Was du nicht sagst

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Marco

Mein Schädel brummte, als wäre ich mitten in einem Sägewerk oder Kieswerk aufgewacht. Meine Augen schmerzten unglaublich, bei dem Versuch sie zu öffnen. Ich versuchte meine Gedanken zu sortieren. Versuchte die Lücke zu finden, in der die Dampfwalze über mich gerollt war. Ein unermüdliches Klingeln drang an mein Ohr und gab mir den Rest. Mein Kopf war kurz davor zu platzen! Vielleicht war er auch schon geplatzt und ich wusste es nur noch nicht. Vorsichtig legte ich mir meine Hand ins Gesicht. Tastete über meinen Kopf und stellte erleichternd fest, es war noch alles da. Mein Nacken und der rechter Arm schmerzten. Zusätzlich fühlte ich eine Last auf dem Arm, die aber nachgab wenn ich versuchte ihn zu bewegen. Gegen das Gesetz meiner Augen, welches hieß "die bleiben zu!", öffnete ich unter Qualen zu mindestens eins davon. Die Sonne stand tief und brach sich in dem hellen Polster meiner Couch. Das blau-schwarz schimmernde einzelne Haar stach mir direkt bis in die hinterste Ecke meines Hirns und alle Alarmglocken gingen in einem ohrenbetäubenden Kreischen los. "Luisa!" mehr brachte ich nicht raus. Der Schreck führ mir in die Knochen und der Schock lähmte jeden Muskel. Was war passiert? Meine Gedanken sprangen wie wild hin und her. Zu allem Überfluss musste ich feststellen, dass ich nichts an hatte. Es lag eine Decke über mir ausgebreitet, doch zum Glück lag ich alleine hier und das Gewicht auf meinem Arm war nur eins der großen Sofakissen. Es änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass ich hier nackt lag und dieses verräterische Haar mir Teile meiner Erinnerung zurückgab. "Verdammt" zischte ich und war froh, dass das Klingeln meines Handys endlich ein Ende gefunden hatte. Ich schloss meine Augen, die ich mittlerweile beide aufgerissen hatte und versuchte die fehlenden Teile zu finden. Langsam rollte ich mich zur Seite und griff nach meinem iPhone auf dem Wohnzimmertisch. Meine Zunge klebte immer wieder an meinem Gaumen fest und ich gab schmatzende Geräusche von mir, als ich die Uhrzeit entzifferte. Der nächste Schreck durchfuhr mich, denn es war bereits früher Abend und nun wurde mir auch klar, warum die Sonne so tief stand. Es erklärte auch die unzähligen Nachrichten auf meinem Handy und dann rief plötzlich jemand meinen Namen. „Marco? ... Verdammt Bro wo steckst du?" es war Marcels Stimme und ich war nicht erfreut sie zu hören. Hatte er mir doch noch so gehörig den Kopf gewaschen und nun schien es, als müsste ich mir die nächste Strafpredigt anhören. Ich legte mein Handy zurück auf den Tisch, zog die Decke über den Kopf und wollte so tun, als wäre ich gar nicht da. „Ey was ist denn hier passiert?" hörte ich ihn immer näher kommen und ich überlegte mir, was er gerade sah. „Sag mal Brudi, hast du hier noch ne fette Orgie gefeiert?" nun musste ich doch schlucken und verfluchte den Tag, an dem ich meinen besten Freunden einen Schlüssel für mein Haus gegeben hatte. „Du hast doch gar nicht gesoffen außer Wasser oder bist du jetzt schon zu faul geworden deine Klamotten nach dem Ausziehen ordentlich hinzulegen?" ein Gewicht warf sich auf meine Beine, doch blieb ich weiter ganz still. „Reus, erwarte jetzt nicht das ich dich jetzt abklatsche weil ich dich beim Versteckspielen gefunden hab" raunte mir seine Stimme zu, die nun verdammt nah war. Vorsichtig linste ich unter der Decke hervor und sah direkt in das Gesicht von meinem Freund, der sich auf den Tisch neben mein IPhone gesetzt hatte und sich zu mir runter beugte. „Was hast du gemacht? Die halbe Welt versucht dich seit Stunden zu erreichen. Ich dachte, vielleicht antwortest du mir nur nicht, weil du mit Nicole unterwegs bist. Nur irgendwie machte ich mir dann doch Sorgen und Nicoles Nummer habe ich nicht. Ich hab auch keine Ahnung wo sie wohnt. Dann komm ich hier an, dein Auto in der Auffahrt und keiner macht auf. Ich konnte aber deutlich dein Telefon hören und hätte ich kein Schlüssel, glaub mal Bro, ich hätte einen Schlüsseldienst gerufen. Voll die Panik. Dann komm ich hier rein. Von der Tür bis hier zum Sofa liegen deine Klamotten und du liegst hier auf der faulen Haut" ich umgriff die Kante der Decke, hob leicht meinen Kopf und sah mein Shirt und eine Jeans auf meinen Beinen liegen. „Bro, ich hab keine Ahnung was passiert ist" ich ließ meinen Kopf zurück fallen und bereute es direkt. „Du siehst aus, als wärst du von einem LKW überfahren worden"-„genauso fühle ich mich auch. Nee, mal ehrlich Marcel, ich hab keine Ahnung mehr was passiert ist"-„du bist mit Luisa davon und das kann ja eigentlich nur meine Befürchtungen bestätigen"-„quatsch" versuchte ich es direkt abzuwehren, was sich aber sehr kläglich anhörte und von meinem Kumpel nicht unbemerkt blieb. „Ich hab dir gesagt, das bringt nur Ärger"-„da gibt es nix was Ärger machen wird. Ich bin eingeschlafen und mehr nicht, oder siehst du sie hier irgendwo?"-„ich brauch sie nicht zu sehen, mir reicht was ich hier sehe"-„hör auf" ich wurde sauer und schlug die Decke etwas zurück, richtete mich auf und zog mein Shirt zu mir um es anzuziehen. „Deine Short liegt da" er zeigte auf die Lehne hinter mir und ich musste kräftig schlucken. Was würde ich denken, wenn ich bei ihm in die Wohnung rein komme und solch ein Bild vorfinden würde? Genau! Er hätte eine wilde Nacht gehabt. Ich seufzte, zog auch den Stoff an mich ran und schlüpfte rein. „Ich kann mich zwar nur noch dran erinnern, das sie tatsächlich hier war, aber nicht, das was gelaufen wäre"-„sieht aber hier ganz anders aus"-„ich weiß" sagte ich kleinlaut und stand auf, um mich in die Küche zu schleppen. Natürlich überlegte ich weiter, was passiert war, doch mein Kopf war einfach zu vernebelt. „Ich war mit ihr noch etwas essen, dann fuhren wir weiter und ich wurde auf einmal extrem müde. Ich wurde so müden, das ich hier her gefahren bin statt zu ihr. Ich konnte einfach nicht weiter fahren. Also waren wir hier und sie sollte sich ein Taxi nehmen" ich redete zwar so vor mich hin, doch war Marcel mir gefolgt und hörte sich alles aufmerksam an. „Was war dann?"-„Keine Ahnung. Sie half mir noch ins Haus und wir setzten uns da drüben hin" ich zeigte in die Richtung des Sofas und rieb mir dann durch den Nacken. „Verdammt, wir ... nein ... sie, ja sie hat mich geküsst und weil ich so müde war, konnte ich mich einfach nicht wehren"-„also doch. Ich hab es doch gewusst" Marcel hatte ein süffisantes Grinsen im Gesicht und setzte sich auf einen der Hocker an der Küchentheke. „Was hast du gewusst?"-„das sie eine kleine Schlange ist und irgendwie, ich weiß auch nicht. Aber eine echt komische Geschichte"-„ja, aber ich kann mich an mehr auch nicht erinnern"-„willst du nicht oder kannst du nicht?"-„bist du doof? Natürlich will ich und nein, ich kann nicht. Es ist nur so ein Gefühl"-„ein Gefühl tief in der Hose oder was?" er lachte kindisch auf und ich warf ihm dafür einen bösen Blick zu. „Ich steh nicht auf sie und mir wäre es lieber wenn sie nicht mit Nicole verwandt wäre"-„jaja, ich weiß schon" winkte er ab und lehnte sich weit nach hinten. „Mensch Marco, das ist nicht gut. Was habt ihr hier getrieben? Du musst das raus finden"-„ach, was du nicht sagst?" ich ging mit dem Kaffee, den ich mir gemacht hatte, in der Hand wieder zurück ins Wohnzimmer und holte mein Handy. Vielleicht half eine Ablenkung, um die Gedanken besser sortieren zu können und sah nach meinen Nachrichten. Eine WhatsApp fiel mir direkt ins Auge, denn die Nummer war mir unbekannt und ich öffnete das Programm. Im nächsten Moment zerschellte meine Tasse auf dem Glastisch und brachte dessen Platte auch zu Bruch.

Ich, meine Schwester und Marco II Eiskalte RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt