Zeit vergessen

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Nicole

„Ich muss noch den Kuchen vom Bäcker holen und dann nochmal schnell ins Büro" rief ich quer durch das Haus, damit Marco auch wirklich mich verstehen konnte. Am Nachmittag sollten Marcos Schwestern, seine Eltern und noch ein paar Kinder aus dem Kindergarten zu Lucas Geburtstag kommen. Wir hatten einiges zu feiern, wenn natürlich auch im Vordergrund der 6. Geburtstag von Luca stand. Marco hatte am Freitag gewonnen und dies war ihm zweifach zu verdanken, denn er hatte zwei Tore gemacht und Luca überschlug sich fast vor Freude. Dann konnten wir die stetige Genesung von meinem kleinen Bruder feiern und ich feierte einfach nur, weil alles wieder ruhig verlief. Marco war eine große Stütze für mich und wir waren ein gutes Team. Er war nicht einfach nur der Mann in meinem Leben, er war auch mein bester Freund und es tat gut zu wissen, dass er immer da war wenn ich ihn brauchte. Meine Arbeit wuchs mir etwas über den Kopf, aber auch dies versuchte ich zu managen und das mit Erfolg. Bauer hatte mir einen großen Auftrag geben und dieser stand kurz vor dem Abschluss. Weil ich deswegen so oft ins Büro musste, unteranderem auch an Sonntagen, hatte ich schon eine extra Bonuszahlung bekommen. Das motivierte natürlich ungemein, aber die Arbeit machte sich dennoch nicht allein.

„Heute ist Sonntag und Luca hat Geburtstag. Was willst du denn schon wieder im Büro?" hörte ich Marco von oben rufen. Er wollte duschen gehen, obwohl er gerade vom Training gekommen war und mir nicht so aussah, als hätte er dort nicht schon geduscht. „Ich muss mit Bauer noch was abklären, wegen einer kleinen Änderung"-„sind die so unzufrieden mit deiner Arbeit?" ich hielt inne und sah zu ihm hoch, da er an der Brüstung der Galerie stand. „Ich kann das"-„na aber warum dann die ständigen Änderungen und das auf einen Sonntag"-„ist doch nur kurz"-„hast du das letzte Mal schon gesagt und warst dann fast zwei Stunden weg" maulte er wie ein kleines trotziges Kind und ich stemmte mir die Hand in die Hüfte mit dem typischen Mamablick. „Heute geht es sicher nicht so lang"-„du bist mittlerweile mehr dort als hier, ist dir das schon aufgefallen?"-„ähm, eigentlich müsste ich immer dort sein?"-„na aber du wolltest doch die Arbeit, damit du eben nicht ständig in einem Büro sitzt und bei Luca sein kannst"-„ich bin hier auch in einem Büro?"-„das ist doch was anderes"-„nicht wirklich mein Lieber und jetzt schau das du duschen gehst" gespielt lachte ich auf und ging in die Küche, in der meine Handtasche stand. „Ich bin dann jetzt eben weg. Bäcker und Büro. Ich bin rechtzeitig wieder da"-„und warum konntest du nicht die Torte bei Yvo bestellen?"-„weil ich sie dann nicht hätte bezahlen dürfen" schnaubte ich und schüttelte mit dem Kopf. Es reichte schon, das Luca bei Yvonne übernachtet hatte, nur damit ich das Haus putzen und dekorieren konnte, da konnte ich ihr nicht auch noch eine Torte aufdrücken. Ich schnappte mir meine Jacke und die Schlüssel und sah noch einmal nach oben. Marco stand immer noch halb nackt da und ich musste mir kurzzeitig die schmutzigen Gedanken aus dem Kopf wischen. „Ich werde so schnell es geht wieder hier sein. Bevor die Gäste kommen auf jeden Fall" seufzte ich, packte mir noch meine Mustertasche und verließ das Haus.

Der Weg zum Bäcker war schnell hinter mich gebracht und da es Sonntagvormittag war, konnte ich schon fast bequem quer durch Dortmund fahren, um das Büro von Bauer zu erreichen. Alles lief also nach Plan und ich würde, ganz gegen die Erwartung von Marco, pünktlich zurück sein. Wäre da nicht Bauer gewesen und wäre er nicht so, wie er eben nun mal ist.

Er war ein Schussel und manchmal hatte ich das Gefühl, es gab gewisse Sachen, die er mit Absicht machte. Zum Beispiel über die Blaupausen Kaffee kleckern.

Diesmal rannte er wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Gegend und erklärte mir, wie es zu dem Unfall kommen konnte, welcher mich bei meiner Ankunft erwartete. Bauer hatte es in seiner Schusseligkeit geschafft, mit seinem Jackett an einem Modell hängen zu bleiben und es so vom Tisch zu reißen. "Nicole, sie glauben nicht wie sehr ich auf mich selbst sauer bin, dass mir das passiert ist. Ich kann mir gar nicht vorstellen wie ... also ... ich wollte ja nur Bilder davon machen ... und dann ... puff lag es einfach da"-„puff! Lag es einfach da" wiederholte ich leise, verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn etwas leicht sauer an. "Ja. Es war keine Absicht"-„sie machen diesbezüglich nie etwas mit Absicht. Mehr so mit Kaffee oder jetzt das" ich zeigte zwischen ihm, seiner Jacke und dem lädierten Modell hin und her. „Bekommen sie es wieder hin?"-„ich habe fast 5 Wochen da dran rum getüftelt, um ein brauchbares Modell zu kreieren. Wie stellen sie sich das vor? Wir brauchen es morgen" er sah mich nur stumm an und ich seufzte leise. „Sie wissen genau, dass Luca heute Geburtstag hat. Ich habe es ihnen oft genug gesagt und ich weiß wirklich nicht wie ich es schaffen soll"-„ich kann den Termin morgen nicht nochmal verschieben. Bitte, sie müssen es einfach" ich konnte nur mit dem Kopf schütteln, bückte mich dann nach einem Baum, der unter dem Tisch lag und hob ihn auf. „Ich ... ich werde sie auch reichlich entschädigen"-„Geld ist nicht alles Herr Bauer" seufzte ich ein weiteres Mal. Ich sah auf den Baum in meiner Hand und schaute an den Platz auf dem Modell, wohin eigentlich dieser gehörte und hatte absolut keine Lust mir die Nacht um die Ohren zu schlagen, nur damit Bauer morgen etwas zum vorzeigen hatte. Plötzlich stand er ganz nah bei mir und legte mir seine Hand auf den Oberarm „Nicole, sie sind meine Rettung und glauben sie mir, ich weiß wie wertvoll sie mittlerweile für mich geworden sind. Es vergeht kein Tag mehr seit sie hier sind, an dem ich nicht Danke sage, dass ich sie eingestellt habe. Sie sind ein Engel. Mein Engel." er sah mir dabei tief in die Augen und seine Stimme nahm einen dunklen, rauen Ton an, der mich irgendwie zittern ließ. Er war mir auf einmal viel zu nah und ich ging ein Schritt von ihm weg. Keine Ahnung was sich da gerade für eine Spannung zwischen uns aufbauen wollte, ich wusste nur, die gehörte hier nicht hin und war mir sehr unangenehm. Direkt ließ er seine Hand sinken, wie auch seinen Kopf und ging ohne ein weiteres Wort in sein Büro. Lange sah ich zu der halb offenen Tür rüber und versuchte mir selbst zu erklären, was hier gerade für ein Film lief. War der Mann mich am anflirten? Waren diese Schusseligkeiten am Ende nur Tarnung? Mir fielen ein paar Kleinigkeiten auf, die nie eine Bedeutung für mich hatten. Diese versehentlichen Berührungen oder das er mir Kaffee brachte, obwohl es sicher nicht sein Job ist. Schnell schüttelte ich den Kopf und schimpfte mich selbst meiner Dummheit, so etwas überhaupt zu denken. Es war ganz eindeutig Marco und seinen Anwandlungen von Eifersucht wegen meinem Chef zu verdanken, dass ich nun selbst anfing Bauer mit anderen Augen zu sehen. Ich wandte mich wieder dem Modell zu, wuschelte mir durch die Haare, schnappte mir dann den Leim aus dem Regal. Dann suchte ich mir noch weitere Materialien zusammen und fing an zu flicken was eben ging. Irgendwann wurde ich von dem nervigen Klingeln meines Handys gestört und als ich dann doch endlich dran ging, hörte ich eine sehr aufgebrachte Stimme in der Leitung. „Ist dir etwas passiert? Wo steckst du? Yvonne ist schon hier. Soll ich dich wo holen oder was?" ich biss mir fest auf die Unterlippe und sah auf die Uhr über meinem Schreibtisch.

Ich, meine Schwester und Marco II Eiskalte RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt