Profis

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Marco

Nicole mit Worten aufzubauen, die ich mir selbst nicht glaubte, war gar nicht so einfach. Als sie mich dann auch noch so angrinste, wusste ich genau, sie glaubte mir auch nicht. Dennoch war es schön sie endlich wieder strahlen zu sehen. Eigentlich bewunderte ich sie sogar insgeheim dafür. Wäre Luisa meine Schwester und hätte sie mir das am Krankenbett an den Kopf geworfen, hätte ich sie solange verprügelt, bis die Verletzungen des Unfalls nebensächlich geworden wären. Wie konnte dieses kleine Miststück nur so undankbar sein?

Nachdem ich Nicole versichert hatte, dass wir gemeinsam dieses Problem angehen würden, obwohl ich ihr Verhalten wirklich nicht verstehen konnte, behielt ich ihre Hand in meiner und wir fuhren den restlichen Weg zu mir nach Hause schweigend.

Ich stellte den Motor aus und wir blieben einfach sitzen, gerade so, als hätten wir uns abgesprochen, ging keiner aus dem Auto raus. „Wir sollten zu Yvonne" seufzte Nicole zum Fenster raus und ich konnte deutlich fühlen, was in ihrem Kopf vor sich ging. „Mach dir keine Sorgen, Luca geht es gut bei meiner Schwester"-„ich weiß, ich mag dennoch ihn nicht länger als nötig bei ihr lassen. Ich mag ihr nicht zur Last fallen"-„was ist das für ein Blödsinn? Sie macht das gern. Mach dir keinen Kopf und lass uns erst Mal rein gehen und zur Ruhe kommen. Wir können dann immer noch zu ihr fahren und den kleinen Fratz abholen. Ich wette sogar, er hat mit Nico zusammen mehr Spaß, als wenn er hier im Haus mit uns beiden sitzen muss" ich drückte ihre Hand, um meinem Vorschlag ein wenig mehr Bestimmtheit mit zugeben und sie sah erst auf unsere Hände, dann zu mir auf. „Vielleicht hast du recht"-„ich hab ganz sicher recht. Komm wir gehen rein. Ich mach uns einen Kaffee und dann schauen wir mal". Nicole legte zwar ihre Finger auf den Griff, doch war ich längst ausgestiegen, hatte das Auto umrundet und öffnete schlussendlich die Beifahrerseite. „Komm" sagte ich leise und streckte ihr meine Hand entgegen. Zögerlich ergriff sie diese und ließ sich schwerfällig aus dem Auto ziehen. Ich stieß die Tür hinter ihr zu, verriegelte aus Gewohnheit das Auto und zog meine Freundin in meine Arme. „Hör auf zu grübeln und wenn, dann lass mich an deinen Gedanken teilhaben. Ich meinte das ernst, mit dem gemeinsam eine Lösung finden, also lass mich in deinen Kopf schauen". Sie sagte nichts, sah mich nur aus ihren tief traurigen Augen an, legte dann ihren Kopf gegen meine Schulter und umschlang meine Taille. „Es ist eine verfluchte Scheiße und ich habe keine Ahnung wo ich in diesem Chaos anfangen soll mit aufräumen"-„und genau deswegen bin ich ja hier und ich finde, die Sache mit dem Kaffee klingt super. Da lässt es sich leichter denken" ich gab ihr einen Kuss auf den Haaransatz und schob sie dann mit sanfter Gewalt zur Haustüre.

„Hier" ich stellte meiner Freundin die dampfende Tasse Kaffee vor die Nase und nippte an meiner eigenen. Dabei sah ich mir das Häufchen Elend vor mir an und mir wollte nicht so recht einfallen was ich ihr hätte sagen können. Ich wusste jedoch auch, dass es hinter ihrer Stirn extrem am Arbeiten war, deswegen hatte sie sich auch nicht bedankt und starrte ein Loch in die Thekenblatte. „Weißt du was?" fragte ich recht laut und euphorisch in den Raum, doch blieb es unbeachtet. „Ich mach uns jetzt etwas zu essen"-„mhmm?"-„ja, essen ist wichtig und ich behaupte mal, wir haben beide Hunger" Nicole schüttelte heftig ihren Kopf, verzog angewidert das Gesicht und schob sogar die Tasse von sich weg. „Ich hab kein Hunger"-„der Appetit kommt mit dem Essen, also ..." ich stellte meine Tasse zu ihrer und drehte mich von ihr weg, um im Kühlschrank nach etwas verwertbaren zu schauen. „Ich zaubre uns etwas Köstliches. Du wirst es lieben" sprach ich mit voller Überzeugung und hatte keinen Plan was ich machen sollte. Der Kühlschrank war so gut wie leer und seit Nicole in meinem Haus lebte, war für mich das Thema einkaufen und kochen tabu. "Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass ich es essen werde, weil ich einfach keinen Hunger habe aber ich bin tatsächlich gespannt was du machen wirst" mir entging nicht dieser Unterton bei ihren Worten und ich grinste zu ihr rüber. „Bevor du in mein Leben gekommen bist, ernährte ich mich nicht nur von Dosenfutter und Fastfood. Ich kann auch kochen. Wenn es sein muss. Und jetzt muss es sein" rechtfertigte ich mich und öffnete jede Schranktüre bei meiner Suche und zog jede Schublade dabei auf. Irgendwann wurde ich tatsächlich fündig und zog eine Packung Miracoli hervor „ich wusste, ich hab noch eine"-„ich dachte eigentlich, ich hätte alle erwischt. Du musst die besser versteckt haben, als ein Alki den Suff" Nicole lachte laut auf wegen ihrem Witz und ich hörte diesem Lachen nur schmunzelnd zu. „Schau besser noch aufs Datum" kicherte sie noch immer und ich befolgte unbemerkt ihren Rat.

Ich schüttete gerade die Nudeln ab, als Nicole frisch geduscht die Treppe runter kam und es an der Tür klingelte. „Ich mach auf" rief meine Freundin in meine Richtung und ich merkte, wie wütend mich der ungebetene Gast machte. „Marco? Das ist Herr Kasper von Luisas Schule. Bitte nehmen Sie Platz" überrascht stellte ich den Nudelsieb in den Topf, damit das restliche Wasser nicht alles vertropfte, packte mir das Geschirrtuch, um meine Hände abzutrocknen und ging ins Wohnzimmer rüber. Ich hielt immer noch verwundert meine trockene Hand dem Lehrer entgegen „hallo Herr Kasper, Reus mein Name"-„schön sie mal persönlich kennen zu lernen. Wir kennen uns vom Telefon. Wir hatten uns mal kurz unterhalten" direkt fühlte ich den Blick von Nicole auf mir und wollte gar nicht wissen was ihr dabei durch den Kopf ging. „Was bringt uns die Ehre ihres Besuches?" lenkte sich meine Freundin offenbar von ihren eigenen kleinen Hassgedanken auf mich ab. „Naja, ich wollte wissen ob Luisa noch hier ist und wie die letzten Tage verlaufen sind. Eigentlich habe ich mit ihr schon gestern wieder gerechnet. Denn so war eigentlich unsere Abmachung gewesen. Das Wochenende, dann muss sie zurückkommen" nun traf mich ein vielsagender Blick von Nicole und man könnte fast glauben, sie würde mich damit auch fragen wollen, ob ich davon etwas wusste. Verwirrt von dieser Information, zuckte ich nur mit den Schultern und schüttelte leicht mit dem Kopf. Nicole räusperte sich, kniff mit ihren oberen Zähnen auf ihre Unterlippe und räusperte sich erneut. „Also es ist so, Luisa ist im Krankenhaus und wir wussten nicht wann sie zurück sein muss. Also nicht so genau und wie es läuft?" nun schaute sie mich hilfesuchend an. Klar war es, dass sie nicht schlecht über ihre Schwester reden wollte, egal wie mies es war. „Sie ist im Krankenhaus?"-„ja, sie hatte einen Unfall" lenkte ich nun in das Gespräch ein. „Ganz dumme Sache, aber sie ist auf einem guten Weg der Besserung"-„wann ist das denn passiert?"-„heute Morgen". „Das ist natürlich sehr bedauerlich"-„oh ..." sprang Nicole plötzlich auf, „ich hab gar nicht gefragt ob sie etwas trinken möchten. Sie hatten ja doch eine lange Fahrt"-„ein Kaffee wäre schön, wenn es nicht zu viel Umstände macht"-„nein, nein ganz sicher nicht" deutlich konnte ich das Zucken ihres Kopfes sehen, was ganz offensichtlich mir andeuten sollte ihr zu folgen. Also tat ich wie geheißen und ging ihr schnell nach in die Küche. Da der Raum offen war, konnten wir uns nur flüsternd unterhalten und mir war klar, warum Nicole mich in der Küche brauchte. „Irgendwie hatte ich schon vermutet, das Luisa nur Blödsinn erzählt hat" legte Nicole auch gleich los und sah mich traurig an „es war nun wirklich nicht anders zu erwarten oder?" bestätigte ich ihre Aussage und holte eine Tasse aus dem Schrank und stellte sie neben die Kaffeemaschine. „Aber das der Lehrer dann direkt hier auftaucht? Das ist ja schon fast, als wäre sie eine Gefangene. Meinst du, die Einrichtung ist wirklich das richtige für sie?" sie hatte die Tasse nun genommen, stellte sie unter den Ausguss der Maschine und drückte auf den Knopf zum Starten. „Das ist jetzt nur eine kleine blöde Frage, um mich zu ärgern oder?" Ich verschränkte meine Arme vor der Brust, sonst hätte Nicole womöglich meine Fäuste gesehen. „Nein ist es nicht, ich mein das ernst" zischte sie mir entgegen und ich sah, wie die Traurigkeit abgelöst wurde von Wut. „Verdammt Nicole. Ich liebe dich und ich werde dich in allem, naja fast allem. Genau genommen in allem was vernünftig ist, von Herzen gern unterstützen. Aber das sind Profis, die haben mehr Ahnung wie wir und ich glaube nicht, das sie eine Gefangene ist, eher nur ein stark gestörter Teenager und das da drin auf meinem Sofa, ist die einzige Medizin"-„oh Marco" sie schloss ihre Augen und schüttelte sich „du könntest wenigstens so nett sein und so tun als würdest du sie etwas mögen"-„ich mag sie aber nicht" nun kam nur ein leises Seufzen von meiner Freundin und es klang fast so, als würde man aus einem Luftballon die Luft raus lassen. „Sollen wir sagen was passiert ist?" nun waren ihre Augen wieder glasig und ich nickte missmutig. Ich ließ meine Arme sinken, ging auf sie zu, zog sie ihn meine Arme und drückte sie fest an mich. „Süße, ich weiß das du sie liebst, eben weil sie deine Schwester ist, aber wenn ein Profi nicht helfen kann, wie sollten wir dann einen Lösung finden können? Sei vernünftig, bitte"-„du hast ja recht" ihre Stimme klang erstickt und als ich sie leicht von mir weg schob und in ihre Augen schaute, wischte sie schnell eine Träne weg. „Ich verspreche dir, alles wird wieder gut" ich zog sie wieder zu mir und gab ihr einen leichten Kuss, den sie direkt erwiderte.

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Hey ihr Lieben, diesmal ging es wirklich etwas schneller!

Ich hoffe es gefällt euch und ich versuche ganz schnell weiter  zu machen ...
LG


Ich, meine Schwester und Marco II Eiskalte RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt