Gegen meine Natur

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Marco

Meine Beine waren wie in Beton gegossen, sie gehorchten mir einfach nicht und ich blieb an derselben Stelle stehen. Obwohl ich Luisa von weitem erkannte und mein Hirn im Sekundentakt die Information an meine Füße gab, passierte nichts. Luisa hatte offensichtlich auch mich erkannt und rannte auf mich zu. Nicht einmal das half mir davonzurennen. Als sie am Tor ankam, brüllte ich innerlich lautstark meine Beine an. Warum hatten sie ihre Aufgabe nicht erledigt und arbeiteten gegen mich? Warum? Ich war entsetzt über diese Verweigerung, obwohl sie sonst immer so verlässlich waren. Noch mehr war ich jedoch über Luisas Begrüßung entsetzt, als diese endlich ihren Weg durch das Gebrüll in meinem Kopf fand. Wort für Wort kam es durch einen Sieb, der sehr engmaschig war und es sich am unteren Rand in kleinen Tröpfchen sammelte. Jeder Tropfen, der sich dann löste, war ein Paukenschlag als er in meinen Gehirnwindungen ankam. Schlagartig wurde mir bewusst, egal was ich zu Luisa im Guten sagen würde, es würde niemals bei ihr ankommen. Ich war mir sicher, selbst wenn ich sie ankeifen würde oder meine Worte einzeln in sie prügelte, es wäre vergebene Liebesmüh und kolossal umsonst. All die Worte, die durchaus freundlich sein sollten und ich mir auf der langen Fahrt zurecht gelegt hatte, waren vergessen. Der krönende Abschluss zu all dem von ihr gesagten, war das Bild was sie abgab, als sie ihr Gesicht durch die Gitterstäbe presste und offenbar glaubte, ich würde sie nun küssen. Mir drehte es förmlich den Magen um und ich hätte gern Gift und Galle gekotzt. Es blieb aber nur ein fader Geschmack in meinem Mund und ich versuchte meine Zunge vom Gaumen zu lösen. Ich sammelte Spucke, um besser schlucken zu können, feuchtete meine Lippen automatisch an und ging ganz nah an sie ran. Langsam legte ich meine Hand auf ihre Wange, was ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen auslöste. Streifte mit dem Daumen darüber und packte dann fest nach ihrem Kiefer. Entsetzt riss sie ihre Augen auf und mir tat direkt meine grobe Behandlung, die absolut im Gegensatz zu meinem eigentlichen Naturell stand, leid. Doch war es einfach da. Sowenig wie meine Beine mir eben gehorchten, sowenig konnte ich mich gerade beherrschen. Ich musste den Dingen ihren Lauf lassen und darum flüsterte ich ihr ins Ohr. "Du glaubst also ich bin hier um dich zu befreien?" sie versuchte zu nicken, was durch mein Festhalten und dem Gitter verhindert wurde und ich sprach in diesem ruhig, gleichgültigen und doch angewiderten Ton weiter. "Mit Sicherheit nicht. Ich habe dafür gesorgt, dass du überhaupt erst hier gelandet bist. Ich habe dieses Internat ausgesucht und ich bezahle es auch. Ich habe es mich so viel kosten lassen, dass ich hier auch jederzeit die Lichter ausknipsen kann. Ich bin hergekommen, um dir zusagen, dass du den Kuss vergessen sollst. Die Bilder, die du gemacht hast gegen meinen Willen, löschst du. Wenn nicht, werde ich dich vor Gericht ziehen weil du mir etwas verabreicht hast und du wirst nie wieder aus einer Irrenanstalt raus kommen. Du weißt jetzt zu was ich fähig bin und ich schwöre dir, bei allem was mir heilig ist, es ist keine leere Drohung sondern ein Versprechen" mein Griff lockerte sich und man konnte deutlich meine Fingerabdrücke auf ihrer Haut sehen. Ich senkte meine Hand und suchte ihren Blick. Ihre Augen schwammen in Tränen und mir war nicht klar, ob es der Schmerz, der verletzte Stolz oder mein Versprechen war, welches dazu führte. Was es auch war, ich hoffte sie hatte mich endlich verstanden. "Nimm die Hilfe an, die man dir hier gibt, bevor es ein böses Ende nimmt" versuchte ich mit einem gut gemeinten Tipp, mein gesagtes weniger hart klingen zu lassen. Mit diesen wässrigen Augen sah sie aus wie ein kleiner Hund und in meiner Brust zog sich alles zusammen. Ich durfte auf keinen Fall nachgeben und ich wollte mich nicht als erstes von der Situation abwenden. Ich ballte meine Hände zu Fäusten, umso die Energie irgendwie umzuleiten. Dann öffnete sich ihr Mund "ich hab's kapiert" und sie drehte sich mit gesenktem Kopf von mir weg, um zu gehen. Ich wartete noch einen Moment, bis sie sich weit genug entfernt hatte und ließ dann endlich die Luft aus meiner Lunge.

Meine Knöchel traten weiß hervor, so sehr verkrampfte ich sie um das Lenkrad. Ich hatte völlig vergessen wie ich es zurück in mein Auto geschafft hatte. Mein Blut rauschte immer noch in meinen Ohren und mein Adrenalin schien einen reichen Überschuss produziert zu haben. Ich erinnerte mich an kein Spiel, bei dem ich mich so fertig fühlte. Das Loch, welches ich durch die Frontscheibe am Gucken war, hatte mittlerweile die Größe des Ozonloches angenommen und ich fühlte mich nicht in der Lage das Auto zu starten. Zeit war nur noch ein Wort und dieses hatte seine Bedeutung verloren. Der nächste Schritt meines Planes stand noch vor mir und er würde schwerer werden, als eine Luisa auszuschalten. Nicole musste endlich wissen was Sache war und ich müsste dann nicht mehr lügen. Endlich konnte ich meinen Blick senken, seufzte nochmals und startet den Motor. Mein letzter Blick schweifte über das Gebäude, welches hinter einer hohen Hecke lag und unweigerlich biss ich mir auf die Innenseiten meiner Wangen. Ich konnte nur hoffen das Richtige getan zu haben. Was, wenn ich damit ihre Therapie gefährdet hatte? Oder wenn sich ihre Trauer in Wut entlud und sie nun kopflos um sich schlug? Was wenn sie sich etwas antat? Ich schluckte schwer bei diesem dunklen Gedanken. Welchen Schmerz müsste Nicole dann erleiden und alles nur, weil ich so hart zu Luisa war. Mein Schlucken war schmerzhaft, da es immer trockener wurde in meinem Hals und der Motor gab glucksende Geräusche von sich, bis er ausging. Das Auto machte einen kleinen Satz nach vorn, doch es war alles nur ein Nebeneffekt. Meine Hände fielen mir in den Schoss und meine Füße waren von den Pedalen abgerutscht, weswegen ich den Motor abgewürgt hatte. Völlig lasch und ohne jegliche Kraft saß ich da und schaute weiter in mein Ozonloch. Das schlechte Gewissen schnürte mir die Luft ab und mein Brustkorb wurde von einem 10-Tonner langsam überrollt. Ich hatte nicht nachgedacht und mit meinem unüberlegten Handeln alles in Gefahr gebracht. Meine Hand ging zum Zündschlüssel, den ich zog und mit Beton an den Füßen stieg ich aus meinem Auto aus. Mit hängendem Kopf schlich ich zurück zum Tor und erst, als ich fast dagegen lief, schaute ich auf. Der Hof war leer. Weit und breit war kein Mensch mehr zu sehen. Der Schlüssel gab einen klackenden Laut von sich, als er gegen das Metall schlug und ich das Gitter mit meinen Finger umschloss. Es war fast, als könnte ich ein Echo davon hören. Ich sah langsam an der Schule hoch und konnte in den obersten Stockwerken Gitter an den Fenstern sehen. Direkt überzog eine eiskalte Gänsehaut meinen Nacken und rieselte nach unten. „Verdammt" kam es leise über meine Lippen und blitzschnell ließ ich das Tor los, als hätte ich einen elektrischen Schlag bekommen. Die ersten zwei Schritte ging ich rückwärts, dann drehte ich mich um und rannte zu meinem Auto zurück. Der Motor jaulte lautstark auf und schon zog ich auf die Straße und war in Rekordzeit zurück in Dortmund.

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Sorry, jaaaa gestern hat es nicht geklappt zu posten, dafür heute ;)

ich hoffe ihr werdet es dennoch lesen? :D

Lg Mel

Ich, meine Schwester und Marco II Eiskalte RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt