen Bestrafung stellen, nein, ich musste mich seinen Fragen stellen. Ich musste ihm in die Augen sehen und mit ihm sprechen. Ich hatte Angst vor seiner Wut auf mich. Ich hatte Angst, dass er sich wieder an mir vergehen würde. Und so nahmen die Tränen ihren Lauf, ich schluchzte auf, ich konnte es nicht mehr zurück halten. Ich war zu schwach... Ich starrte auf den Film und erstickte mein schluchzen mit meiner Hand, doch er hatte es gehört. Er sah zu mir rüber und schmunzelte.
Sein Arm legte sich um mich, er zog mich an sich heran und strich mir sanft wie es nie jemand getan hatte über den Arm. Und dieses Gefühl von Trost, brachte mein Inneres noch mehr zum beben.
"Hey was ist denn los?" fragte er.
Was sollte ich antworten?
Ich sammelte die Kräfte die mir noch geblieben waren und flüsterte:" Nichts, der Film ist so traurig."
Ich verzog mein Gesicht zu einem schiefem Lächeln. Und er Seins zu einem verzweifeltem. Man sah ihm an, dass er mir nicht glaubte. Er schüttelte den Kopf und kicherte wütend auf. Mein Herz beschleunigte wieder seinen Schlag. Wieso glaubte er mir nicht? Er stand von seinem Sitz auf und lief hektisch an den Reihen vorbei. Er stürmte raus aus dem Saal und ich sah ihm hinterher. Was war denn plötzlich los? Meine Beine setzten sich in Bewegung und ich folgte ihm. Mein Blick suchte ihn überall und dann fand ich ihn auch. Wie er zur Tür hinaus verschwand. Ich rannte die Treppen hinunter raus in die Nacht. Er war wirklich schnell unterwegs, es dauerte ein bisschen bis ich ihn eingeholt hatte.
"Hey! Kujtim wo willst du hin?" schrie ich ihm hinterher. Er reagierte nicht.
"Bleib doch stehen, ich rede mit dir!" brüllte ich wütend. Er kann mich hier nicht einfach stehen lassen. Doch dann drehte er sich um und sah mich wütend an:" Nein Liridona, das ist ja das Problem! Du redest eben nicht mit mir! Du leidest vor dich hin und erträgst still all die Schmerzen die man dir zufügt, du spielst die strake Frau, den kalten Eisblock dem man nicht helfen muss, du glaubst du schaffst alles alleine aber das tust du nicht! Nein das tust du verdammt noch mal nicht denn irgendwann wirst du daran kaputt gehen! Und das halte it nicht aus! Das halte icu einfach nicht aus! Es tut mir weh dich so zu sehen!"
Mein Herz pochte wie wild gegen meine Brust. Und das lag nicht nur daran, das ich ihm hinterhergelaufen war. Es kam mir vor als würden meine Beine gleich nachgeben, denn er hatte mit jedem Wort recht. Er hatte mit jedem verdammten Wort recht. Aber ich konnte es einfach nicht über meine Lippen bringen ihm die Wahrheit zu sagen.
"Kujtim ich hab wegen dem Film geweint." versuchte ich so glaubwürdig wie möglich zu sagen.
"DU LÜGST! DU LÜÜÜGST VERDAMMT DU LÜGST!" seine Halsschlagader drohte zu explodieren. Er machte mir Angst, und diese Angst äußerte sich mit Tränen.
"Du hast an einer Stelle angefangen zu weinen, wo jeder gelacht hat. Weil er einen scheiss Witz gerissen hat! Hör doch endlich auf damit und sag mir was du hast! Sag mir doch endlich was du hast!" ich konnte sehen wie seine Augen anfingen zu schimmern. Tränen glitzerten darin und es tat mir unglaublich weh, ihn so zu sehen.
"Kujtim ich..." ich wusste nicht was ich sagen soll. Ich war einfach sprachlos...
Er sah mich mit sehnsüchtigem Blick an. Er flehte nach der Wahrheit. Er bettelte mich an mit seinen Augen, die mich durchbohrten. Aber ich konnte nicht.. Also senkte ich meinen Blick und starrte auf den Boden, während mir die Tränen liefen... Ich hatte das Gefühl so langsam an ihnen zu ertrinken...

How he saved me...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt