Nicole
Ich war auf der Suche nach einem Schuldigen für dieses Dilemma. Irgendjemand musste schuld sein. Marco bot sich da sehr gut an, denn wäre er nicht so gegen Luisa angegangen, wäre sie ganz bestimmt friedlich geblieben. Mir war bei diesem Gedankengang auch egal, dass Marcos Verhalten absolut natürlich war. Kein normaler Mensch ließ sich freiwillig so lange von einer Rotznase an selbiger herum führen, außer ich. Dennoch hielt ich es Marco vor, meinte es aber gar nicht so böse wie es bei ihm ankam. Schlechter Scherz, zum falschen Zeitpunkt, am falschen Ort. Ich war eindeutig mit Luisa verwandt. Denn solch einen verletzenden Scheiß wäre mehr ihr zu zuordnen und nicht mir. Vielleicht war aber doch irgendwo tief in mir etwas davon überzeugt und dieser Umstand ließ mich leicht frösteln. Was hatte ich mir auch nur dabei gedacht? Zu spät war mir mein Fehler bewusst geworden und ich versuchte noch zu retten was ging. Dabei wäre ich an Marcos Stelle auf dem Absatz gekehrt und wäre so weit es ging von der Person weg, die mir so etwas vorhält. Ich war ein schlechter Mensch und dabei liebte ich ihn doch. War es doch so, dass man nur Menschen wirklich verletzten konnte, die man richtig liebt? Wenn dem so war, müsste Luisa uns bis in den Himmel und zurück lieben. Erneut ging ein Schauer durch mich hindurch, denn nach all den Aktionen konnte ich mir da keine Liebe vorstellen. Ich liebte sie, gerade so wie man seine kleine Schwester liebte, doch von ihr blieb es ungehört und doch wollte ich sie nicht aufgeben. Trotz allem musste ich Marco verstehen und ich durfte ihm keine Schuld geben, wenn einer Schuld war, dann Luisa und das ganz allein. Vielleicht auch ich, weil ich nicht auf Therapie bestanden habe und meinte alles alleine regeln zu können. Irgendwie musste ich schmunzeln, hatte ich nicht Marco zu Vorwurf gemacht, er würde glauben, jedes Problem würde sich in Luft auflösen? Ich war auch in der Hinsicht kein bisschen besser. Glaubte ich doch auch, genug Liebe, Verständnis und noch mehr Hingabe würden Luisa zu einem besseren Menschen machen und sie über den Tod unserer Eltern hinwegkommen lassen.
Bei Marco gelang es mir dann doch noch irgendwie die richtigen Worte zu finden und nahm mir etwas die Wut auf meine Schwester. Es stimmte mich im gesamten etwas fröhlicher. Nur ein kleiner Seitenblick auf Marco, bevor ich das Zimmer meiner Schwester betrat, belehrte mich eines Besseren und verriet mir, dass Marco ganz bestimmt die Sache noch weiter ausdiskutieren wird. Spätestens dann, wenn wir zu Hause wären.
Vorsichtig ging ich in das Zimmer, obwohl ich eben dies noch stürmen wollte und sah mich mit kurzem Blick um. Meine Augen brauchten einen Moment um sich an den Lichtwechsel zu gewöhnen und ich musste kurz blinzeln, um die Lichtpunkte auf meiner Iris weg zu bekommen. Man hatte den Rollladen runter gelassen und nur wenig Licht drang von draußen durch die Lamellen rein. Luisas Bett stand am Fenster und war das einzige, welches belegt war. Diese Tatsache erleichterte mich sehr, denn so könnte ich ungestört ihr eine Strafpredigt halten ohne von fremden Menschen seltsam oder argwöhnisch betrachtet zu werden. Am besten noch einer, der in solchen Situationen gerne den Kopf schüttelte und ein abfälliges Geräusch von sich gab. Diese Szene sah ich sehr oft wenn ich mit Luca einkaufen war und er seinen Schlechte-Laune-Tag hatte. Jeder wusste genau Bescheid, dass man nicht in der Lage war das Kind richtig zu erziehen. Einigen kinderlosen lagen Erziehungstipps auf der Zunge und andere maulten etwas Unverständliches von „Unverschämt" oder dergleichen. Ich schaute mich dann immer verzweifelt nach den Müttern um, die mir freundlich wissend zulächelten und nickten. Das ließ mich dann nicht ganz verzweifeln und ich fand meine innere Mitte wieder. Doch jetzt gerade gab es keine verständnisvolle Mami, die das tat, jedoch auch nicht das Gegenteil und ich ballte meine Hände zu Fäusten. Ich blieb kurz stehen und fühle wie Marco fast in mich rein rannte „was ist?" raunte er mir zu und ich sah zu ihm über meine Schulter. „Nichts" ich seufzte und ging dann weiter. Schnell war ihr Bett umrundet und ich konnte sehen, dass sie ihre Augen geschlossen hatte. Ob sie wirklich schlief? Ging es durch meinen Kopf und ich näherte mich etwas langsamer.
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Ich, meine Schwester und Marco II Eiskalte Rache
FanfictionDas Leben der 27 jährigen Nicole scheint nicht unter einem besonders guten Stern zu stehen. Ihre Eltern starben vor 6 Jahren. Sie muss aufhören zu studieren, um die Verantwortung für ihre Geschwister zu übernehmen. Der kleine Bruder Luca kommt sc...