"Lass mich frei..."

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Ich stand in seinem Schlafzimmer und sah mich um. Er war einkaufen gegangen, das Gefühl alleine in seiner Wohnung zu sein, war befremdlich aber irgendwie gefiel es mir. Immer wieder dachte ich daran, dass das mein Zuhause sein könnte. In meinem Kopf spielten sich 1000 Szenarien ab. Wie ich hier einziehe, wir streiten und uns versöhnen, wie ein Alltag mit ihm aussehen könnte. Wie ich irgendwann mit kugelrundem Bauch hier herum renne. Der ganz normale Alltag. Das ganz normale Leben, wonach ich mich sehnte. Seine Wohnung war sehr schlicht und modern dekoriert. Trotzdem fühlte man sich hier unglaublich wohl. Und für einen Mann, war hier alles an seinem Platz.
'Ordnungstick' ging mir durch den Kopf. Ein Schmunzeln bildete sich auf meinem Gesicht. Ein Bilderrahmen stand auf seinem.  Nachttisch. Ich setzte mich an den Bettrand und betrachtete das Foto. Eine Frau, ende 40 hatte den Kopf in den Nacken gelegt und lachte ausgelassen und glücklich. Daneben stand ein Mann, etwa in ihrem Alter und sah sie mit liebevollem Blick an. Seine Eltern... Auf diesem Bild war der perfekte Moment festgehalten. Es strahlte unglaubliche Liebe und Zufriedenheit aus. Ein wunderschöner Anblick. Der Traum, von einem Eheleben. Doch dieser Traum war für sie alle geplatzt. Denn sein Vater war nicht mehr da... Warum? Ich wusste es nicht.. Ich konnte es mir auch nicht erklären... Diese Tatsache tat mir weh, auch wenn ich ihn nicht gekannt hatte. Ja, ein mulmiges Gefühl machte sich in mir breit. Was passiert mit dieser Welt? Warum können diese Grausamkeiten nicht aufhören? Tränen schossen mir in die Augen. Eine ganze Weile saß ich da und sah dieses Bild an, bis ich hörte, wie der Schlüssel in der Tür sich drehte. Ich stellte es sofort zurück und wischte mir die Tränen weg.
"Hey." sagte ich.
"Hey, da bin ich wieder."
Ich lächelte ihn an und nahm ihm eine Tüte ab. Seine Hand war eiskalt. Ich trug sie in die Küche und packte die Sachen aus.
"Lass das, ich mach das schon."
"Ich will dir helfen. Wo gehört das hin?" fragte ich und hielt eine Packung Eier hoch.
"In den Kühlschrank Liridona, so wie überall..." sagte er und schmunzelte.
"Machst du dich über mich lustig?" fragte ich gespielt beleidigt.
"Jaa, tu ich." entgegnete er und zwinkerte.
"Was willst du dagegen tun?"
"Ich kann dir weh tun.." sagte ich.
"Glaubst du?"
"Weiß ich."
"Ich hab Handschellen hier.. Willst du es drauf ankommen lassen?"
Wir alberten herum, während wir die Sachen einräumten. Doch die ausgelassene Stimmung wurde beendet, durch das klingeln meines Handy's. Ich nahm es von der Theke, und sah auf den Bildschirm.
"-Du wirst dein blaues Wunder erleben, wenn du zuhause bist.
-Je länger du weg bleibst, desto mehr wirst du leiden.
-Sind deine Wunden wieder verheilt? Ich hoffe es für dich..."
Unzählige solcher Nachrichten blinkten auf. Mein Herz rutschte mir in die Hose.. Meine Hände fingen an zu zittern und mein Magen drehte sich um. Er war so weit weg, hatte keine Ahnung wo ich bin und trotzdem hatte ich Angst vor ihm.
"Wer ist das?"
"N-Niemand.." stotterte ich.
"Liridona wer ist das?" sein Blick verfinsterte sich. Er sah mich eindringlich an.
Ich antwortete nicht darauf. Er kam auf mich zu und nahm mir das Handy aus der Hand.
"Kujtim gib das her, das geht dich nichts an!"
Doch er hörte nicht. Er hielt es in die Höhe und ich kam nicht ran. Ich war zu klein.
"Gib mir mein Handy!" brüllte ich ihn an.
"Wieso? Hast du was zu verbergen?"
"Das ist gerade nicht dein Ernst?" ich wurde schlagartig so wütend, dass ich kurz davor war loszuheulen.
Er sah mich kurz an, widmete sich jedoch wieder meinem Handy zu.
Ich rannte aus der Küche raus ins Schlafzimmer, krallte mir meine Jacke und wollte verschwinden. Doch gerade als ich zur Tür raus laufen wollte, stellte er sich davor. Ich wollte ihn zur Seite drücken, keine Chance.
"Lass mich vorbei!"
"WO WILLST DU HIN?" ich erzitterte bei seinem Gebrüll.
"Weg von dir, geh mir aus dem Weg!" entgegnete ich wütend.
"Willst du zu deinem Vater gehen? Deine Strafe abholen?" die Provokation in seiner Stimme war nicht zu überhören.
"Besser als mir von dir an den Kopf werfen zu lassen, ich hätte was zu verbergen." Ich war so wütend wie schon lange nicht mehr. Seine Zweifel verletzten mich.
"Entschuldige Liridona, dass du mir wichtig bist!" schrie er.
"Warum? WARUM VERDAMMT NOCHMAL WARUM? Ich bin eine geschändete, verkorkste BITCH die seit 5 Jahren nichts anderes kennt als Gewalt! DU WEISST NICHTS ÜBER MICH, NICHTS! ALSO WARUM ZUM TEUFEL BIN ICH DIR WICHTIG?" meine Stimmbänder drohten zu zerreißen. Ich krallte die Nägel in meine Handfläche. Meine Stimmbänder drohten durchzureißen.
"Seit 5 Jahren...." seine Stimme war nicht mehr als ein flüstern. In seinem Gesicht ein Ausdruck von Entsetzten.
"Ja Kujtim, seit 5 Jahren... Ich komme damit klar, du aber nicht. Ich habe mich daran gewöhnt, du wirst dich aber niemals daran gewöhnen. Deshalb ist es das beste, hier einen Cut zu machen und unsere Wege zu gehen. Lass mich vorbei." diese Worte trafen mich mitten ins Herz. Sie schmerzen wie Dolche, doch es müsste ausgesprochen werden.
Er sah mich schockiert an. Er bewegte sich nicht, er blinzelte nicht einmal. Tränen stiegen mir in die Augen, Verzweiflung machte sich in mir breit. Ich hab gerade das einzige auf, was mir Kraft auf dieser Welt gab.
Ich machte einen Schritt auf ihn zu und sah ihm in die Augen.
Tränen flossen über mein Gesicht, mein Herz teilte sich entzwei.
"Ich bin nicht gut für dich, lass mich gehen... Lass mich frei..."

How he saved me...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt