Panik

245 17 2
                                    

Ich saß im Unterricht und starrte auf die Tafel. Mein Bein hörte nicht auf zu Wippen. Der Lehrer redete und redete, aber jedes Wort was er sagte prallte an mir ab. Ich konnte nur an diesem Brief denken. 'An diesen blöden scheiß Brief, der mein ganzes Leben durcheinander bringt' ich wurde wütend, das spürte ich. Ich fing an mit meinem Kugelschreiber gegen meinen Block zu tippen. Eine Hitze stieg in mir hoch, und diese ganzen Gedanken. Gott diese ganzen Gedanken in meinem Kopf. Konnte das nicht einfach aufhören? Wieso kann man nicht einfach aufhören zu denken? Warum haben wir keinen "Off" Knopf? Wieso passiert mir das alles? Ich dachte ich hätte endlich die Normalität in meinem Leben, die ich mir immer gewünscht hatte, seit der Verhaftung von "meinem Vater" aber nein, mein Leben hört einfach nicht auf mich zu verwirren.
"Frau Gashi."
Alles ist immer nur kompliziert. Alles muss immer wieder nur kompliziert sein. WIESO? Was hab ich denn für ein beschissenes Schicksal.
"FRAU GASHI!"
Ich schreckte hoch.
"Ja."
Mein Lehrer räusperte sich.
"Entschuldigen sie den lauten Ton, doch sie schienen ganz weit weg. Ist alles in Ordnung."
Ich sah mich in der Klasse um, alle Blicke waren auf mich gerichtet. Gott, wieso starren die denn alle so?"
"Frau Gashi, ist alles in Ordnung?" wiederholte er die Frage.
"Ehh.. j-ja natürlich. Entschuldigung."
"Möchten sie etwas frische Luft schnappen?"
"Nein, nein. Es geht schon danke."
Allmählich wendeten sie die Blicke ab von mir. Wow, wie unangenehm. Hatte ganz vergessen wie das ist. Der Unterricht ging weiter und mein Kopf hörte einfach nicht auf. Mein Gehirn hielt einfach nicht die Klappe. Was sollte ich denn tun? In mir herrschte so eine Anspannung. Ich fühlte mich elektrisiert, so als würde ich jedem einen 50000 Volt Schlag verpassen, der auch nur in meine Nähe kommt. Gott, ich hasste mich dafür. Wieso war ich ein Mensch der gerne grübelt? Endlich war die Stunde vorbei, ich packte meine Sachen und lief so schnell raus wie ich nur konnte. Draußen war es schon Stock dunkel, und obwohl der Sommer schon da war, war es abends doch ganz schön kühl.
"War ein harter Tag heute, was?" rief jemand.
Ich blieb kurz stehen, lief dann aber wieder weiter. Sicher war nicht ich gemeint.
"Hey, bleib doch stehen."
Als ich mich umdrehte, war da ein Typ, etwa 2 Köpfe größer als ich, der mit schnellen Schritten auf mich zukam.
"Du bist Liridona, richtig?"
Erst sah ich ihn verdutzt an, doch dann schaltete sich mein Hirn wieder ein.
"Was juckt dich das? Lass mich in Ruhe."
"Wow, das dein Tag hart war merkt man, aber das er so hart war."
Ich verdrehte die Augen und wollte an ihm vorbei gehen, doch er hielt mich am Oberarm fest. Ich schreckte zurück, mein Herz fing an gegen meine Brust zu schlagen, als hätte ich gerade ein Gespenst gesehen. Ich hörte von einer Sekunde auf die andere das Blut in meinen Ohren rauschen.
"Fass mich nicht an!" schrie ich. Tränen verschleierten mir die Sicht.
"Wow wow wow, hey ich wollte dich nicht erschrecken."
"Komm mir nicht näher, oder ich schreie!" Ich krallte meine Hände so fest um meine Bücher, dass es schon weh tat. Solche Panik hatte ich schon lange nicht mehr. Was wollte dieser Typ? Wer war er?
"Hey, hab bitte keine Angst, ich will dir nichts tun."
Er ging ein paar Schritte zurück, und hob die Hände, so dass ich sie sehen konnte.
In diesem Moment wurde mir klar, was gerade passiert war. Ich hatte eine Panikattacke. Seit langem wieder. Es fühlte sich an, wie eine verdammte Niederlage. Ich hatte es so lange geschafft. So lange. Und jetzt passierte es wieder, aus dem nichts. Wow, das war erniedrigend.
"T-tut mir leid, ich..." Tränen über Tränen flossen mein Gesicht hinab.
"Ich weiß! Ich kenne deine Geschichte... es ist okay, ich wollte dich nicht erschrecken."
Ich lehnte mich gegen die Wand hinter mir und lockerte den Griff um meine Bücher.
"Was wolltest du von mir?" fragte ich kraftlos. Es schien als wäre jede Energie von mir gewichen. Als würden diese Attacken jede Kraft aus mir aussaugen.
"Nichts. Reden."
"Worüber?" fragte ich.
Er lachte kurz, eine Mischung aus Sarkasmus und Verwirrung schwang mir drin.
"Ehh.. ich wollte... naja, ich... wollte dich schon länger ansprechen. Du.. du gefällst mir." sagte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
Ich sah ihn skeptisch an und dann lachte ich. Ich hatte echt vergessen, dass normale Menschen flirten.
"Okay.. das ist sehr erniedrigend." sagte er.
Ich hörte auf zu lachen.
"Nein, so meinte ich das nicht tut mir leid. Aber ich bin vergeben."
"Ja? Schade.. naja vielleicht ändert sich das mal."
"Ich hoffe nicht."
"Ich.. es tut mir nochmal leid. Ich wollte dir keine Angst einjagen. Und alles gute."
"Machs gut." sagte ich.
Ich sah ihn hinterher, wie er den Weg hinunter ging zur Hauptstraße. Okay, das war schräg. Aber irgendwie... gefiel mir der Gedanke.. das ich anziehend auf jemanden wirkte. Versteht mich nicht falsch, ich käme nie auf die Idee mich nach jemand anderem als Kujtim umzusehen, dafür liebte ich ihn viel zu sehr, aber dennoch, war es schön. Eine kleine Bestätigung, das ich doch nicht so hässlich bin, wie ich immer meine. Ich wartete, bis ich den Fremden nicht mehr sah und ging dann langsam die Straße hinunter. Kujtim wartete schon im Auto.
"Hey." sagte er.
"Hey." Ich küsste ihn. Und er fuhr los.

How he saved me...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt