Nicole
Marcos Eltern und seine andere Schwester kennenzulernen war weniger schlimm, als ich es mir zuerst ausgemalt hatte. Sie nahmen mich so freundlich und herzlich auf, dass mir fast die Tränen gekommen wären. Seit meine Eltern gestorben waren, brachte mir abgesehen von Marco, kein Mensch mehr diese Wärme entgegen, wie diese Familie. Man musste sie einfach lieben und das tat ich. Mein schlechtes Gewissen, welches ich Marco gegenüber hatte wegen meinem Ausraster, tat mir seit dem doppelt so leid. Ich war einfach emotional am überkochen und wusste nicht mehr wohin mit all diesen Gefühlen. Von dem Moment an, versuchte ich diesem Chaos in meinem Kopf keine Oberhand mehr zu geben. Was Luisa mir alles angetan hatte, rechtfertigte meine Handlung ihr gegenüber und ich musste einsehen, nur so würde es wieder normal werden zwischen uns beiden. Marco hatte damit überhaupt nichts zu tun! Mag sein, dass er ein Auslöser war, doch diese Bombe wäre mit Sicherheit so oder so irgendwann geplatzt.
Das Marco, trotz meiner Anschuldigungen in seine Richtung, uns solch ein Weihnachtsgeschenk machte, haute mich wieder aus der Bahn und war gleichzeitig eine gute Übung für mein schlechtes Gewissen. Dubai war schon immer mal ein Traum von mir gewesen. Immer dann, wenn ich mir eins dieser Klatsch- und Tratsch Hefte kaufte, war ein Reisebericht darin zu finden und ich träumte mich dahin. Ich grub meine Füße in den Sand ein, als ich mit Luca am sandeln war und genoss die Wärme im Unterbewusstsein. Ich fühlte mich so frei und entspannt wie damals in Bali. Mir war klar wem ich dies zu verdanken hatte und sah mit einem leichten Lächeln über meine Schulter rüber zu dem Grund. Marco bekam es nicht mit, da er auf sein Handy starrte und irgendwie machte es mich leicht sauer. Ich konnte nichts für dieses Gefühl, es war einfach da und hing irgendwie damit zusammen, dass ich offenbar seine ganze Aufmerksamkeit haben wollte. Unwillig ihn noch mit jemanden teilen zu müssen. Schnell schimpfte ich mich selbst für diesen Gedanken und das Gefühl, denn es stand mir einfach nicht zu. Eifersucht war sicher nicht von Nöten und doch, wenn ich nun sein Gesicht so sah, wurde es mir anders. Ich konnte es schwer einordnen, ob es nun Wut oder einfach nur schlechte Laune war, die da über sein Gemüt drüber ging. Wenig später, bekam ich auf jeden Fall die volle Breitseite dieser Laune ab und wusste nicht einmal wieso.
Nachdem ich Marco eine Zeit lang unbemerkt beobachtet hatte, erhob ich mich schließlich seufzend. Durch die Erkenntnis, dass mein Freund offenbar mit einem Schlag ziemlich schlechte Laune hatte, war ich für meinen kleinen Bruder so oder so nur noch eine sehr schlechte Spielkameradin gewesen. Er hatte mir deswegen vor einigen Minuten schon die Schaufel und das Förmchen aus der Hand genommen hatte. Ich strich Luca sanft durch die Haare und vergewisserte mich, dass er wirklich weit genug weg vom Wasser saß, bevor ich mich mit einem komischen Gefühl auf den Weg zurück zu meiner Liege machte. Marco sah noch immer wie gebannt auf das iPhone in seiner Hand und ich unterdrückte den Drang es ihm einfach aus der Hand zu reißen. Doch da ich dies in der Öffentlichkeit nicht gerade für die beste Idee hielt, räusperte ich mich ein wenig lauter als nötig. Sofort schnellte sein Kopf in die Höhe und er sah automatisch in die Richtung, wo Luca nun alleine im Sand saß. Stirnrunzelnd sah er sich um und seine Mundwinkel zuckten leicht, als er mich neben sich auf meiner Liege ausmachen konnte. Doch diese klitzekleine Veränderung seiner Mimik hielt nicht lange an, denn ich zog ungläubig meine Augenbraue in die Höhe. „Sag mal was ist eigentlich los mit dir, Marco?", fragte ich direkt drauf los und an seinem Kehlkopf konnte ich sehen, wie er offenbar schwer schluckte. In mir machte sich dieses komische Gefühl noch breiter und sofort kam mir der Gedanke, dass er mir irgendwas zu verheimlichen versuchte. Denn automatisch sperrte er sein Smartphone und verstaute es in der Tasche seiner Badeshorts. „Nichts. Was soll schon sein?!", brummte er und ich konnte schon allein an seinem Tonfall erkennen, dass er mich anlog. „Na ich habe eigentlich gehofft, dass du mir die Antwort auf diese Frage geben könntest.", zischte ich leise und sah kurz in Richtung meines kleinen Bruders, der von diesem Gespräch hier zum Glück nichts zu bemerken schien. Marco seufzte und nahm sich die Sonnenbrille von der Nase, bevor er sie neben sich auf die Liege warf und sich erhob. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht was du gerade von mir willst, Nicole. Es ist alles in Ordnung.", sagte er knapp und stapfte durch den heißen Sand zu Luca, wo er nun meinen vorherigen Platz einnahm. Da ich nicht wollte, dass der Kleine Zeuge einer Diskussion wird, beließ ich es schließlich kopfschüttelnd dabei und versuchte mich wieder meinem Buch zu widmen. Doch dies gelang mir eher mäßig, denn ich war mir sicher, dass Marco ein Geheimnis vor mir hatte. Sofort verspürte ich diese Enttäuschung in mir, dass er mir offensichtlich nicht genug vertraute um mit mir über seine Sorgen zu sprechen.
Am Abend, nachdem ich Luca ins Bett gebracht hatte, entschloss ich mich zu einem weiteren Versuch die Wahrheit aus Marco heraus zu bekommen. Er lag, nur mit seiner Shorts bekleidet, auf unserem Bett und beachtete mich nicht einmal, als ich den Raum betrat. Seine Arme hatte er unter seinem Kopf liegen und sein Blick ging stur in Richtung Wand. Er schien wirklich ziemlich schlechte Laune zu haben und ich hätte nur allzu gerne gewusst, was ihn beschäftigte. „Wollen wir uns jetzt die ganze Zeit anschweigen oder willst du mir endlich sagen welche Laus dir über die Leber gelaufen ist?", startete ich einen neuen Versuch, doch Marco sah mir nur für einen kurzen Moment in die Augen, bevor er sich kopfschüttelnd auf die Seite drehte und mir somit den Rücken zuwandte. Sein Verhalten versetzte meinem Herzen einen Stich und ich zog es kurz in Erwägung bei Luca zu schlafen. Doch einer von uns musste sich erwachsen benehmen, weshalb ich mich schließlich auf meine Seite des Bettes legte und versuchte in den Schlaf zu finden.
Auch zwei Tage nach diesem Vorfall war die Stimmung nicht sonderlich besser geworden. Marco achtete penibel darauf, dass ich nicht einen einzigen Blick auf sein iPhone erhaschen konnte und jedes Mal, wenn das blöde Teil einen Mucks machte, erstarrte er für einen winzigen Moment zur Salzsäule. In mir drinnen zog sich der Knoten immer weiter zusammen und ich wollte einfach nur noch nach Hause. Das alles hier lief nicht im Entferntesten so wie ich es mir vorgestellt hatte und am liebsten hätte ich sofort meine Koffer gepackt und wäre nach Hause geflogen. Doch wir hatten noch einige gemeinsame Tage hier vor uns und ich entwickelte langsam aber sicher eine gewisse Wut auf meinen Freund, der mir diesen ganzen Aufenthalt hier mit seiner Laune so dermaßen versaut hatte. Luca genoss den Urlaub hier sehr und Marco gab sich alle Mühe seinen Missmut nicht auch noch an dem Kind auszulassen.
Nach dem Abendessen im hoteleigenen Restaurant, brachte Marco Luca ins Bett und ich setzte mich in unserem Schlafzimmer aufs Bett, um ihn abzupassen. Es dauerte auch nicht lange, bis er mit schlurfenden Schritten den Raum betrat und er stockte in seiner Bewegung, als er mich so vor sich sitzen sah. Er schien zu ahnen, dass das hier kein angenehmes Gespräch werden würde, denn Marco schloss die Tür sofort hinter sich. Langsam erhob ich mich ohne ihn dabei aus den Augen zu lassen und ich wünschte mir für einen kleinen Moment, dass ihm mein durchdringender Blick endlich zeigen würde, dass er mir die Wahrheit sagen sollte. In den letzten Tagen waren mir sämtliche Szenarien durch den Kopf geschossen und ich hatte nur noch einen Wunsch. „Da der Herr ja nicht in der Lage ist mir zu sagen was sein bescheuertes Problem ist, möchte ich, dass wir früher abreisen. Kannst du dich bitte darum kümmern?", fragte ich ihn mit vor der Brust verschränkten Armen und starrte ihn eindringlich an. Marcos Augen weiteten sich für einen Moment, bis er sich langsam an die geschlossene Tür anlehnte und mich mit einem unergründlichen Blick ansah.
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Ich, meine Schwester und Marco II Eiskalte Rache
FanfictionDas Leben der 27 jährigen Nicole scheint nicht unter einem besonders guten Stern zu stehen. Ihre Eltern starben vor 6 Jahren. Sie muss aufhören zu studieren, um die Verantwortung für ihre Geschwister zu übernehmen. Der kleine Bruder Luca kommt sc...