Meine Ansicht

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Kujtim's Sicht:

Mir blieb der Atem weg, mein Kopf war leer, und doch kreisten unzählige Gedanken darin herum. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, was ich machen sollte... Wie gelähmt stand ich da und sah sie entgeistert an. In ihr entstelltes und doch wunderschönes Gesicht. Es war tränenüberströmt, man sah ihr den Schmerz an. Das Leid, dass sie auf den Schultern trug. Mein Herz blutete, noch nie ging mir ein Mensch so nah, obwohl er mir so viel verheimlichte. Was sollte ich tun? Ich machte einen Schritt auf sie zu und umklammerte ihren Kopf mit meinem Händen, Tränen stiegen mir in die Augen. Doch sie ließ es nicht zu, die stiess mich von ihr weg und fing an verzweifelt zu sprechen.
"Nein, hör auf damit ... Es geht so nicht weiter."
Was war nur los mit ihr. Ich wusste niemals woran ich war. Mal war sie so süß und dann wieder abweisend als bedeute ich ihr nichts. Aber ich spürte, dass sie mich brauchte. Irgendetwas sagte es mir.
"Ich werde überhaupt nichts beenden, ich werde dich aus dieser Hölle holen und dir ein Leben schenken, das du verdienst. Und dein Vater wird für all seine Taten büßen, das schwöre ich. Selbst wenn mich das mein Leben kostet!" Und das meinte ich auch so. Noch nie in meinem Leben habe ich in einem Menschen so viel Kraft und Schmerz zugleich gesehen. Sie strahlte eine unglaubliche Selbstbeherrschung aus und doch sah man, wie sie Stück für Stück immer tiefer sank.
"Ich will dich nicht in die Kranken Spielchen meines Vaters mitreinziehen. Du hast deine eigenen Sorgen Kujtim, es ist besser wenn es hier zu Ende geht, bevor ich dich nur noch mehr verletzte." sagte sie. Ihre Stimme klang verzweifelt.
Es reichte mir, ich hatte die Schnauze voll. Es tat mir weh sie so zu sehen, aber es tat noch mehr weh, dass sie sich nicht helfen lassen wollte.
"Liridona warum redest du ständig davon, dass du mich verletzt und nicht gut für mich seist? Du bist hier diejenige, die einen Halt braucht und jemanden der sie nicht alleine lässt. Ich bin über meine Probleme hinweg, ich habe den Schmerz überwunden aber deiner wird verdammt noch mal nicht aufhören, wenn du nicht etwas dagegen tust! Du verletzt nicht MICH!" Ein leidender Blick lag in ihrem Gesicht. Ohne ein Wort zu sagen kehrte sie mir den Rücken zu und ging ins Wohnzimmer. Vor dem Balkonfenster blieb sie stehen und sah raus in die Nacht. Ich folgte ihr.
Sie begann zu sprechen:" Egal wie oft ich mich gewehrt habe, egal wie viel ich gegen ihn angekämpft  habe, er hat mich immer wieder gebrochen."
Ihr stimme brach, ich merkte wie sie mit den Tränen kämpfte. Dann sprach sie weiter:" Ich konnte abhauen wohin ich wollte, er hat mich immer wieder gefunden. Und er hat mich immer härter bestraft.."
Ein Schluchzer ertönte und dann fing sie an bitterlich zu weinen. Es fühlte sich an wie ein Messerstich durch meine Brust. Ich konnte es nicht ertragen sie so zu sehen. Langsam näherte ich mich ihr, was sollte ich tun? Ich legte vorsichtig die Arme um sie. Ich spürte wie sie zusammenzuckte. Mein Gesicht vergrub sich wie aus Reflex in ihrer Halsbeuge, ich konnte ihren Körpergeruch wahrnehmen.
Ihr Oberkörper hob und senkte sich. Sie weinte fürchterlich.
"Erschreck dich nicht, vor meiner Berührung, ich würde dir niemals was tun..." Und das meinte ich auch so. Ich wollte, dass sie nur Zärtlichkeit und Liebe erfuhr. Ich wollte sie nur mit Sanftheit berühren und ihr eine Welt ohne Gewalt zeigen. Ich weiß nicht was passiert war, wieso sie mir so wichtig war aber ich hatte mich Hals über Kopf verliebt. Es interessierte mich nicht, wie gebrochen sie war. Ich wollte nur mit ihr sein, bei ihr sein. Nach einer weile löste sie sich von mir und setzte sich auf die Couch. Ich setzte mich gegenüber, die Zeit war gekommen. Ich wollte endlich wissen, was bei ihr los ist.
"Erzähl es mir endlich." sagte ich so vorsichtig wie möglich. Ich hatte mit Widersprüchen gerechnet, mit ausreden aber nein, überraschender Weise begann sie zu erzählen.
"
Vor 5 Jahren, rief jemand bei uns an. Ich hob das Telefon ab und eine Männerstimme begann zu sprechen. Er verlangte nach meiner Mutter, doch sie war in dem Moment nicht zuhause. Also brachte ich das Telefon meinem Vater. Ich ging auf mein Zimmer, dachte mir nichts dabei als er plötzlich anfing zu brüllen. Er schrie den Mann an der anderen Leitung an, fluchte und beleidigte ihn. Ich verstand nur wage was er sagte, aber es interessierte mich nicht sonderlich. Als meine Mutter dann nach Hause kam, ging ich runter um sie zu begrüßen. Aber mein Vater war außer sich vor Wut. Bis dahin wusste ich noch nichts. Er ging auf meine Mutter los und verprügelte sie, er fluchte und beleidigte sie auf die schlimmste Art und Weise. Ich versuchte ihn wegzuziehen, aber ich war nicht stark genug. Dann verschwand er im Schlafzimmer, ich kniete mich zur ihr und nahm sie in den Arm, ich hasste meinen Vater in dem Moment. Aber es war noch nicht vorbei. Kurze Zeit später kam er mit gepackten Koffern in den Flur und warf sie raus. Und sie wehrte sich nicht. Anscheinend kannte sie den Grund, denn sie erwiderte nichts. Ich protestierte, weinte mir die Seele aus dem Leib. Er verstand die Welt nicht mehr. Sie ging. Sie ging einfach aus der Tür, ohne sich noch einmal zu mir umzudrehen." Mein Puls war mittlerweile bei gefühlten 5000 Schlägen. Ich starrte sie nur an und hörte zu, während sie die Wand hinter mir fixierte.
"Abends lag ich im Bett und weinte. Ich hatte noch nie in meinem Leben so geweint, ich wusste nicht warum das alles passierte. Irgendwann kam er in mein Zimmer, ich roch den ekelhaften Gestank von Alkohol an ihm, er war nicht sicher auf den Beinen. Ich hatte ihn noch nie betrunken erlebt, bis zu diesem Zeitpunkt. Er setzte sich an mein Bett und fing an zu weinen, er weinte so fürchterlich das icu Mitleid bekam. Also tröstete ich ihn, bis sich sein weinen in hysterisches Gelächter verwandelte. Ich wusste nicht was ich tun soll, wie ich mich verhalten soll.
Bis er mir den Grund nannte, für die Geschehnisse des Tages. Meine Mutter hatte ihn betrogen. Mit 4 weiteren Männern. Ich war nicht seine Tochter, ich war eine fremde. Ohne Vater und einer Schlampe als Mutter." Sie brach in Tränen aus und ihre Stimme versagte. Ich wusste nicht mehr was ich sagen sollte. Oder was ich denken sollte. Wie schrecklich müsste es wohl sein, seine Mutter und seinen Vater an einem Tag zu verlieren.
"Er hat mir schreckliche Dinge angetan in dieser Nacht, er hat mir das wertvollste genommen was ich hatte... Und seit diesem Tag, muss ich mich einmal pro Woche fesseln lassen, sodass er seine Wut an mir raus lassen kann... Seit 5 Jahren, fügt er mir unerträgliche Schmerzen zu Kujtim."
Eine unglaubliche Welle von Mitleid und Wut überkam mich. Sie schlug die Hände vor's Gesicht und lies den Tränen freien Lauf. Ich setze mich zu ihr und nahm sie in den Arm, alles in mir kochte. Mein Kiefer war zum zerreißen gespannt. Ich schwärte mir innerlich, dass er büßen würde. Er würde büßen und sich wünschen niemals geboren worden zu sein. Ich wünschte, ich könnte ihr den Schmerz nehmen... Doch das konnte ich nicht.
"Ich habe die Kraft nicht, gegen ihn anzukämpfen Kujtim, ich habe die Hoffnung verloren." fuhr sie fort.
Stück für Stück baute sich immer mehr Wut und Hass auf diesen Mann aus. Auf diese Schwuchtel, ein Mann war das nicht.
"Das ganze hat jetzt ein Ende, du hast es lange genug ausgehalten!"
"Er ist ein Psychopath Kujtim, du kommst nicht gegen ihn an! Was meinst du, warum ich das alles über mich ergehen lasse?" Ich hatte keine Kontrolle mehr über meine Gefühle, in mir explodierte die pure Wut. Ich schmiss das erste was mir in die Hand viel zu Boden, packte die restlichen Dinge, die das Zimmer dekorierten und schmiss um sich. Ich hielt ihre Worte nicht mehr aus, sie brachten mich um.
Aus meinem Mund kamen nur noch Beleidigungen, auf die schlimmste Art und Weise die ich kannte beschimpfe ich dieses Monster.
"Du wirst mich nicht mehr los Liridona, er wird dich nie wieder anfassen, das schwöre ich bei Gott!" Ich werde ihn umbringen, ich werde ihm alle Lebenslust aussaugen!
"Kujtim..." sagte sie mit kraftloser Stimme.
Ich drehte mich zu ihr um und sah ihr direkt in die Augen. Ich sah ihr die Angst in den Augen an.
"Du wirst mich nicht wollen..." sagte sie.
"Doch, ich will dich! Mit all deinen Ecken und Kanten!"
Sie weinte und weinte, doch sie riss sich zusammen, anscheinend war das noch nicht alles. Sie atmete tief ein und sah mir direkt in die Augen.
"Ich bin keine Jungfrau mehr.." sagte sie. Mein Herz hörte für einen Moment auf zu schlagen, meine Kehle trocknete binnen eines Bruchteils einer Sekunde aus. Für einen kurzen Moment, fiel icu aus allen Wolken. Obwohl mir sowas niemals wichtig war, tat es mir weh. Doch dann schaltete ich mein Hirn ein und dachte nach. Ich betete, ich betete aus vollem Herzen zu Gott, dass sie es mit ihrem Freund getan hatte. Ich betete, dass es nicht ihr Monster von Vater war... Für mich brach eine Welt zusammen...

How he saved me...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt