Sitzung für alle

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Marco

Die Zeit verging viel zu schnell und es gab immer wieder einen anderen Grund weswegen ich immer noch nichts Nicole gesagt hatte. Ein Grund war mein Abflug ins Trainingslager, doch die andere Sache wog mehr, die mit Luca.

Anfangs sah es nach einem ganz normalen Magen Darm Virus aus, doch nach einer Woche der gleichen Symptome, waren wir uns einig. Es musste in eine andere Richtung ermittelt werden.

Gleich nach dem der Arzt bestätigt hatte, es wäre der Virus, zog Nicole mit dem kleinen zurück in ihre Wohnung. Sie wollte mich nicht der Krankheit aussetzen und wir wussten alle wie schnell solch ein Virus die Runde machen konnte. Bedauerlich war allerdingst, dass Luca noch stärker abbaute. Erst als er anfing nach mir zu fragen, machten wir uns Gedanken. Bevor ich abreiste, holte ich mir ein -ok- vom Mannschaftsarzt, bekam noch eine vorsorgliche Grippeimpfung und konnte mich von den beiden persönlich verabschieden. Luca hielt mich minutenlang fest und weinte immer wieder. Es tat ihm leid, dass er krank war und wir uns deswegen nicht mehr sehen konnten. Fast hätte ich mit ihm um die Wette geheult, doch wollte ich stark sein und ihm gut zu sprechen. Dann musste ich los, doch direkt bei meiner Ankunft gingen mir kuriose Gedanken durch den Kopf und da mir Nicole auch weiterhin keine positiven Nachrichten zu berichten hatte, erzählte ich ihr davon. Sie machte nach unserem Telefonat direkt einen neuen Termin mit dem Kinderarzt und erzählte mir beim nächsten Anruf, dass dieser unsere Idee gar nicht so abwegig fand. Hatten doch Nicole und ich gerade noch davon gesprochen, das Luca scheinbar gar nicht so groß ein Problem mit Luisas Abwesenheit hat, so gelernte uns der Arzt eines Besseren. Er teilte meine Ansicht, die ich hatte und erklärte es uns genauer. Luca schien unter einer Art von Verlustängsten zu leiden. Sein Immunsystem war dadurch geschwächt und ein kleiner Infekt wurde zu einer großen körperlichen Anstrengung. Das es dann auch nicht besser sondern schlimmer wurde, lag daran, dass er mich vermissen musste und sich auch noch diese Schuldgefühle einredete. Ich konnte von da an es kaum noch erwarten zurück nach Dortmund zu kommen. Der Arzt hatte eine Therapie für Luca vorgeschlagen, um die Sache mit Luisa zu überwinden und ich sah es in meiner ganz persönlichen Pflicht, Luca nicht nur den besten Arzt dafür zu besorgen, sondern ihn auch, mit Nicole zusammen, zu begleiten. Mein schlechtes Gewissen brachte mich fast um. Nun konnte ich erst recht Nicole nichts mehr davon sagen, von diesem kleinen Geheimnis und den riesen Lügen. Es würde Luca den restlichen Boden unter den Füßen nehmen. Es zerriss mich förmlich und ich sah zu Nicole rüber, die neben mir im Auto saß und einfach nur ihre Hände anschaute. Wir mussten schon seit gut einer halben Stunde auf Luca warte. Heute durfte keiner bei ihm bleiben in der Sitzung und wir beschlossen im Auto auf das Ende der Stunde zu warten. Eigentlich wollten wir erst einen Kaffee trinken gehen, doch dann sah mich Nicole aus ihren müden und traurigen Augen an und bat mich „lass uns lieber einfach nur hier sitzen bleiben". Also saßen wir einfach nur so da. Das Wetter tat sein Übriges zur Stimmung. Es regnete und die Wolken hingen tief.

„Am Samstag spielen wir zu Hause. Magst du mit Luca kommen?" mein kläglicher Versuch eine Unterhaltung in Gang zu setzen, klang wie er war. Eben kläglich. Doch irgendetwas musste ich sagen, sonst hätte mich die Stille zwischen uns noch umgebracht. „Mal schauen wie es ihm geht" sie blickte nicht einmal in meine Richtung und ich ahnte was in ihrem Kopf vorging. Sie war wieder so still, wie vor ihrem Ausbruch kurz vor Weihnachten. Ich konnte deutlich ihre Zweifel an ALLEM riechen. Vorsichtig legte ich ihr meine Hand auf ihre „bitte gib dir keine Schuld. Du hast alles richtig gemacht. Es gab keine andere Möglichkeit. Irgendwie werden wir das schaffen und ich werde dich nicht alleine lassen" sie sagte nichts und blieb stumm wie ein Fisch. Kurz räusperte ich mich, um meinen Monolog weiter zu führen „euch nicht alleine lassen" verbesserste ich mich und „ich habe euch beide so sehr in mein Herz geschlossen, das es mir auch egal ist, wenn du wieder all deine Wut auf mich schiebst. Ich kann es ab. Tu dir also keinen Zwang an, wenn es dir danach ist mich anzubrüllen" ich beugte mich bei den letzten Worten zu ihr runter, grinste leicht und suchte ihren Blick. Es musste einen Weg geben sie wenigstens etwas aufzumuntern und für mich war alles besser, als mein schlechtes Gewissen oder diese Stille im Auto. Endlich sah sie mich an und ich konnte ein leichtes Lächeln über ihr Gesicht huschen sehen. Zaghaft legte ich meine Hand auf ihre Wange und streichelte sie sanft mit meinem Daumen „Süße, ich liebe dich". Sie schloss ihre Augen, drückte sich gegen meine Hand und flüsterte „ich weiß und ich dich auch". Direkt ging mein Herz auf und ich biss mir verlegen auf meine Unterlippe. „Egal was passiert, es wird immer so sein" versuchte ich all das Gesprochene noch zu unterstreichen und packte meinen Mut zusammen für den reinen Tisch. Es war nicht der beste Zeitpunkt, doch nach der langen Suche nach dem Richtigen ergab sich dieser ja auch nicht. Eiskalte Finger umschlossen meine Hand und Nicole entfernte sich von mir „aber auch wenn du uns so in dein Herz geschlossen hast und wir uns lieben, wäre es vielleicht ratsam, wenn du dich von uns trennst"-„WAS?" meine Stimme überschlug sich fast und war lauter als beabsichtigt. Wie konnte sie mir das jetzt so sagen? Jetzt, da ich gerade ihr sagen wollte was zwischen ihrer Schwester und mir passiert war. „Naja, schau doch. Du hast dich so an uns gebunden, dass es dich belastet. Wir sollten keine Last für dich sein. Du hast eine großartige Karriere zu meistern und dich nicht mit uns Psychos rum zuschlagen"-„ich finde, du solltest weder so einen Blödsinn sagen, geschweigen denn überhaupt denken. Psychos? Man Nicole, hör auf" ich versuchte ruhig zu bleiben, was mir echt schwer fiel. Wie konnte sie nur so von sich und ihrem Bruder denken? Luisa war die einzige, die nicht mehr ganz dicht war und irgendwie hoffte ich insgeheim das würde sich auch wieder bessern. Pubertät und Verwachsen lautete da meine Hoffnung und Nicole hätte dann wieder beide Geschwister. Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, zog ich sie einfach fest in meine Arme. Drückte ihr einen Kuss auf den Haaransatz und nuschelte „sag so etwas nie wieder".

Als die Therapiesitzung endlich rum war, die offensichtlich für uns alle stattgefunden hatte, packte ich die zwei ein und wir gingen eine große Pizza essen. Zum Glück war die Stimmung nicht mehr auf null gestellt und wir unterhielten das ganze Lokal. Die Wahrheit? Lag weiter auf Eis. Was hätte ich auch daran ändern können? Sie brauchten mich und ich durfte nicht der Grund sein für noch mehr Schmerz. So war das eben wenn man eine Beziehung auf einer Lüge aufbaute. Irgendwann gab es kein Zurück mehr.

Ich, meine Schwester und Marco II Eiskalte RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt