Kapitel 4

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Es fühlten sich an wie Millisekunden, in diesen wir uns anschauten. Ich wand meinen Blick schnell weg und versuchte mein Herzrasen unter Kontrolle zu bringen. Ich sah vom Augenwinkel, dass er sich auf den Platz neben mir setzte. Gott, fühlte ich ein Unbehagen. In dem ganzen Raum war nur mein Platz frei. Das war Mr. Hitchs Verdienst. Da ich im Geschichtsunterricht so schlecht bin, sollte ich nicht noch dazu abgelenkt werden. 

Ich war über mich selbst verwundert, dass mich ein Typ der Schule einschüchterte. Eigentlich schüchterten mich keine Typen ein. Komische, gruselige Typen, die im Traum versuchten mich umzubringen aber schon.  

Ich wurde abgelenkt, als Mr. Hitch bat, dass wir unsere Tische leerräumten und ruhig sein sollten. Er ging dann von Tisch zu Tisch, gab jedem ein Test und ich wusste wirklich keins dieser Antworten. Ich hätte lernen sollen. Oder mir zumindest eine Dokumentation über den ersten Weltkrieg anschauen sollen, dann wüsste ich mehr als jetzt.

Ich seufzte innerlich. Voller Entsetzen vergrub ich mein Gesicht in meine Hände. Und da spürte ich, wie etwas auf meinem Tisch gelegt wurde. Verwirrt schaute ich auf den schon ausgefüllten Test. Dann schaute ich nach links, denn Dylan schaute mich, mit seinem ernsten, ausdruckslosen Blick an. Er deutete auf den nicht ausgefüllten Test und streckte seine Hand nach meinen Test aus. Ich war verwirrt. Warum tat er das? Ich hatte aber nicht viel Zeit um darüber nachzudenken, denn ich musste jetzt handeln, bevor irgendein Schüler, oder Mr. Hitch bemerkte, dass Dylan gerade zwei Tests machen wollte und mir einen davon gab.

Schnell reichte ich ihm meinen und dann überflog ich seine Antwortmöglichkeiten. Es konnte kaum schlechter sein, als das, was ich ankreuzen würde, aber trotzdem hätten wir dieselben Fehler, wenn er etwas falsch angekreuzt hätte.

Der Namensbalken war frei, und dort schrieb ich dann meinen Namen auf.

Ein serbischer Student erschießt 1914 Erzherzog Franz Ferdinand und dessen Frau in Sarajevo. Die Schüsse münden im Kriegsausbruch am 1. August 1914. Wie hieß der Geheimbund, dem der Attentäter angehörte?

Wieso wusste er, dass es sich dabei um die „schwarze Hand" handelt? Dieser Name ist schon mal hier gefallen, davon war ich überzeugt.

In welches Nachbarland marschierten die Deutschen 1914 zuerst ein?

Luxemburg, sagt Dylan. Und ich hatte keine Ahnung, es war ja auch nicht von Interesse zu welchem Land Deutschland als erstes gegangen ist. Die haben doch wahllos getötet, oder nicht?

Welches Kampfmittel wurde 1915 erstmalig eingesetzt?

Giftgasgranaten? Irgendwie verunsicherte mich, dass er das alles wusste. Vielleicht hatte er ja selbst welche im Keller. Ich fragte mich wieso er mir seinen Test gegeben hat. Wollte er sich damit bei mir entschuldigen? Wollte er damit beweisen, dass er ein super Schüler war? Oder eher ein Bad- Guy? Davon war ich aber schon längst überzeugt. Kein netter Bursche hatte seine Hände voller Blut.

Flüchtig schaute ich auf seine Hände. Sie waren sauber. Und tätowiert.

„Noch fünf Minuten.", sagte Mr. Hitch. „Wer schon fertig ist, kann den Test nach vorne bringen."

Ich stand auf- als einzige, sonst war keiner fertig- und brachte den Test nach vorne.

„Haben Sie nichts ausgefüllt, Dakota?", fragte Mr. Hitch mich direkt. Ich antwortete nicht, gab ihm nur den Test. Er fing gleich an zu korrigieren, so machte er das nämlich immer. Bis zum Ende der Stunde hatte er alle Tests durch und wir würden sie wiederbekommen. Ich setzte mich wieder an meinen Platz, und Dylan schien mich die ganze Zeit beobachtet zu haben. Er lächelte aber nicht, sondern schaute, wie sonst, nur finster drein. Als ich wieder auf meinem Platz war, entdeckte ich ein Briefumschlag. Ich fragte mich was das war, und von wem der jetzt kam. Nach dem ich meine Unterlagen aka Block, Mäppchen und Buch wieder auf den Tisch stellte, öffnete ich den Brief und was ich sah verschlug mir die Sprache. Es war das Bild von mir, wo man mich nur im Handtuch sieht. Darauf wurde mit einem roten Stift in Großbuchstaben geschrieben

Mein Nachbar- der PsychoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt