Du bist da!

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Luisa

Dr. Kasper hielt sein Versprechen. Er kontrollierte alles was mein Handy anbot, um Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen. Bis auf die WhatsApp an Marco hatte ich aber nichts versendet und diese hatte ich direkt wieder gelöscht. Hatte ich mich erst noch geärgert, dass mir Marco nicht zurück geschrieben hatte, so war ich am Ende doch ganz froh drum. Da ich in der nächsten Sitzung wieder so gut mitmachte, durfte ich ein weiteres Mal mein Handy haben, was ich direkt mit einer neuen Botschaft an meine große Liebe nutzte. Bedauerlicherweise konnte ich mich nach Weihnachten noch so sehr anstrengen und mit machen, Kasper gab mir kein weiteres Mal mehr mein Telefon. Das war dann wieder der Punkt, an dem ich froh war, meine Bilder in die Cloud abgespeichert zu haben. Als Timo mich besuchte, bat ich ihn um sein Handy und konnte so ein weiteres Bild an Marco schicken. Da er mir schon zweimal nicht zurück schrieb, ging ich einfach davon aus, er würde es wieder nicht tun. Sicher konnte ich mir aber nicht sein, weswegen ich Timo anbettelte mir sein Handy zu überlassen. Ich erzählte ihm davon, wie man mich von der Welt abschirmte und er bekam direkt feuchte Augen. „Klar Lulu mein Schatz" war seine Reaktion und ich lachte mir innerlich eins ab. Er hatte sich ein Handy von seinem Kumpel geliehen und mit einer Prepaid Karte gefüttert. Erst wollte ich ihm das dann abschwatzen, doch er meinte nur „Ist besser so. Mein Handy hat ja Vertrag und wenn ich dir das mit der Auflade-Karte gebe, wer weiß wie lang die dir hält? Ich schätze nicht, dass du hier drin eine neue Karte zum laden bekommst". Er hatte natürlich recht damit und ich war dankbar, in dem ich ihm ein Küsschen durch die Gitterstäbe gab. Timos Weitsicht brachte mir einige Vorteile, da die Ritzerin immer noch in Ferien war, konnte ich mich bequem zurück lehnen und mir Gedanken über meine Flucht machen. Dabei konnte solch ein vollumfängliches Handy sicher helfen. So hatte ich es mir zumindest gedacht. Ich war auf der Suche nach gleichgesinnten. Menschen, die auch einfach in solch ein Internat abgeschoben wurden und raus wollten. Es ging eine Weile bis ich einen Zugang zu solchen Leuten fand, doch dann bekam ich einige Tipps. Einer davon war, ich sollte versuchen an meine Akte zu kommen. Dieser Plan wurde durch weitere Tipps sehr fix und ich gab mir Mühe, weiter dem Kasper sein Theater mitzumachen.

Bedauerlich war nur, Kasper ließ wirklich nicht locker und wollte bis in die letzte meiner Gehirnwindungen vordringen. Einmal hatte er es auch geschafft und ich fühlte mich danach so schlecht, das ich zwei Tage nichts essen konnte. Er kratzte so sehr an meinem Gewissen, das ich meinen Plan mit den Akten fast vergaß.

Nach Silvester hatten wir wieder solch eine Sitzung und das direkt am Morgen. Es schlug mir heftig auf den nüchternen Magen und ich bettelte förmlich nach einer Zwangspause. Wir hatten es wieder einmal von meinen Eltern, dem Unfall und natürlich auch von Nicole. Am Ende starrte ich nur noch aus dem Fenster und unterdrückte meine Tränen, weil ich auf einmal solche Schuldgefühle meiner Schwester gegenüber hatte. Ich konnte es mir gar nicht erklären woher die auf einmal kamen. Sie waren plötzlich da und wollten nicht mehr weg gehen. Endlich klappte Kasper seine Unterlagen zu und sagte mit seiner ruhigen Stimme „das war es für heute. Wir sehen uns übermorgen wieder. Du solltest dir etwas zu essen holen". Ohne mich von ihm zu verabschieden, ging ich und statt der Mensa, suchte ich den Pausenhof auf, um eine zu rauchen.

Ich hatte mir gerade umständlich die Kippen aus meinem BH raus gezogen, was eigentlich Schwachsinn war. Ich hatte längst rausgefunden, dass die hier zwar einen auf Moralapostel machten, was das Rauchen betraf, es aber dennoch irgendwie duldeten. Ich ging dennoch direkt Richtung Hecke davon und wollte mir gerade eine anstecken, als ich eine Gestalt am Tor sah, die mir bekannt vorkam. Eigentlich hätte ich mit Timo gerechnet. Der lungerte irgendwie den ganzen Tag vor der Schule rum, doch diesmal war er es nicht. Es war ganz eindeutig Marco und mein Herz setzte jeden zweiten Schlag aus. Er war endlich gekommen, um mich hier raus zu holen! Ich warf die Kippe ungenutzt weg und rannte förmlich zum Tor hin. Fast hätte ich angefangen zu flennen wie ein kleines Baby, doch konnte es gerade noch runter schluckten. Wie hätte das auch ausgesehen, wenn ich ihn verheult begrüßt hätte? Obwohl ich also cool sein wollte, blieben meine Füße es nicht und ich rannte bis ich endlich bei ihm war und ich japste dank meiner schlechten Kondition „endlich bist du da!".

Verwirrt sah er mich an und ging einen Schritt von mir weg. Fast wäre er so auf der Straße gestanden und ich sah gehetzt nach links und rechts. Das wäre ein Horrorfilm geworden, wäre nun gerade in dem Moment ein Auto gekommen und hätte ihn über den Haufen gefahren. Ich streckte meinen Arm durch die Stäbe, obwohl ich viel zu weit von ihm weg war, um ihn daran zu hintern noch weiter auf die Straße zu stolpern. Zum Glück blieb er aber endlich stehen und im nächsten Augenblick verdunkelte sich sein Blick. „Endlich" stammelte ich wieder und biss mir nervös auf meiner Lippe rum, „hast du meine Nachrichten bekommen?" ich versuchte dennoch zu lächeln, obwohl er so hasserfüllt aussah. Doch dann kam er endlich zu mir und das so nah, das ich meine Hand auf seine Brust legen konnte. Nun war wirklich der Punkt erreicht, an dem mein Tränenkanal aufging und mir ein oder zwei Tränchen über die Wange kullerte. „Du findest das gut, dass ich hier bin?" schnell nickte ich, um ja bei ihm keine Zweifel aufkommen zu lassen. „Du glaubst gar nicht wie sehr ich gehofft habe, das du endlich kommst, um mich hier raus zu holen. Timo hat mir gesagt, dass du mit Nicole jetzt zusammen wohnst. Ich hab ihm aber kein Wort geklaubt. Ich wusste genau, dass das niemals sein kann. Darum habe ich dir die Bilder geschickt. Ich wollte, dass du weißt wie sehr ich dich vermisse. Endlich bist du da". Hart und fest war der Griff, mit dem er seine Finger um mein Handgelenk legte und dann drückte er meine Hand von sich weg und kam noch ein Stück näher. Ich drückte mein Gesicht noch fester zwischen den Gitterstäben hindurch und war bereit für den Kuss, den er mir nun sicher geben würde. Ich schloss meine Augen und spitzte schon meine Lippen, als ich etwas zu hören bekam, was mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Ich, meine Schwester und Marco II Eiskalte RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt