Rumgeistern

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Ich wusch mir die Hände am Waschbecken der Mädchenumkleide. Nach dem Sportunterricht fühlte ich mich völlig ausgelaugt und dreckig, weshalb ich die Hände gründlich mit Seife wusch. Als ich in den Spiegel blickte, erschrak ich. Dort war eine blonde Frau zu sehen. Ich schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Als ich erneut in den Spiegel blickte, war sie weg. Ich legte meine Hand auf den Spiegel und plötzlich befand ich mich irgendwo auf einer Straße in einer Stadt. Ich erblickte die blonde Frau und folgte ihr. “Hallo?“, rief ich, “Warten Sie!“ Meine Beine bewegten sich wie von selbst zum Straßenfest. Musik ertönte aus einem Lautsprecher. Die Leute um mich herum hatten Spaß und lachten. Mein Blick blieb an einem Karussel hängen. Als ein schwarzes Pferd mit Blut auftauchte, wich ich zurück. Ein Mann rannte aus einem der Häuser und verschwand urplötzlich. Die Leute um mich herum begannen panisch zu werden und rannten weg, ehe sie nach und nach einfach verschwanden bis die blonde Frau und ich alleine waren. “Das ist nicht real. Nicht real. Nicht real.“, wiederholte die Frau immer wieder wie ein Mantra. Verzweifelt hielt sie sich den Kopf und redete weiter. Ich ging auf sie zu und blieb neben ihr stehen. Meine Hand berührte ihre Schulter, so dass sie verwundert aufschaute. Ihr Gesicht wechselte ständig zwischen zwei Leuten hin und her. Laut begann ich zu schreien.

“Du hast ein Karussell gesehen.“, wiederholte Malia, was ich gesagt hatte. Sie, Lydia und ich saßen in der Bibliothek, nachdem ich realisiert hatte, dass alles, was ich gesehen hatte nichts anderes war als eine Vision. “Und da war ein Schild, auf dem Canaan stand und Menschen, die in Rauchwolken verschwanden.“, erklärte ich weiter.
“Hast du auch mal nette Träume?“
Genervt verdrehte ich die Augen.
“Wir müssen nach Canaan gehen.“, sagte ich und sah Malia und Lydia an.
“Es wäre hilfreich, wenn wir etwas über den Ort wüssten. Ich rufe dauernd im Rathaus an, aber niemand geht ran. Das, was ich hier gefunden habe ist dreißig Jahre alt.“, meinte Malia.
“Ich wüsste gern, wieso du Visionen hast, die nur Banschees haben können.“, warf Lydia nachdenklich ein. Ich zuckte mit den Schultern.
“Hab doch gesagt, irgendwas stimmt nicht mit mir seit die Schreckensärzte auf die Idee gekommen sind mir etwas in den Nacken zu spritzen, als ich bewusstlos war.“, entgegnete ich.
“Das einzige, das ich bisher über Canaan weiß ist, wo es liegt.“, unterbrach Malia uns und zeigte auf eine Karte.
“Das ist, was wir wissen wollen.“, sagte ich und schnappte mir die Karte. Wir mussten nur noch dahin fahren.

Scott war während der Fahrt eingeschlafen, also rüttelte ich ihn wach. Als er seine Augen öffnete, sah er sich um. “Wo sind wir?“, fragte er.
“Laut GPS ist es genau hier.“, meinte Malia. Scott setzte sich auf und sah aus dem Fenster. Die Stadt war völlig verlassen, wie in meiner Halluzination. Wir stiegen aus Malias Wagen und blickten uns um. Es war eine Geisterstadt. “Das ist es. Canaan ist eine Geisterstadt.“, sagte ich.
“Ich höre nicht einen Herzschlag.“, warf Scott ein.
“Ich rieche keinerlei Gerüche.“, fügte Malia hinzu. Eine Laterne lag auf einem geparkten Auto. Um das Auto herum viele Blätter eines Baumes.
“Wieso schickt Stiles uns hierher?“, fragte Scott verwirrt. Plötzlich ging eine der Laternen einfach an. Ängstlich lief ich einfach weiter und hielt Ausschau nach dem Karussel. Meine Augen hefteten sich an einen Banner über uns. Derselbe Banner, der mir angezeigt hatte, dass es ein Straßenfest gab. “Diesen Ort hab ich in Spiegel gesehen.“, erzählte ich.
Scott, Malia und Lydia gingen an mir vorbei und betrachteten alles. Als ich das Karussel erblickte, ging ich sofort darauf zu. Auch das schwarze Pferd war da. Scott wollte das Karussel betreten, doch auf einmal fing es an sich zu bewegen. Erschrocken wichen wir zurück. Diese Stadt war mehr als gruselig.

Scott betrat eines der Häuser, während ich draußen wartete. Als er jedoch das Haus schnell verließ, nach seiner Mum rief und etwas hinterherrannte, folgten Lydia und ich ihm. Vorsichtig legte Lydia ihm eine Hand auf die Schulter. Scott zuckte zusammen und drehte sich um. “Schon okay. Deine Mum ist nicht hier.“, sagte sie. Scott blickte sich um. “Alles okay.“
“Ich sah sie. Es sah aus, als hätte jemand ein Stück aus ihrem Schädel gebissen.“, erzählte Scott uns.
“Das war nicht real.“, entgegnete ich.
“Es fühlte sich so an.“
“Die Energie hier verursacht Halluzinationen. Wir sollten jetzt gehen.“, warf Lydia ein und ging vor.
“Wir können jetzt nicht gehen. Nicht bis wir wissen, wieso Stiles uns hergeschickt hat.“, erwiderte Scott und folgte ihr.
“Wen sollen wir denn fragen? Hier ist niemand.“
“Vielleicht sollten wir ihn fragen.“, warf Malia ein und zeigte nach vorne auf einen kleinen Jungen.
“Hey!“, rief Scott, doch der Junge lief weg.
“Und was jetzt?“, fragte Lydia.
“Wir müssen ihm folgen.“, meinte ich und rannte los. Die anderen folgten mir. Vor einem Haus blieben wir stehen. Es schien genauso verlassen zu sein, aber drinnen bewegte sich etwas. Vorsichtig betraten wir das Haus und sahen uns um. Alles war noch so eingerichtet, als würde jemand hier wohnen. Lydia klopfte vorsichtig an die Tür. “Hallo?“, rief sie, doch es kam keine Antwort.
“Irgendjemand hier?“, fragte sie.
Erschrocken zuckte ich zusammen, als ich eine Frau im Wohnzimmer stehen sah. “Besucher? Ich glaub es nicht. Wir haben Besucher. Caleb wird sich freuen euch zu sehen. Es ist nämlich schon so lange her seit er jemanden zum Spielen hatte.“, sprach die Frau euphorisch und kam langsam auf uns zu. “Oh, ihr müsst durstig sein. Kommt näher und setzt euch, während ich euch was zu trinken hole.“ Lächelnd ging sie in die Küche und ließ uns verdutzt stehen.
“Ganz ehrlich? Was ist mit der?“, fragte Malia verstört.
“Das ist die Frau, die ich im Spiegel sah.“, erklärte ich und folgte der Frau langsam. Wir setzten uns an den runden Tisch. Wenige Sekunden später stellte die Frau ein Tablett mit Gläsern auf dem Tisch ab. “Das war das Limonadenrezept meiner Mutter. Zumindest soweit ich mich daran erinnere. Wir haben das immer serviert, wenn wir Freunde zu Besuch hatten.“, erzählte sie. Ich nahm eines der Gläser und betrachtete die Limonade, die völlig verdreckt war. Angewidert sah ich zu, wie Malia es einfach trank, als wäre es nicht dreckig. “Wir sind nicht zu Besuch hier. Wir suchen jemanden.“, erklärte sie, nachdem sie ihr Glas abgestellt hatte.
“Einen Freund von uns. Vielleicht haben Sie ihn gesehen. Sein Name ist Stiles.“, machte Scott weiter.
“Es ist eine Weile her seit irgendwer nach Canaan kam.“, erzählte die Frau.
“Wie lange?“, hakte ich nach.
Die Frau antwortete nicht.
“Seit dem 8. April 1987?“, fragte Malia und legte einen Zettel auf dem Tisch ab. Die Frau sah sie sauer an. “Wieso hast du das durcheinander gebracht, das gehört dir nicht.“
“Wir müssen wissen, was passiert ist.“, warf Scott ein.
“Es gab ein Picknick. Eine Gemeindefeier.“
“Scheinbar sind alle übereilt aufgebrochen.“, entgegnete Malia.
“Die Bewohner haben Canaan schon lange verlassen. Das war der Tag, als die letzten von ihnen gingen.“
“Alle auf einmal? Einfach verschwunden?“, fragte Lydia.
“Ich sagte nicht, dass sie verschwunden wären. Ich sagte, sie wären gegangen.“, antwortete die Frau laut und stampfte auf den Boden. Der Tisch begann zu vibrieren.
“Wissen Sie, ob sie in einer Wolke aus grünem Rauch gegangen sind?“, fragte Malia ruhig nach.
“Sie sind einfach gegangen!“, rief die Frau und stand auf. Der ganze Raum schien zu vibrieren.
“Wir wollten Sie nicht aufregen.“, sprach Lydia. “Wir gehen.“ Sie stand auf, was ich ihr gleich tat. Ich wollte keine Sekunde länger bleiben. Schnell verließ ich mit den anderen die Küche, doch auf einmal fiel die Haustür zu und wir kamen nicht raus.
“Niemand wird gehen.“, sagte die Frau bedrohlich, “Niemand wird Canaan verlassen. Nie wieder.“

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