Ein offenes Ohr

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Yvonne

Da stand ein Häufchen Elend vor mir und kämpfte mit den Tränen. Groß Fragen stellen wollte ich erst gar nicht, sondern zog Nicole einfach nur in meine Arme. Kaum lehnte ihre Stirn an meiner Schulter, fühlte ich den Ruck, der durch sie durch ging und schon fing sie an zu weinen. Sie war richtig am Zittern und ich sah zum Auto meines Bruders rüber. Was war nur passiert? Hatte er mir nicht noch letzte Nacht eine WhatsApp geschrieben, wie glücklich er sei und gerne noch länger mit seiner Traumfrau auf Bali geblieben wäre? Was konnte also zwischen den beiden nur vorgefallen sein? Doch so wie die Sachlage gerade stand, würde ich offenbar noch etwas auf eine Antwort warten müssen. Ich drückte Nicoles wimmernden Körper etwas enger an mich und strich ihr behutsam über den Kopf. Wie man es eben auch bei kleinen Kindern machte, wenn sie Trost suchten. "Komm erst mal rein" sagte ich leise, zog sie mit mir und schloss die Tür. Sollte Marco sich doch noch bequemen nachzukommen, konnte er klingeln. Im Augenblick sah es aber nicht so aus, als hätte er es vor. Ich setzte Nicole ins Wohnzimmer, gab ihr eine Box mit Taschentücher und ging in die Küche um einen Kaffee zu machen. Gerade lief die zweite Tasse durch die Maschine, als ich kleine Füße die Treppe runterrennen hörte und schon brüllte Luca die Bude zusammen. "Niiicole!" unweigerlich musste ich schmunzeln und konnte mir direkt vorstellen wie sie anfing zu grinsen. Sie war vom Charakter her nicht viel anders als ich und wenn es mir so richtig scheiße ging, konnte mir oft auch nur Nicos Lachen über meinen Seelenschmerz helfen. Da ich die zwei nicht gleich stören wollte, nutzte ich die Zeit und sah zum Fenster raus. Marco stand immer noch vor unserem Haus und ich fragte mich was zwischen den beiden vorgefallen war. Nachdenklich biss ich mir auf die Unterlippe und überlegte was ich tun könnte. Das Haustelefon lag auf dem Küchentisch und ich sah es an um dann wieder zum Fenster rauszuschauen. "Ach was soll es" sagte ich leise, nahm das Telefon und suchte Marcos Handynummer raus.

Es klingelte schon das fünfte Mal, doch mein Bruder ging nicht ran. Ich runzelte die Stirn und konnte mir dieses Verhalten von ihm überhaupt nicht erklären. Er war sonst nie so und egal was ihn beschäftigte, ich konnte immer einen Zugang zu ihm finden. Gerade wollte ich aufgeben als ich seine Stimme hörte "ja?"-"was ist los?"-"hat sie dir noch nichts gesagt?" er klang nicht wütend oder aufgebracht, sondern sehr ruhig und schon fast weinerlich. So klang er das letzte Mal, als seine letzte Freundin nach langer Beziehung die Sache beendet hatte und bei mir klingelten alle Alarmglocken. "Nein, also sag du es mir"-"sie hat die Sache beendet" kam es tonlos, nach dem er einmal tief durchgeatmet hatte. "Warum?"-"das sollte sie dir besser selbst sagen. Ich ... und vielleicht ... ach was soll's" es wurde still in der Leitung und ich musste einfach nachhaken "na was denn?"-"Nee, komm lass sein Yvo. Ich muss da durch"-"quatsch musst du nicht. Ich kann doch ..."-"nee kannst du nicht. Lass gut sein. Sie wird es dir sicher erzählen und wenn nicht, auch gut. Ich fahre jetzt nach Hause und ... ja und keine Ahnung. Ruf Marcel an oder so was" unterbrach er mich und legte einfach auf, nach einem knappen "ciao". Ich sah ratlos den Hörer in meiner Hand an und schüttelte leicht mit dem Kopf. Dann nahm ich die Tassen, richtete sie mit Zucker und Milch auf einem Tablett an und ging ins Wohnzimmer.

Das Bild was sich mir bot, konnte Ketten um Herzen sprengen. Nicole hatte Luca auf dem Schoß sitzen, vergrub ihr Gesicht tief an seinem Hals und drückte ihn einfach nur ganz fest. Ob sie dabei weinte konnte ich nicht wirklich erkennen, erst als ich das Tablett abstellen wollte und dann beschloss, sie lieber auf die Terrasse zu locken. "Nicole, sollen wir raus in die Sonne gehen zum Kaffee trinken?". Langsam hob sie ihren Kopf und ich konnte keine Tränen mehr sehen, dafür nickte sie, schob Luca von sich weg und lächelte ihn zärtlich an. "Magst du wieder mit Nico spielen gehen?"-"Ja klar!" rief der kleine und hopste von ihr runter. Tapfer lächelte sie auch in meine Richtung und stand auf „soll ich noch etwas helfen?"-„nein, komm einfach" gab ich ihr als Antwort und ging ihr voraus. Als wir in der Sonne saßen, schüttete Nicole sich gedankenverloren Zucker in ihren Kaffee und rührte dann sinnlos in der Tasse. „Sagst du mir was passiert ist?" sagte ich so ruhig und vorsichtig wie möglich. Ich wollte sie auf keinen Fall drängen und hoffte einfach, dass sie ihr Leid mir klagen würde, damit es ihr wieder besser ging. Dann schaute sie mich mit diesem traurigen und doch so fernen Blick an und öffnete langsam ihren Mund. Sie sagte aber nichts, sondern schloss ihn wieder, senkte den Kopf und drehte die Tasse zwischen ihren Händen hin und her. „Vielleicht ... also nur vielleicht kann ich dir ja helfen? Manchmal hilft es wenn man über seine Sorgen spricht. Eine fremde Person sieht es vielleicht klarer und kann einen Tipp geben" diesen Gedanken, das mein Bruder an ihrem Zustand schuld sein könnte, schob ich weit nach hinten, zumal seine Aussage auch nicht wirklich dazu gepasst hätte. Aber selbst wenn doch, hätte ich vielleicht vermitteln können und es war genau das um was mich Marco eigentlich bitten wollte und es doch nicht getan hatte. „Ich ... ich habe nicht wirklich Sorgen" kam es plötzlich ganz leise von meiner Gegenüber und ich hörte aufmerksam zu. „Es ist ... ich glaube, ich mache einen Fehler und ich weiß nicht wie ich da wieder raus kommen soll" ich stützte meine Ellenbogen auf den Tisch, legte mein Gesicht in meine Hände und sah sie eindringlich an. Was auch immer sie belastete, es musste sehr tief sitzen und nun konnte ich mir noch weniger vorstellen, das Marco etwas damit zu tun hatte. Dann fing Nicole endlich an zu reden und meine Gefühlswelt wurde von einem Extrem ins andere geworfen. Fassungslos und mit offenem Mund konnte ich ihr teils nur zuhören und als Nicole am Ende ankam, musste ich mich erst einmal sammeln.  Die Gedanken liefen zickzack und ich hinterher. Wie sollte ich so einen Tipp geben oder mit einem guten Rat zur Seite stehen? Das war einfach unfassbar, was ich mir da angehört hatte und ich versuchte mir meine Geschwister in der Rolle von Luisa vorzustellen. Es ging nicht. Wie auch? „Du musst da Profis ran lassen meine Liebe" sagte ich leise, aber bestimmt und sah in die weite Ferne meines Gartens, denn mein Kopf war immer noch nicht fertig mit suchen nach Lösungen. Es war Fakt, Nicole würde da nicht alleine mit fertig werden und mein Bruder steckte da mitten drin. Es erinnerte etwas an Romeo und Julia, wobei Luisa einen wunderbaren Tybalt abgab. Oscar verdächtig war die schauspielerische Leistung, mit Erfolg.

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Heute mal sehr früh ...
Ich hoffe ihr hattet einen guten Start in die Woche?

Ich feier immer noch das Wochenende und freu mich auf das nächste Spiel.

Nach 5 Kapitel ist die Geschichte schon auf #300 Bereich gerutscht, was ich ebenso feier.
Danke das ihr so fleißig lest und votet.
An die stillen Leser unter euch, jedes vote zählt, um auch diese Geschichte in die Top 20 zu bringen wie der erste Teil.
Ihr seht, ich bin genügsam. Top 1 will ich nicht mal hahaha.

Nicole hat also ihr Herz bei Yvonne ausgeschüttet und diese wäre keine gute Freundin, wenn sie nicht nach Lösungen suchen würde.
Im ersten Teil war dies ja schon der Wunsch von dem ein oder andren, weswegen Yvonne auch ihre ganz eigene Sicht diesmal bekommen hat und noch öfter zu Wort kommen wird. Ich hoffe das gefällt euch.

Bis Mittwoch dann wieder und fleißig voten bitte, danke!

Lg

Ich, meine Schwester und Marco II Eiskalte RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt