Kapitel 1

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Mom knallte den Teller nun auf den Tisch und schaute mich herausfordernd an. Es war schwer diesem Blick standzuhalten. Diesen Ich-bin-deine-Mutter-tu-was-ich-sage- Blick. Dennoch verschränkte ich die Arme ineinander und zog die beste Schnute, die ich draufhatte.

"Mom, ich kann da doch nicht einfach aufkreuzen!", wehrte ich mich und zeigte dabei auf das Nachbarshaus.
"Oh doch, das kannst du! Der junge Mann ist in deinem Alter und er würde sich über diese nette Geste freuen! Vergiss nicht, wir sind nette Nachbarn." Jetzt stellte sie sich wieder an den Herd um die Suppe umzurühren, die es heute für uns zu Mittag gab. Damit, dass sie sich nun mit der Suppe beschäftigte, wollte sie nur signalisieren, dass das Thema gegessen ist und ich zu diesem neuen Nachbar gehen sollte, um ihm diesen verdammten Teller mit Kuchen als Willkommensgeste zu überreichen. Ich beobachtete Mom still und schaute vom Kuchen zum Haus gegenüber. Mich interessierte dieser Kerl nicht. Genauso wenig wie Moms Willen durchgehen zu lassen.

Ich schaute hinüber zum Fenster, rüber zu dem Haus wo der Kerl wohnte, und ich erhaschte eine Bewegung. Da müsste der Typ also sein. Ich verstand nicht, was er in diesem riesigen und verlassenen alten Haus machte, ohne jegliche Familie, nicht einmal Eltern. Vielleicht würde er auch nur eine kurze Zeit hierbleiben und dann wieder wegziehen. Oder er wurde in seiner Schule so sehr gemobbt, dass er in dieses alte, verlassene Haus gezogen ist.

Oder er war die Sorte Typ, der jedes Wochenende total feiert und uns mit lauter, schlechter Musik quälen würde. 

"Du hast nicht zufällig vor, noch vor dem Mittagessen zu gehen?", hörte ich Mom fragen.
Ich hatte keine Lust, und außerdem auch keine Kraft mehr mich zu streiten, also nahm ich diese Almosenspende und ging aus dem Haus.
Auf dem Weg grüßte ich die Thomsons, unsere Nachbarn.

„Hallo Dakota!", rief Mrs Thomson. Sie strich ihren grauen Pony aus dem Gesicht und lächelte mich warm an.

„Hallo, Mrs Thomson. Sind Sie schon fleißig am schnibbeln?" Ich deutete auf den Strauch und ihrer riesigen Gärtner Schere. Sie war wirklich penibel, was ihren Garten betraf. Naja so sah dieser auch aus- so perfekt, man könnte behaupten sie hätte jedes einzelne Blatt mit einer Nagelschere getrimmt. Einmal habe ich sie sogar dabei erwischt.

„Natürlich, du kennst mich doch!" Oh ja. Besser als mir lieb war. Okay, ich will nicht gleich übertreiben, sie war nett und ich mochte sie, ihre super perfekte Art nervte trotzdem ein wenig. „Hat deine Mutter dich zum Lieferanten berufen?", fragte sie dann und deutete auf den Teller in meiner Hand.

„Ja.", erwiderte ich neutral. „Wir wollen den neuen Nachbar freundlich willkommen heißen."

„Das ist eine gute Idee. Wenn ich noch was übrig habe von meinem Kuchen, werde ich es ihm auch geben.", sagte sie eher zu sich, als zu mir. Jetzt wird der Kerl auch noch verwöhnt. Ich verabschiedete mich und ging dann über die Straße. Ich schaute auf das riesige Haus und fragte mich wie lange dort wohl keiner mehr gelebt hat. Seit dem ich in die Windel gemacht habe, wahrscheinlich. Dieses Haus sah demnach auch so aus- hochstehender Gras, schmutzige, und sogar ein kaputtes Fenster, quietschendes Tor, wie ich gerade bemerkte. Jetzt wo ich so nahe dran stand, war das Haus wirklich sehr unheimlich. Es war viel größer, als ich mir vorgestellt hatte. Und diese abgedunkelten, zackigen Fenster wirkten auch nicht gerade heimisch. 

Allein, weil ich dieses vollkommen verrostete Tor öffnete, bewegte sich gefühlt eine Kolonne Kleinviecher. Ich war wirklich geekelt. Und bereute, dass ich keine Stiefel, sondern nur Chucks trug. Letztendlich kam ich an der Tür an und suchte nach etwas, was einer Klingel ähnelte. Sowas gab es hier aber nicht. Vielleicht sollte ich umkehren? Begründung; weil es keine Klingel gab...? Ich schloss die Augen, atmete einmal tief durch und wollte gerade klopfen, da ging die Tür aber schon auf. Ich musste mich ehrlich gesagt kurz sammeln, da dies ziemlich unerwartet war. 

Mein Nachbar- der PsychoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt