Kapitel 46

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Es knisterte. Es war sehr warm. Es war einfach grauenhaft.

Eigentlich wollte ich ein Pokerface aufsetzen, doch der Anblick der brennenden Leiche war viel zu schlimm. Ich erkannte Mr. Thomsons Gesicht ganz genau. Seine Augen waren aufgerissen. Sein Mund leicht offen. Er war ein alter Mann und es sah einfach falsch aus, wie er dort kaltblütig ermordet und am brennen lag.

Dylan räumte in der Zwischenzeit auf. Er desinfizierte alles mit Desinfektionsspray. Auch oben. Da müsste die meiste DNA von uns zu finden sein. Ich stand vor Mr. Thomsons Leiche und konnte nicht weggucken, obwohl ich es eigentlich wollte und musste.

„Ist das nicht faszinierend?", fragte Dylan dann plötzlich. „Wie die Leiche dort brennt?"
Er schloss die Augen und atmete genüsslich ein. „Er ist tot. Und ich habe darüber entschieden."

Ich fand es nicht faszinierend. Ich fand es schrecklich.

„Und du hast mir geholfen.", fügte Dylan dann noch hinzu. „Ganz klar, bist du die dunkle Prinzessin, die ich so lange schon gesucht habe."

„Dylan-", sagte ich nur, doch wusste nicht was ich sagen sollte.

„Endlich begegne ich einem Menschen, der mich versteht und so akzeptiert wie ich bin.", sagte er und küsste meine Lippen kurz. Dann räumte er alle seine Sachen wieder in die Tüte. „Lass uns gehen, Prinzessin."

Gerne. Ich wollte nichts inniger, als hier wegzukommen.
„Was... machen wir jetzt mit ihm?", fragte ich dann bezüglich des Taxifahrers.

Dylan hob ihn hoch und stemmte ihn über seine Schultern.

„Es wird aussehen wie ein Autounfall.", sagte er. „Ich kümmere mich schon, du wartest solange im Auto."

Ich musste lange warten, bis Dylan wieder kam. Ich konnte sehen, wie er ins Auto gestiegen ist. Anscheinend wollte er es so aussehen lassen, als sei der Fahrer in dem Ufer gestorben. Ich hatte ein wirklich schlechtes Gewissen, erst recht, da der Fahrer wirklich nett wirkte.
Aber er wollte Dylan verpfeifen. Und das... wäre nicht sonderlich gut gewesen.

„Er hatte keine Familie.", sagte Dylan als er endlich wieder ins Auto kam. „Er war alleine. Er kommt eigentlich auch aus einer anderen Stadt. So schnell wird keiner bemerken, dass er fehlt. Und wenn ja, ist er ertrunken."

„Okay.", sagte ich fast flüsternd.

Die Fahrt zog sich endlos lang. Ich starrte die ganze Zeit aus dem Fenster und wollte an alles andere, aber nicht an Mr. Thomson oder den Taxifahrer denken. Die ganze Zeit sah ich seine Leiche vor mir.

Wie sie brannte.

Wie weit die Augen aufgerissen waren.

Der Mund war ein Spaltbreit geöffnet.

Jedes Lebenszeichen war verschwunden. Um den Gedanken loszuwerden, versuchte ich krampfhaft an Einhörnern, pinken Feldern und   Regenbögen zu denken. Doch immer wieder sah ich Mr. Thomsons Gesicht vor mir. Und wie es langsam niederbrannte. Auch der Geruch hing hier noch in der Luft.

Ich war froh, als wir endlich das Schild „Willkommen in Moncks Corner" erreichten.
Es war ein Stück Heimat und irgendwie ging es mir dann besser.
Zu Hause ging ich sofort hoch in mein Zimmer. Ich bemerkte, dass ich wieder zitterte. Ich atmete in Stößen und musste mich abstoßen.

Wir haben seine Leiche niedergebrannt. Er hat noch nicht mal ein vernünftiges Begräbnis.

Der Geruch vom brennender Haut klebte buchstäblich an meiner Kleidung. Ich riss mir die Kleidung vom Leib. Und obwohl ich vorhin schon badete, musste ich noch mal unter die Dusche um diesen Geruch loszuwerden.
Unter der Dusche prasselte das heiße Wasser an meinem Körper herab. Es dampfte, da es schon sehr warm war. Doch das war mir irgendwie egal. Im Gegenzug waren die Tränen, die über meine Wagen strömten, kalt. Ich blieb sehr lange unter der Dusche. Meine Fingerkuppen waren schon verschrumpelt. Doch ich wollte nicht raus. Ich traute mich nicht raus.

Mein Nachbar- der PsychoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt