Außenseiter

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Ich hatte nie hinterfragt, warum Scott plötzlich so gut im Lacrosse oder immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort war. Mich hatte es zwar schon mal gewundert, doch ich habe nicht ein einziges Mal gefragt. Ich habe es immer auf das neue Mädchen geschoben. Allison hatte Scott verändert. Sie war seine erste große Liebe. Als ich hörte, dass sie nicht mehr zusammen waren, wollte Scott mir nicht sagen, wieso. Ich war mir ziemlich sicher, dass Stiles irgendwas wusste, doch auch er erzählte mir nichts. Mich störte nicht, dass sie ein paar Geheimnisse hatten. Auch nicht die Tatsache, dass die beiden viel mehr Zeit miteinander verbrachten, als früher. Mich störte lediglich, dass die beiden mich ausschlossen. Das hatten sie noch nie gemacht. Wir drei waren immer die Außenseiter. Waren immer füreinander da. Ich wusste nicht, was genau anders war, aber irgendwas hatte sich definitiv verändert. Scott hatte sich verändert. Möglicherweise war ich ein wenig zu paranoid. Das war, wie Stiles es sagte, eine der wenigen schlechten Eigenschaften, die ich besaß. Das war auch der Grund, warum ich ungern Horrorfilme sah oder mit Stiles auf Leichenjagd ging. Auch dieses Wochenende verbrachte ich alleine. Stiles war die ganze Zeit bei Lydia im Krankenhaus, was mich nicht verwunderte. Er war schon ewig in sie verknallt gewesen, weshalb ihm ihr Krankenhausaufenthalt gerade recht kam. Weshalb sie genau im Krankenhaus war, wusste ich nicht. Ein mysteriöses Tier soll sie angefallen haben. Solche Geschichten hörte man in Beacon Hills in letzter Zeit ständig. Ich saß also das ganze Wochenende zu Hause und zog mir mehrere Staffeln von Gilmore Girls rein während ich Schokolade aß, um mir die Zeit zu vertreiben. Mochte sein, dass ich über Nacht fett geworden war, doch das war mir egal. Für die meisten war ich in der Schule sowieso unsichtbar.

Am Montag nahm ich den Bus, um in die Schule zu kommen. Mein Vater erzählte mir am Frühstückstisch, dass Lydia Martin aus dem Krankenhaus verschwunden war. Sofort musste ich an Stiles denken, der wahrscheinlich die ganze Nacht nach ihr gesucht hatte und durchgefroren nach Hause kam, um gleich danach schon wieder totmüde zur Schule zu fahren. Der Gedanke entlockte mir ein kleines Schmunzeln. Das klang genau nach dem Stiles, den ich fast schon mein Leben lang kannte.
Als der Bus hielt, sah ich auch schon Scott und Stiles auf die Schule zugehen. Noch bevor der Bus überhaupt richtig zum Stehen kam, stand ich auf und lief aus dem Bus, um dann wie eine verrückte auf die beiden zuzurennen. Mein Schal verrutschte dabei ein kleines Stückchen, weshalb ich ihn beim Laufen zurechtrücken musste. Zum Glück gab es kein Glatteis, ansonsten wäre ich vor allen Augen ausgerutscht und hätte mir wahrscheinlich noch das Gesäß gebrochen. "Hey, Jungs!", strahlte ich die beiden an. Die beiden verstummten mitten im Gespräch und sahen mich dann lächelnd an. "Also Scott, was hast du das ganze Wochenende getan? Wo Stiles war kann ich mir ja denken, aber du warst wie vom Erdboden verschluckt." Scott sah mich kurz etwas perplex an.
"Oh ich ähm.. ich war.. in der Tierklinik.", antwortete er mir.                                                               Irritiert sah ich ihn an. "Das ganze Wochenende?"                                                                                         "Ja, ich meine, Leben retten muss man doch jeden Tag oder nicht.", lachte er nervös. Ich glaubte ihm kein Wort, doch ich schwieg. Ich wollte mich sicher nicht mit ihm streiten und wenn er über etwas reden wollte, dann würde er es früher oder später auch tun. Scott arbeitete gelegentlich in der Tierklinik, um sich sein Taschengeld aufzubessern. Zumindest war es das, was er immer behauptete. Ich wusste es besser, denn Scott wollte später selbst Tierarzt werden. Das Geld war wahrscheinlich eher eine nette Nebensache für ihn.

Scott und Stiles verabschiedeten sich, um zum Lacrossetraining zu gehen, während ich die Schule betrat, um an meinen Spind zu gehen. Neben mir stand Isaac Lahey, der gestresst an seinem Spind rüttelte, in der Hoffnung ihn so aufzukriegen. Er hatte das Beacon Hills Trikot mit seiner Spielernummer an. Die 14. Das Trikot war rot. Die Farbe der Lacrossemannschaft. Er fluchte leise vor sich hin, als ihm ein paar Sachen aus der Hand fielen. Ich schloss meinen Spind und hockte mich auf den Boden, um ihm die Sachen zu reichen. Überrascht sah er auf und blickte mich an. "Ähm danke.", stammelte er. Seine blauen Augen musterten mich kurz. Ich lächelte leicht. "Kein Problem. Isaac, richtig?" Ich sah ihn freundlich an. Isaac nahm die Sachen, stand auf und nickte. "Ja, ja. Du bist Abigail, richtig?" Ich stand ebenfalls auf und sah zu ihm hoch. Er war ein Stück größer als ich, was aber nicht großartig schwierig war. Früher hatte mich Stiles immer damit aufgezogen. Tat er manchmal immer noch. "Ja, aber du kannst mich auch einfach Abby nennen." ich lächelte ihn an. Ich wusste nicht viel über Isaac. Alles was ich wusste war, dass sein Vater auf dem Friedhof arbeitete und er gelegentlich dort mit half. Wenn ich das Grab meiner Mutter besuchte, sah ich ihn öfter dort, wenn auch nur flüchtig. Er war relativ unscheinbar. Das war eines der Dinge, die wir gemeinsam hatten. Isaac fuhr sich schüchtern durch seine braunen Locken und sah mich dann entschuldigend an. "Tut mir Leid, ich muss jetzt wirklich zum Training." Daraufhin verschwand er auch schon. Seine Schritte waren schnell. Fast so schnell, als würde er um sein Leben laufen.

Nach dem Unterricht sah ich zu Allison rüber, die ein Kleid aus ihrem Spind holte. Sie war auf dem Weg zu der Beerdigung ihrer Tante Kate, die vor kurzem gestorben war. In der Zeitung stand, dass sie die gesamte Hale Familie umgebracht hatte. Alle außer Derek, den ich schon einmal mit Scott hatte reden hören. Kate hatte das Haus im Wald angezündet und Dereks Familie vollkommen verbrannt. Mich wunderte daher nicht, dass Derek ein wenig seltsam war. Trotzdem machte er mir Angst. Vielleicht war das der Grund, warum Scott und Allison kein Paar mehr waren, aber wieso hatte Scott dann nichts gesagt? Ein paar Mädchen neben mir tuschelten über Allison. Beschämend sank Allison ihren Kopf. In diesem Moment empfand ich tiefstes Mitleid. Allison konnte gar nichts dafür. Aber die Highschool konnte grausam sein. Fehler waren hier nicht willkommen. Allison schloss ruckartig ihren Spind und verließ mit schnellen Schritten den Korridor.
Eigentlich hatte ich vor mit Stiles oder Scott etwas zu unternehmen, doch Stiles musste Nachsitzen und Scott meinte, er hätte etwas zu erledigen. Erneut fühlte ich mich ausgeschlossen. Schweren Herzens ging ich also allein nach Hause. Ohne Scott. Ohne Stiles. Ohne auch nur nachzufragen, ob wir überhaupt noch Freunde waren.

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