Bloody lines

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"So wie du."
Man hörte die bedingungslose Ehrlichkeit in seiner Stimme. Ja in den letzen Wochen hatten wir uns gut kennengelernt. Ich hätte ihm viel erzählt. Viel von meiner Schulzeit und meinem Leben. Davon was ich mal werden wollte und wie ich mein Leben führen wollte. Bis auf meine Eltern und den letzten 5 Jahren, erzählte ich ihm fast alles. Doch trotzdem, wieso reichte ihm meine Teeenagerzeit aus, um mich so zu mögen? Und er wusste längst nicht, was meine größte Plage war. Er wusste längst nicht, was mir am meisten Angst machte. Er wusste nicht, dass er mir wichtig geworden war. Ja er war mir wichtig geworden. Sehr sogar. Und ich fürchtete mich vor seinem Verlust. Aber würde er mich akzeptieren? Mit all meinen Ecken und Kanten? Mit meinen Fehlern und meinem Ängsten? Mit meiner Unreinheit... Was sollte ich ihm antworten? Was soll ich ihm nur sagen... Ich holte tief Luft und kratzte die letzten Kräfte in mir zusammen.
"Kujtim ich habe sehr viele Fehler... Ich habe sehr viele Dinge getan und erlebt, womit man seine Mitmenschen niemals belasten möchte. Ich habe Drogen genommen, du selbst hast mich  dabei erwischt.. Wieso stößt dich das nicht ab?"
Ich sah ihn immer noch nicht an. Starr blickte ich in die Nacht. Er setzte sich auf den Boden und sah mich eine ganze Weile an.
"Wir haben alle Fehler gemacht Liri, wir haben alle unsere Geheimnisse, und wir haben alle Dinge getan, die wir am liebsten rückgängig machen würden. Für alles im Leben gibt es einen Grund. Niemand kommt freiwillig auf die schiefe Bahn. Ich verurteile dich für nichts, denn man sieht dir an was du für eine Last auf den Schultern trägst. Und icu weiß nicht, ob ich diese Last an deiner Stelle ertragen würde. Denn wenn jemand so viel weint wie du, wenn jemand so still ist wie du, wenn jemand jede Hilfe verweigert wie du, dann hat er etwas großes auf dem Herzen. Was ihn belastet und quält. Es interessiert mich nicht wie dich andere sehen."
"Du weißt nicht was du da sagst." entgegnete ich.
"Doch Liri, ich weiß was ich sage."
"Ich bin nicht das typische albanische Mädchen..."
"So eine will ich auch nicht."
"Du würdest meilenweit laufen, wenn ich dir erzähle was los ist."
"Du wirst es nie erfahren, wenn du es nie tust."
Autsch. Allein die Vorstellung tat weh. Allein der Gedanke, ihn zu verlieren schmerzte. Und ich hasste mich dafür. Ich hasste mich dafür, dass ich Gefühle zugelassen hatte. Doch jetzt war es zu spät. Es war schon passiert, er hatte sich in mein mickriges Herz geschlichen.
"Ich will dir nicht weh tun."
"Du bist diejenige, der weh getan wird."
"Kujtim du würdest es nicht verstehen.." wieder stiegen mir Tränen in die Augen.
"Ich habe in meinem Beruf einiges gesehen Liridona. Ich würde es bestimmt verstehen."
Ich sah ihn an. Er meinte es tot ernst.
Ich stieg aus dem Auto aus und setze mich ihm gegenüber auf den Boden. Er löste seinen Blick nicht von mir. Keine Sekunde lang.
Ich wischte mir die Tränen weg und atmete ein paar mal tief ein.
"Bist du stark genug?"
"Ich bin stark genug." sagte er entschlossen. Ich sah ihm tief in die Augen. Er hielt meinem Blick stand, er blinzelte nicht einmal. Ich schloss die Augen und sammelte noch einmal Kraft. Dann zog ich meine Jacke aus. Und dann meinen Pullover. Da saß ich nun, nur mit einem Top bekleidet. All die Wunden auf meinem Oberkörper kamen zum Vorschein. Ich zog mein top über meine Brüste und entblößte auch meinem Bauch. Und in diesem Moment wich jede Farbe aus seinem Gesicht. Ich könnte fast hören was er dachte. In seinen Augen funkelten Tränen und das Entsetzten wurde mit jeder Sekunde die er mich betrachtete größer. Eine Träne verließ seinen Augenwinkel und ich sah wie sich seine Hände zu Fäusten ballten. Eine Mischung aus Wut und Verzweiflung.
"Bist du immer noch stark genug?" fragte ich mit zittriger Stimme. Stille. Er sagte nichts. Er starrte mich nur an. Er starrte auf meine Wunden. Ich hätte ihm einen Teil meines Geheimnisses offen gelegt. Einen Teil meiner dunklen Seite, hatte ich ihm offen gelegt.
"Sag mir, bist du immer noch stark genug?" wiederholte ich meine Frage. Doch er sagte nichts. Sein Blick wanderte über meinen Körper und dann in mein Gesicht. Er bekam keinen Ton raus. Keinen Mucks. An seiner Stelle, hätte ich das wahrscheinlich auch nicht gekonnt...

How he saved me...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt