Thinking

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„Liri."
Ich hörte Kujtim's Stimme. Aber sie war ganz weit weg. Meine Gedanken kreisten um diesen Brief, ich konnte einfach nicht aufhören darüber nachzudenken. Was sollte ich bloß tun. Ich kann mich doch nicht einfach mit ihm treffen und so tun, als wäre alles in Ordnung. Ich kann kaum glauben, dass ich wirklich eine Familie habe, eine richtige Familie, aber sie waren mein Leben lang fern. Ich wusste nicht einmal das sie existieren. Meine Mom verließ mich, mein angeblicher Vater brachte mir die Hölle auf Erden und sie lebten ihr Leben. Mit alltäglichen Krisen mit alltäglichen Glücksmomenten. Ich war nie Teil davon. Ich weiß nicht, ob ich es je sein werde. Ich meine ich liebe Liridon, und auch meine Mom, auf eine schräge Art und Weise, aber mein Dad...
„Hey Baby."
Ich will wissen wie er ist, ich will wissen was ihn ausmacht, wo seine Werte liegen. Welche Stärken und Schwächen er hat. Was ich von ihm vererbt bekommen habe. Ich möchte wissen, was mein Vater für ein Mensch ist aber andererseits macht es mir auch höllische Angst. Was wenn er mich enttäuscht. Oder ich ihn? Was wenn ich mir zu viel erhoffe. Was wenn ich ihn niemals so sehen kann, wie ich ihn sehen sollte? Was wenn mir sein Weltbild nicht gefällt. Ich meine, es klingt hart aber ich bin bis heute allein gut klar gekommen. Ich brauche meine Selbstständigkeit, ich brauche meine Freiheit. Ich brauche keine Vaterfigur. Aber ich habe mir immer einen Vater gewünscht, der mich liebt und beschützt. Der dafür sorgt, dass es mir gut geht. Der alles versteht was mich bedrückt und was mich beschäftigt. Es fällt mir so schwer mich auf Menschen einzulassen. Es fällt mir so schwer, anderen mein Herz dazulegen. Obwohl ich immer an das Gute im Menschen geglaubt habe, obwohl ich weiß, dass die Menschlichkeit nicht verloren ist und Menschen sie in sich tragen, ist es für mich so schwer dies zu akzeptieren und davon auszugehen. Andererseits ist es mein Vater, kann er mir wirklich schlechtes wollen? Das kann ich mir beim besten Willen einfach nicht vorstellen.
„Zemer, hörst du mich?"
Ich schreckte hoch, als er sanft meine Schulter drückte.
„Hmm? Was?" fragte ich völlig abwesend. Hat er was gesagt?
„Woran denkst du?"
Ich sah in schweigend an.
„Komm rede mit mir."
Ich hielt kurz inne, um mich zu sammeln. Ich streifte mir mit beiden Händen über's Gesicht, bevor ich anfing zu sprechen.
„Dieser Brief, er lässt mich einfach nicht in Ruhe."
Er sah mich verständnisvoll an und legte seine Hand auf meinen Rücken. Ich schloss die Augen und genoss diese Berührung. Sie beruhigte mich.
„Was hast du zu verlieren süße? Entweder du verstehst dich gut mit ihm und ihr baut eine Beziehung zueinander an, oder ihr versteht euch eben nicht, dann ist es eben so. Dann geht dein Leben weiter. Ich will dir nicht in deine Entscheidung reinreden zemer, aber lass dich doch einfach mal drauf ein. Ohne Erwartungen, ohne Hoffnung."
Ich lauschte aufmerksam seinen Worten. Ließ sie auf mich wirken und wiederholte sie im Kopf. Ohne Erwartungen... ohne Hoffnung... geht das überhaupt? Ich meine es geht schließlich um meinen Vater, andererseits hat er recht, ich werde es nie erfahren, wenn ich nicht einfach ins kalte Wasser springe.
„Denk einfach nicht zu viel darüber nach. Du kannst es nicht planen, egal wie sehr du es planen willst."
Nicht zu viel nachdenken - Ich. Sehr witzig.

How he saved me...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt