Dubai

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Marco

Die warmen Sonnenstrahlen, die sich trotz der leichten Brise anfingen in die Haut zu brennen, taten richtig gut. Nicole, Luca und ich waren in der letzten Nacht in Dubai gelandet und hatten uns dazu entschieden den ersten Tag gemütlich am Strand zu verbringen. Während Luca sich, wie vor einigen Wochen am See auch, mit seinen Sandelsachen sofort in den hellen Sand gesetzt hatte, machten Nicole und ich es uns auf zwei Liegen bequem, die unweit unter großen Sonnenschirmen standen. Meine Freundin hatte sich ein Buch mitgenommen und verschlang es regelrecht, während ich mit einem Grinsen auf dem Gesicht an unser erstes gemeinsames Weihnachtsfest zurück dachte.

Meine Eltern waren total begeistert von meinem Vorschlag gewesen, dass ich Nicole ihnen endlich vorstellen wollte. Sie selbst war natürlich ziemlich aufgeregt gewesen, da ihr aus meiner Familie schließlich nur Yvonne bekannt war. Tagelang rannte sie wie ein aufgescheuchtes Huhn durch das Haus, überlegte sich was sie anziehen sollte und fragte mich ständig, was sie meinen Eltern schenken könnte. Als es dann so weit war und der Tag kam, war die anfängliche Verlegenheit ziemlich schnell gelegt, nachdem meine Eltern und Melanie sie wirklich herzlich aufgenommen hatten. Es war auch für mich ein neues Bild, da sie nicht die erste Frau war, die ich meinen Eltern vorstellte. Und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass sie von jeder meiner Freundinnen so angetan waren wie von ihr. Sie behandelten sie sofort wie eine Vertraute und ich war wieder einmal mehr als froh, diese wunderbare Frau endlich meine Freundin nennen zu dürfen. Meine Mutter hatte mir zum Abschied noch leise zugeflüstert, dass ich Nicole bloß nicht mehr gehen lassen sollte. Und das hatte ich auch nicht vor.

Erneut verzogen sich meine Mundwinkel zu einem breiten Grinsen und ich genoss das Kribbeln, welches allein der Gedanke an den gemeinsamen Familienabend in meiner Magengegend auslösen konnte. Ich bereute es keine einzige Sekunde, dass ich nicht locker gelassen hatte und Nicole vollends für mich gewinnen konnte. Sie und ihr kleiner Bruder waren das Beste, was ich in den letzten Monaten erlebt hatte und es war mir eine reine Freude die beiden so glücklich zu machen. Luca war ganz aus dem Häuschen gewesen, als Nicole und ich ihm von unserem geplanten Urlaub in Dubai erzählten und wir hatten wirklich große Mühe, ihn am Flughafen einigermaßen in Schach zu halten. Er konnte es kaum erwarten endlich in den Flieger zu steigen und zappelte auch dort noch aufgeregt auf seinem Platz zwischen Nicole und mir herum. Der Kleine war wirklich ein Energiebündel und ich bewunderte meine Freundin dafür, dass sie das alles so gut gemeistert hatte. Sie hatte es wahrhaftig nicht leicht gehabt in den letzten Jahren und doch hatte sie sich nicht unterkriegen lassen. Nein, Nicole hatte sich ihrem Schicksal gestellt und das bewunderte ich wirklich an ihr. Vielleicht war es auch genau das was mich an ihr so faszinierte? Sie war so ehrgeizig wie ich.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich meine Freundin leise seufzen hörte und mein Blick in ihre Richtung verriet mir, dass sie ihr Buch beiseitegelegt hatte. Sie zog ihre Sonnenbrille ein Stück herunter, um mir über die Gläser liebevoll zuzulächeln, bevor sie sie wieder in die richtige Position schob und aufstand. „Ich werde mal schauen ob ich Luca helfen kann"-„ist das Buch so langweilig?" grinste ich verschmitzt. „Nein, ganz im Gegenteil, es wühlt mich gerade innerlich so auf, das ich mich davon ablenken muss" sie lachte leicht auf und schüttelte mit dem Kopf. Geradeso, als würde sie sich selbst für ihre Dummheit auslachen. Meine Augen folgten ihr wie von selbst, als sie sich mit schwingenden Hüften auf den Weg zu Luca machte, der noch immer mit seiner Schaufel und den Förmchen im Sand saß. Für einen Augenblick blieb mein Blick auf ihrem Hintern hängen und ich presste meine Lippen aufeinander, um nicht vollkommen verstrahlt zu grinsen. Der Körper dieser Frau brachte mich wirklich um den Verstand und ich war mir nicht sicher, ob sie sich dessen überhaupt bewusst war. Wenn ich da nur an diese langweiligen Hosenanzüge dachte, musste ich selbst auch mit dem Kopf schütteln. Ohne mich auch nur noch eine Sekunde zu beachten, kam sie bei ihrem kleinen Bruder zum Stehen und ließ sich neben ihm nieder, um mit ihm zu spielen. Seine Stirn war leicht in Falten gelegt und er biss sich fest auf die Unterlippe, während er sich darauf konzentrierte den Stern mit Sand zu füllen. Ich beobachtete die beiden dabei, wie sie nach und nach die verschiedensten Formen aus Sand neben sich verteilten. Dabei konnte ich nicht verhindern, dass mir bei diesem Anblick erneut das Herz aufging. Es war schön, die beiden so zu beobachten und mir gefiel es, dass Nicole sich endlich mal wieder zu entspannen schien. Sie wirkte seit Langem mal wieder richtig glücklich und ich genoss das Bild, welches sich mir bot. Vergessen war dieser heftige und sehr unfaire Streit kurz vor Weihnachten. Wobei es weniger ein Streit war, denn dazu gehörten zwei und in dem Augenblick war nur Nicole ihre Kanonen am Abfeuern. Ihre Worte trafen mich zwar hart, doch steckte ich sie weg, denn ich kannte den Grund und Ursprung. Ich konnte mich nur selbst dafür loben, dass ich mir schon Gedanken gemacht hatte bevor der Krieg los ging und mich eben diese Kanonenkugeln nicht zu sehr treffen konnten. Schwamm drüber!

Und doch wurde diese schöne Stimmung erneut von meinen Gedanken getrübt. Dieser Grund und dieser Ursprung drückten sich wieder an die Oberfläche. Ich hatte Nicole ja nichts davon erzählt was zwischen Luisa und mir passiert war. Und ja, dies war eine ziemlich eigennützige Entscheidung gewesen. Der Grund dafür lag ja auf der Hand. Denn ich war mir sicher, dass ich Nicole für immer los wäre, wenn ich sie über alles aufgeklärt hätte. Diesen Gedanken rief ich mir immer wieder ins Gewissen, wenn mich erneut die Schuldgefühle einholten. Es war nicht richtig sie zu belügen und doch wollte ich nicht riskieren, dass diese schöne Zeit genauso schnell wieder vorbei sein würde, wie sie begonnen hatte. Dafür waren mir Nicole und Luca einfach schon zu wichtig. Ich wollte sie immer um mich haben und sie nicht wegen meiner eigenen Dummheit verlieren. Nein, Nicole hatte genug durchgemacht und ich konnte ihr nicht einfach so das Herz brechen, indem ich ihr die Wahrheit sagen würde. Als würde sie meinen Blick auf sich spüren, drehte sich Nicoles Kopf plötzlich in meine Richtung und ihre Mundwinkel zuckten, bis sich schließlich ein glückliches Lächeln auf ihren Lippen ausbreite, welches ich zaghaft erwiderte. Gott, ich hatte unbeschreibliche Gefühle für diese Frau und dies wurde mir Tag für Tag mehr bewusst.

Das Vibrieren meines Smartphone unter meinem Handtuch, riss mich sofort wieder aus meinen Gedanken und ich fuhr mir mit einer Hand durch meine blonden Haare. Ich hatte keine große Lust von dem Anblick, der sich mir bot, weg geholt zu werden und doch holte ich es schließlich langsam hervorzog, um einen Blick auf das Display riskierte. Kaum, dass ich den Namen des Absenders gelesen hatte, versteifte ich mich. Ich sah vorsichtig zu Nicole, welche sich wieder vollkommen ihrem Bruder gewidmet hatte, und seufzte leise, bevor ich mein Handy entsperrte und den WhatsApp-Chat öffnete. Sofort, als meine Augen dieses Bild vor mir erblickten, bereute ich es die Nachricht überhaupt geöffnet zu haben. „Fuck" ging ein leises Zischen über meine Lippen „gibt es eigentlich einen Grund weshalb ich diese Göre nicht schon längst blockiert hab?" und schimpfte ich mich selbst. Luisa hatte es sich tatsächlich gewagt mir per WhatsApp einen Weihnachtsgruß zukommen zu lassen und ich konnte nicht glauben, was ich auf diesem Foto zu sehen bekam. Es war ganz eindeutig, dass es zu dem letzten Bild gehörte. Also in derselben Nacht entstand. Ich kniff leicht meine Augen zusammen, zoomte es näher und biss mir nachdenklich auf die Unterlippe. Irgendwie wurde es mir ganz anders in der Magengegend. Ein böser Verdacht keimte in mir auf, den ich in all den Monaten, seit Luisa nun weg war, nicht einmal hatte. Niemals hätte ich es zugelassen dass sie mir so nah kam, wäre ich bei klarem Verstand gewesen und so wie Luisa auf dem Bild grinste, wusste sie es ganz genau. Hatte sie dafür gesorgt, dass ich in dem Zustand war?

Ich, meine Schwester und Marco II Eiskalte RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt