Nicole
Natürlich war es nicht ok, das meine kleine Schwester glaubte etwas Gutes mir zu tun, wenn sie Jason einfach wie ein Stück Frachtgut weiter schickte. Schon gar nicht, wenn es darum ging, dass er mich finden wollte. Da es mir auch noch solchen Ärger mit Marco brachte, erstrecht nicht. War doch Bauer für ihn schon ein rotes Tuch, was musste dann Jason für ihn sein? So wie er am Morgen sich aufgeführt hatte, war das Tuch in dem Fall dunkelrot. Es machte mich sauer und wütend zu gleich, doch irgendwie konnte ich ihn dann doch auch wieder verstehen. Vielleicht war die Geschichte mit dem „alter Freund" doch nicht so gut und er hatte sich die Wahrheit zurecht gereimt. Dumm war er nicht und das wusste ich, dennoch hatte ich es versucht ihn hinters Licht zu führen. Mein schlechtes Gewissen lag mir tief im Magen, doch ändern konnte ich gerade nichts daran. Das mir dann aber Luisa einen Strich durch die Rechnung machte und ging, das war nicht meine Planung. Jason gab sich wirklich mühe. War nett und aufmerksam. Gerade so wie früher, als wir uns damals kennen lernten. Wir sprachen kein Wort über seinen Abgang und dennoch hatte ich die Geschichte im Hinterkopf und wartete ständig auf irgendein Zeichen, was mir zeigte, das Jason immer noch der Alte war.
Ich war so in meiner Gedankenwelt gefangen, dass ich erschrocken zusammenzuckte, als Jason entschlossen nach meiner Hand griff, um sie leicht zu drücken. "Hörst du mir eigentlich zu?" Seine Stimme klang kein bisschen vorwurfsvoll. Er klang eher ein wenig besorgt und ich ärgerte mich, dass ich meinen Kopf einfach nicht zum Schweigen bringen konnte. Immer wieder musste ich daran denken, dass ich nicht in der Lage war meinem Freund die Wahrheit zu sagen. Es war falsch ihn anzulügen und doch wollte ich nicht noch mehr Wind um Jasons Auftauchen machen. Ich fragte mich sowieso schon die ganze Zeit, weshalb er eigentlich hergekommen war und musste unweigerlich daran denken, dass diese Beziehung zwischen Marco und mir einfach nicht normal verlaufen wollte. Zuerst hatten wir diesen ganzen Stress wegen Luisa und nun tauchte ausgerechnet mein Exfreund hier auf und brachte alles noch weiter aus dem Gleichgewicht.
„Nicole?" Nur langsam löste ich meine Augen von unseren Händen und realisierte erst viel zu spät, dass er meine Finger noch immer umschlungen hatte. Schnell zog ich meine Hand zurück und griff nach meiner Tasse, bevor ich entschlossen aufsprang. Ich musste versuchen Abstand zwischen uns beide zu bringen, um einen kühlen Kopf zu bekommen. Auch wenn ich ihm wegen dem Chaos in meinem Kopf nicht folgen konnte, hatte ich trotzdem weit entfernt mitbekommen, wie er von unseren guten Zeiten gesprochen hatte. Jason schwelgte richtig in den Erinnerungen an unsere Zweisamkeit, die er damals mit seiner Aktion mit einem Schlag zerstört hatte. "Willst du noch etwas trinken?", fragte ich leise, bevor ich mich in Richtung Kaffeemaschine bewegte und den Knopf betätigte, um mir noch einen Kaffee zu gönnen. Mein Blick glitt aus dem Küchenfenster und ich biss mir leicht auf die Unterlippe, während ich versuchte meine Gedanken zu sortieren. Ich hatte sofort wieder Marcos Gesicht vor Augen und es ärgerte mich, dass er sich wie ein eifersüchtiger Höhlenmensch aufgeführt hatte. Normal war das nicht so seine Art- warum auch?! Ich hatte ihm nie einen Grund dafür gegeben und ich wollte auch gar keinen anderen als ihn an meiner Seite. Das war Fakt!
Ich zuckte ein weiteres Mal erschrocken zusammen, als ich plötzlich eine leere Tasse auf der Arbeitsplatte erkennen konnte. Seufzend drehte ich mich um und schluckte fest, als mir klar wurde, wie nah Jason mir gekommen war. Seine Hand legte sich langsam auf meinen Oberarm und ich spannte mich augenblicklich an, als er mit seinen Fingern zart über meine übertätowierte Narbe strich. "Es tut mir noch immer so leid, Nicole. Ich hasse mich dafür, dass ich das mit uns so kaputt gemacht habe. Das hätte niemals passieren dürfen.", murmelte er leise, ohne die sanfte Bewegung auf meiner Haut zu unterbrechen, die mir eine leichte Gänsehaut bescherte. Unsere Blicke trafen sich und ich konnte auf einmal etwas in seinen Augen sehen, was mir damals nie aufgefallen war. Es war Reue und Aufrichtigkeit. Jason hatte sich zwar mehrmals bei mir entschuldigt, aber ich konnte immer in seinem Blick erkennen, dass er es nicht ernst meinte. Oder er gab mir einfach das Gefühl, er würde es nicht so meinen. Doch jetzt schien er seinen Fehler wirklich eingesehen zu haben. Nur weit entfernt nahm ich wahr, wie seine Hand langsam weiter nach oben wanderte. Jason strich über meine Schulter und ich fühlte seine Fingerspitzen über die dünne Haut in meinem Nacken gleiten, bis sein Daumen schließlich auf meine Wange traf. Meine Hände gingen nach oben und drückten sich leicht gegen seine Brust. Der klägliche Versuch mich gegen ihn zu stellen. Er blieb mutig, umschloss mein Gesicht sanft mit seinen Fingern und als ich realisierte, dass er mir immer näher kam, stockte mir der Atem. Unfähig mich zu bewegen, stand ich einfach nur so da und es war, als würde ich uns beiden von weit entfernt zuschauen.
Da war es auch schon passiert und automatisch schloss ich meine Augen. Erst war es ein leichtes kitzeln, welches schnell abgelöst wurde von einem ebenso leichten Druck. Seine Lippen waren nicht wie Marco seine. Die waren weich, warm und süßlich. Die von Jason aber, waren leicht rau, etwas kühl, zu feucht und verdammt! Ich reagierte auf den Kuss und bewegte meine Lippen! Ich löste meine Hände von seiner Brust, krallte mich in den Kragen seines Hemdes. Zog ihn sogar an mich heran, um diesen Kuss noch inniger werden zu lassen. Es war wie ein Muss. Als würde ich sterben, wenn ich dies nicht machen würde. Ich hatte genau hinter meinem Bauchnabel das Gefühl, man hätte ein Seil daran gebunden und würde mich Ruckartig nach hinten ziehen. Ich machte eine Zeitreise zurück zu unserem ersten Kuss und fühlte wie der Boden unter mir nachgab. Meine Finger schoben sich weiter an seinem Hals nach oben. In den Nacken und vergruben sich in seinen Haaren. Als wäre ich wild und ausgehungert hing ich an seinen Lippen. In meinem Schoß fing ein Feuer an zu brennen, welches aus Erinnerungen bestand von längst vergessenen Tagen. Mein Exfreund umgriff teils meine Taille und meinen Hintern, dann setzte er mich mühelos auf die Anrichte. Er drückte sich zwischen meine Schenkel und massierte meinen Hintern. Immer mehr und mehr reagierte mein Körper auf diese Behandlung, denn das Feuer aus meinem Schoß fing an sich über meine Haut zu ziehen. Umgriff jedes meiner inneren Organe und war auf dem Weg zu meinem Herzen. Jason fing an zu schmunzeln und nuschelte etwas von „oh, my little butterfly, ... i've missed you so ... pleace, ... heirate nicht den Falschen. Ich will dich zurück. Glaub mir, er ist nicht der Richtige für dich. Ich war und bin es schon immer gewesen" ich wurde mit einem Mal in die Realität zurück geholt. Unsanft fiel ich aus allen Wolken und krachte ungebremst auf den Boden der Tatsache. Ich riss meine Augen auf, drückte mit aller Kraft gegen Jasons Brust. Nahm sogar meine Knie dazu, um mehr Abstand zu bekommen und auch diese Szene hatte einen Erinnerungswert. Da Jason diesmal aber nicht zu einem Messer griff, blieb ich einfach nur atemlos stehen und sah ihn immer noch aus großen Augen an. „Den Falschen heiraten?" ich fing an mit dem Kopf zu schütteln und blickte irritiert. „Marco ist mit Sicherheit nicht der Falsche, aber das was wir hier tun ist falsch. Falscher als das kann es überhaupt nicht sein!" Panik überkam mich und ich griff mir an den Hals, da ich das Gefühl hatte, etwas schnürte mich ein. Jason hatte sich auf einen der Küchenstühle fallen lassen und sah mich nicht weniger verwirrt an mit seinen geröteten Wangen und der immer noch leichten Beule, die sich in der Jeans abzeichnete. Verdammt, was war hier so eben passiert? „Es wird Zeit zu gehen" mit diesen Worten ließ ich ihn zurück in der Küche und schnappte mir Jacke und Tasche. „Ich bring dich in ein Hotel, oder zum Flughafen. Ich will dich auf jeden Fall nicht mehr sehen". Meine Füße setzten sich mechanisch in Gang, gingen zur Wohnung raus, die Treppe runter, zur Haustüre raus und blieben erst wieder auf der Straße stehen. Ich sah schon von weitem den schwarzen Geländewagen. Ich sah auch schon von weitem das sich hinter der Scheibe Marco und Luisa befand. Und ich sah, wie Marco sich locker, grinsend gegen seine Tür gelehnt hatte und Luisa an seinem Hals hing. Ein sehr vertrautes Bild von Menschen, die sich sehr gern hatten. Diese Mechanik, ausgelöst von schlechtem Gewissen und der Unfähigkeit sein eigenes Handeln einzuordnen, wurde abgelöst von Verwunderung.
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Ich, meine Schwester und Marco II Eiskalte Rache
FanfictionDas Leben der 27 jährigen Nicole scheint nicht unter einem besonders guten Stern zu stehen. Ihre Eltern starben vor 6 Jahren. Sie muss aufhören zu studieren, um die Verantwortung für ihre Geschwister zu übernehmen. Der kleine Bruder Luca kommt sc...