Nicole
Jason kam mir ständig zu nah und redete auf mich ein, als wäre ich ein krankes und schwer verletztes scheues Waldtier. Das alles unter den Augen von Marco und ich fühlte dieses Unbehagen, welches an meinen Beinen hoch kroch und sich um meinen Bauch schlang, um zuzudrücken. Doch was hätte ich denn tun sollen? Hier mitten in dem Restaurant einen Aufstand machen? Wie wäre das denn bitte gekommen? Damit wäre keinem von uns geholfen gewesen. Es überraschte mich dennoch, wie ruhig Marco blieb und ich hätte meine Schwester umbringen können. Sie hatte nicht nur Jason auf meine Fährte gebracht, nein, sie musste auch noch weiter Brotkrumen streuen, um ihn auf dem Weg zu halten. Warum machte sie das und überhaupt, was sollte die ganze Show? Denn genauso kam es mir vor, wie eine Show. Ich wusste nun mal ganz deutlich um die Abneigung von Marco ihr gegenüber und sie schleimte sich so bei ihm ein, als wären sie dicke Freunde. Er ließ sich offenbar auch noch drauf ein, was mich absolut verwirrte. Da bezahlte er das Internat, damit sie weg kam und dann solche Szenen wie im Auto. Ich wusste natürlich nicht wie es dazu kam, dass Luisa ihm so nah war, doch sah es eben vertraut aus und freundschaftlich. Einfach Dinge, die nicht zu den Aussagen von Marco passten. Dann auch noch das Getuschel am Tisch. Ich war nicht taub, auch wenn Jason mir ständig etwas zuraunte, ich konnte deutlich Luisas Stimme hören, aber leider nicht was sie sagte. Wäre Jason nur einmal ruhig gewesen, hätte ich vielleicht etwas verstehen können. Plötzlich sprang Marco mit solch einer Energie auf und haute dabei fast die Gläser vom Tisch. Erschrocken starrte ich ihn an. Nicht in der Lage zu atmen. Ich kannte meinen Freund so einfach nicht und ich schluckte schwer, als mir Bilder von damals in den Kopf kamen. Es erinnerte mich an eine Situation, die ich mit Jason erlebt hatte, als dieser aus blinder Eifersucht sich so benahm. Ich rechnete damit, dass ich wieder das Blut schmecken würde von jemandem der zu Boden ging, wie damals. Meine Hände klammerten sich so fest um die Armlehnen, das ich nicht einmal mehr fühlte, dass es mir wehtat. Ein Geschehen, welches in Bruchteilen von Sekunden einfach so an mir vorbeiflog und sich mit diesen schrecklichen Erinnerungen paarte. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und ich fühlte, wie die Anspannung zwischen meinen Schultern mich schmerzte. Marco wäre aber nicht Marco, hätte er sich nicht direkt wieder im Griff und dieses Wissen war es wohl, was mich auf meinem Stuhl sitzen ließ. Sonst wäre ich wohl in Panik davon gerannt. Egal wie es für die anderen Gäste ausgesehen hätte und ob vielleicht ein Fotograf hinter dem nächsten Busch auf die Lauer lag, für Sensationsbilder.
Jasons Worte kamen nur von sehr weit entfernt bei mir an und doch konnte ich deutlich vernehmen, dass er versuchte mir klar zu machen, dass Marcos Verhalten noch schlimmer war als sein eigenes damals. Doch das war es keinesfalls. Im Gegensatz zu meinem Exfreund hatte mein jetziger Partner sich noch einigermaßen im Griff und ich war ihm dankbar dafür. Natürlich war mir klar, dass er alles andere als begeistert von Jasons Benehmen war und auch ich kam nicht so wirklich damit zurecht, dass er sich hier ungeniert an mich heranschmiss. Doch wer hätte es ihm nach dem Kuss vor wenigen Stunden auch übel nehmen können? Ich hatte ihm ungewollt Hoffnung gemacht und bereute es noch immer, dass ich mich nicht besser im Griff hatte. Auch wenn er meine erste große Liebe war, so gab es trotzdem seine Gründe, weshalb wir nicht mehr zusammen waren. Ich hatte Jason sein Verhalten von damals nie verziehen, weil ich es einfach nicht konnte und nun hatte ich ihm ungewollt das Gefühl gegeben, als hätten wir doch noch eine Chance. Ich unterdrückte den Drang meinen Kopf wegen meiner eigenen Dummheit zu schütteln und war gerade kurz davor meinem Freund zu folgen, als sich Luisa plötzlich erhob, um ebenfalls auf die Toilette zu gehen. Stirnrunzelnd sah ich ihr hinterher, bis sie im Inneren des Restaurants verschwunden war, doch mein Sitznachbar gab mir kaum Zeit weiter darüber nachzudenken. Stattdessen legte er entschlossen seinen Arm auf meine Stuhllehne, um mir noch ein wenig näher zu kommen. Erneut konnte ich diese Gänsehaut auf meiner Haut spüren und ich zog meine dünne Jacke instinktiv enger um meinen Körper. „Dieser Kerl ist nicht gut für dich, Nicole. Hast du gesehen, wie er uns angesehen hat, als er aufgesprungen ist? Dass du keine Angst vor ihm hast." Jasons Worte prasselten auf mich ein und ich konnte nicht anders, als meinen Blick auf meine Hände zu richten, die ich nun in den Ärmeln meiner Jacke versteckte. Auch wenn ich es für absolut schwachsinnig hielt, was er gerade von sich gegeben hatte, konnte ich es dennoch nicht verhindern, dass ich mir seine Aussage ein wenig zu lange durch den Kopf gingen ließ. Marco hatte uns zornig angesehen und ich konnte mich eigentlich an keine Situation erinnern, in der ich ihn jemals so wütend gesehen hatte. Für einen kleinen Moment erlaubte ich mir auszumalen zu was genau Marco in einem solchen Eifersuchtsanfall im Stande wäre. Würde er irgendwann genauso ausflippen wie Jason es damals getan hatte? Würde ich mit ihm genauso enden?
Erst als ich Jasons Hand an meinem Rücken verspüren konnte, erwachte ich aus meiner Starre und ich rückte entschlossen mit meinem Stuhl zur Seite, um Abstand zwischen uns beide zu bringen. Es war mir zuwider, dass mein Exfreund gerade solche Gedanken in mir auslöste, denn wenn ich genauer darüber nachdachte, dann konnte ich mir die vorangegangen Fragen doch selbst beantworten. Marco würde niemals so ausrasten, wie er es getan hatte. Er würde mir niemals etwas tun, denn dafür war er einfach immer viel zu liebevoll und ehrlich zu mir. Mein Blick ging gen Himmel und ich seufzte leise, während ich beobachtete, wie es langsam dunkler wurde. Wie konnten Marco und ich nur an diesen Punkt kommen, an dem ich anfing ihm so ein wichtiges Detail zu verschweigen? Die alte Nicole hätte von Anfang an mit offenen Karten gespielt und ihm gesagt wer sich wirklich die ganze Zeit hier aufhielt. Doch ich war einfach zu feige gewesen und hielt es nicht für wichtig meinem Freund die Wahrheit zu sagen. Was genau mich dazu bewegt hat, konnte ich mir selbst nicht mehr so richtig beantworten, doch ich war mir durchaus im Klaren, dass wir beide dringend ein Gespräch benötigten. Mein Blick glitt wie von selbst in Richtung Fensterfront und ich stockte, als ich Luisa und Marco entdecken konnte, die zusammen an der Theke standen. Mir war zwar schon die ganze Zeit aufgefallen, dass die beiden viel vertrauter miteinander umgingen, als sie es sonst taten, doch in diesem Augenblick verstand ich die Welt nicht mehr. Was hatte die beiden so eng zusammengeschweißt, dass sie sich offenbar so viel zu erzählen hatten? Und was zur Hölle hatte Marco dazu gebracht, Luisa so nah an sich heran zu lassen?
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Ich, meine Schwester und Marco II Eiskalte Rache
FanfictionDas Leben der 27 jährigen Nicole scheint nicht unter einem besonders guten Stern zu stehen. Ihre Eltern starben vor 6 Jahren. Sie muss aufhören zu studieren, um die Verantwortung für ihre Geschwister zu übernehmen. Der kleine Bruder Luca kommt sc...