Die seltsamen Glühwürmchen

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Unser Anruf kam etwas zu spät, was uns schnell bewusst wurde. Die Geräusche, die wir durchs Telefon vernahmen, bis Scott aufgelegt hatte waren grauenvoll. Später erfuhren wir, dass Dereks Schwester Cora mit Boyd in dem Tresor war. Erica war somit tatsächlich tot. Blöderweise waren Boyd und Cora ausgebüchst, was ziemlich gefährlich war, wenn man bedachte, dass die beiden seit Monaten keinen Vollmond durchlebt hatten. Sie hätten jeden töten können, der in ihre Nähe kam. Und genau das mussten wir dringend verhindern.
Isaac, Scott und Derek versuchten sie also in dieser Nacht zu finden. Währenddessen bekam Stiles einen Anruf von Lydia, die panisch versuchte zu erklären, dass sie im Schwimmbad eine Leiche entdeckt hatte. Ich fragte gar nicht nach, wieso sie mitten in der Nacht in einem Schwimmbad war, sondern fuhr mit Stiles sofort dorthin. Wie von einer Tarantel gestochen stieg Stiles aus dem Jeep, als wir ankamen, und rief nach Lydia. Vorsichtig folgte ich ihm. Ich brauchte nicht auch noch eine Strafanzeige wegen Einbruchs in einem Schwimmbad.
„Lydia, geht's dir gut?", fragte Stiles besorgt. Lydia zitterte am ganzem Körper und starrte auf den leblosen Körper auf dem Hochsitz für die Bademeister.
„Mir geht's gut", schluchzte sie. „Aber dem da ... wohl eher nicht."
Der junge Teenager war voller Blut und völlig in sich zusammengesackt. Angewidert betrachtete ich ihn. "Ja, ich werde meinen Dad anrufen." Stiles tippte auf seinem Handy rum, doch Lydia unterbrach ihn.
„Ich hab' den Notruf angerufen."
Fassungslos sah er sie an. "Also bevor du mich angerufen hast?"
Lydia nickte. "Es geht um eine Leiche, da soll ich dich zuerst anrufen?"
Stiles sah sie einen Moment lang schweigend an. "Ja!", sagte er dann laut. Bevor ich Lydia beruhigen wollte, die bei Stiles' Schrei zusammenzuckte, entschied ich mich, Scott anzurufen, um ihm von der gefundenen Leiche zu erzählen.
„Ganz sicher, Abby?"
Ich nickte, ehe ich merkte, dass Scott mich am Telefon ja gar nicht sehen konnte.
„Ja. Kehle rausgerissen und überall Blut. Es ist wie in Shining. Wenn zwei Zwillingsschwestern kämen und fragen würden, ob ich für immer mit ihnen spielen wolle, wäre ich nicht überrascht."
Stiles und ich sahen uns definitiv zu viele Horrorfilme an. Doch für weitere Erklärungen war keine Zeit.
„Kannst du denn sicherstellen, dass sie es waren?" Scott redete von Cora und Boyd, doch um ehrlich zu sein hatte ich keine Ahnung. Jedoch war es die einzige Möglichkeit.
„Sicherstellen? Scott, wer läuft denn sonst noch rum und reißt Kehlen raus?"
Mein Ton war etwas sarkastisch. Je mehr Zeit ich mit Stiles verbrachte, desto stärker war mein Sarkasmus. Das musste ich dringend ändern.
„Bitte tu es einfach."
Ich blickte Stiles bittend an. "Stiles, könntest du sicherstellen, dass das hier Boyd und Cora getan haben?"
Stiles sah mich perplex an und sah dann zur Leiche. "Wieso ich?", fragte er.
"Weil ich sicher keine Leiche anfassen werde, geschweige denn auch nur in unmittelbarer Nähe zu ihr stehen möchte."
Stiles gab seufzend nach und sah sich die Leiche genauer an. "Ich denke nicht, dass es jemand anderes war."
Ich nickte und beendete langsam das Gespräch mit Scott. Für uns gab es keine weiteren Zweifel. Es mussten Cora und Boyd gewesen sein.
Es dauerte eine Weile, bis die Polizei auftauchte. Sogar die Eltern des toten Jungen war da. Es musste schrecklich sein zu sehen, dass ihrem Sohn die Kehle rausgerissen wurde. Der Polizist, der mich befragte ließ mich irgendwann stehen und ging zum Sheriff, der mit den Eltern des Opfers redeten. Als ich nach rechts blickte, entdeckte ich das Auto der Argents. Langsam ging ich darauf zu, nachdem ich mich umgesehen hatte und sah Scott auf dem Beifahrersitz sitzen. Mr Argent schaute geschockt auf die Szene, die sich vor seinen Augen abspielte und ließ dann das Fenster runter, als er mich sah. "Waren sie das? Boyd und eh..."
"Cora", beendete ich den Satz. So langsam dämmerte es mir, dass Mr Argent uns helfen sollte, die beiden zu finden. Wer wusste besser wie man zwei unkontrollierte Werwölfe fing als ein Werwolfjäger? Mr Argent blickte Scott an. "Wo hast du sie zuletzt gesehen?"

~

Ich war in den Wagen gestiegen, weil Mr Argent es mir befohlen hatte. Er wollte keine Aufmerksamkeit erzeugen und das wäre passiert, wenn ich mich weiterhin so mit ihm unterhalten hätte. Wenig später standen wir mit Ausrüstung im Wald.
„Ihr verfolgt ihre Fußabdrücke?", fragte Mr Argent. Scott sah ihn nickend an. "Wir versuchen es."
„Dann verschwendet ihr nur Zeit. Es gibt nur eine Kreatur auf Erden, die Fußspuren visuell verfolgen kann. Das ist der Mensch", erklärte Mr Argent. Dabei musste ich kurz grinsen, weil ich feststellte, dass ich doch noch zu etwas nützlich sein könnte. Dass ich dafür einen komischen Blick von Isaac erntete, störte mich diesmal nicht.
„Und wenn man nicht so ausgebildet ist wie ich, weiß man nicht, dass diese Spuren zu Boyd und diese hier-"
"Zu Cora gehören", beendete Isaac den Satz. Er fühlte sich in diesem Moment wahrscheinlich sehr schlau, doch Mr Argent machte ihm das schnell wieder kaputt.
„Nein, zu euch."
Kichernd hielt ich mir den Mund zu. Isaac sah peinlich berührt zu Boden und hielt den Mund. "Coras habt ihr zertrampelt, als ihr hier lang gelaufen seid. Hört zu, ich weiß, dass ihr drei die Hälfte eurer Kräfte allein darauf konzentriert euer Verlangen an Vollmond zu unterdrücken, aber damit liegt ihr gegenüber Boyd und Cora kein Nachteil, denn die haben sich ganz dem überlassen. Sie geben Vollgas während ihr kaum die Geschwindigkeitsbegrenzung erreicht."
Derek verschränkte die Arme. "Was sollen wir tun?" Fragend sah ich Mr Argent an.
„Konzentriert euch auf euren Geruchssinn. Denn Wölfe sind dafür bekannt, ihre Beute bis zu 160 km pro Tag per Geruch zu verfolgen. Und der trainierte Jäger kann Gerüche verwenden, um sie zu fangen. Wenn der Wind mit ihnen ist, wittern Wölfe einen Geruch über 3km. Somit können wir sie zu uns locken. Oder in eine Falle."
Mr Argent warf Scott ein großes Netz zu.
„Der Vollmond gibt uns einen Vorteil. Sie werden eine höhere Körpertemperatur haben. Dadurch sind sie leichter per Infrarot aufzuspüren."
"Danke, aber das kann ich selbst." Dereks Augen fingen an rot zu glühen. Dadurch brauchte er keine Infrarotbrille.
"Denkt daran, wir jagen keine wilden Tiere. Unter diesen Impulsen stecken zwei intelligente Menschen. Denkt nicht, sie könnten nicht ihre menschliche Seite anzapfen. Sie ist unterdrückt, aber sie ist vorhanden. Sie erinnert sie daran, wie man den Geruch überdeckt, Spuren verwischt und wie man überlebt."
Zu fünft standen wir auf dem Hügel von Beacon Hills, von wo aus man auf die ganze Stadt schauen konnte. Wären wir nicht in dieser Situation, hätte ich es wunderschön gefunden, wie man jedes einzelne Licht erkennen konnte.
„Wann hast du deine Schwester das letzte mal gesehen?", fragte Mr Argent an Derek gewandt.
"Schon Jahre her. Ich dachte, sie starb im Feuer." Mitleidig sah ich ihn an. Man konnte von Derek halten, was man wollte, aber er hatte seine Schwester jahrelang nicht gesehen. Diese Zeit musste unerträglich gewesen sein.
„Denkst du, du kannst noch ihren Geruch abrufen?" Derek schüttelte betrübt den Kopf. "Scott, wie sicher bist du dir deiner Fähigkeiten?"
"Ganz ehrlich? Meistens versuch' ich nicht darüber nachzudenken, was ich alles zu riechen vermag."
"Alles klar. Das Problem ist, wenn sie die Wälder verlassen und die Wohngebiete aufsuchen. Sobald sie die Highschool hinter sich haben, sind sie mitten in Beacon Hills."
Und das würde zu einer Menge Toten führen. Isaac runzelte die Stirn. "Sie werden doch nicht alles töten, was sie sehen oder?"
Mr Argent sah uns unsicher an. "Nein. Aber dennoch gibt es da einen wichtigen Unterschied. Wölfe jagen nach Nahrung und ab einem bestimmten Punkt sind sie satt. Boyd und Cora jagen aus Vergnügen am töten. Für eine, sagen wir, primitive spitzen private Befriedigung, die mit dem Reißen eines warmen Körpers in blutige Fetzen ein hergeht."
So genau musste ich es dann doch nicht wissen. "Und wer weiß, wann dieses Bedürfnis befriedigt ist."
Ich sah ihn an. "Wir können sie nicht töten", sagte ich entschieden. „Aber was, wenn ihr sie nicht fangen könnt?"
Mr Argent schaute auf die Stadt vor uns.
"Dann versuchen wir, sie zu bedrängen. Nachts ist niemand in der Schule, richtig?"
Ich nickte.
"Sie wollen sie einsperren?", hakte Derek nach.
"Wenn es dort eine Tür gibt, die stark genug ist. Keine Fenster oder andere Fluchtmöglichkeiten." Isaac dachte kurz nach. "Der Heizungskeller? Der hat nur eine große Stahltür."
Er war ja doch ein schlaues Kerlchen.
"Und da ist jetzt niemand mehr?"
Scott schüttelte den Kopf. "Ich glaub' nicht. So spät kann da niemand mehr sein, richtig?"

~

Da ich eine Nachricht von Stiles bekam, brachte mich Mr Argent ins Krankenhaus, bevor er und die anderen weiter versuchten, Boyd und Erica zu fangen. Vor dem Krankenhaus zog Stiles mich schnell ins Gebäude zu Mrs McCall, die am Tresen stand und auf eine Akte schaute. Kurz begrüßte sie uns, ehe sie uns in den Leichensaal führte.
„Wenn ihr irgendjemandem erzählt, dass ich euch das gezeigt habe, werde ich euch schmerzhaft und langsam umbringen."
Schnell nickten wir.
"Die Leiche haben wir doch schon gesehen", sagte Stiles.
"Aber ihr habt nicht alles gesehen." Mrs McCall nahm das Tuch von dem Jungen, den Lydia im Schwimmbad gefunden hatte. "Hier am Hals, seht ihr das? Das ist ein Würgemal. Es bedeutet, dass er mit etwas stranguliert wurde. Mit einem Strick oder einem Kabel."
Verwirrt sahen wir sie an.
„Okay, warten Sie, strangulierende Werwölfe? Das ist nicht wirklich werwölfisch", fing Stiles an.
"Genau das dachte ich auch. Und dann noch das hier." Mrs McCall hob den Kopf, aus dem noch Blut herauskam, weswegen Stiles angewidert wegschaute. "Oh gott man, was ist das? Ist das Gehirnmasse?" Ich schaute auf die Wunde am Kopf, die weit geöffnet war.
"Ja das ist Gehirnmasse", bestätigte ich angeekelt.
"Seht ihr die Vertiefung? Er wurde auf den Hinterkopf geschlagen. Hart genug, um ihn zu töten. Also jede Verletzung für sich hätte ihn schon töten können. Ich meine, jemand wollte diesen Jungen unbedingt töten."
Ich sah auf die Leiche.
"Ja, aber dann können es Boyd oder Cora nicht gewesen sein. Die hätten das nicht getan. Also vielleicht nur ein normaler Mord? Ich meine, vielleicht ist das ja nur ein Zufall", sagte ich. Mrs McCall sah uns weniger begeistert an.
„Das glaube ich eher nicht."
Fragend sah Stiles sie an. "Warum?"
"Wegen des Mädchens dort. Sie hat genau die gleichen Verletzungen."
Mrs McCall ging zu der anderen Leiche und nahm das Tuch weg. Stiles schaute fassungslos auf den leblosen Körper. "Der Gerichtsmediziner sagte, sie wurde nicht nur stranguliert. Der Täter hat eine Garotte genutzt, eine Art Stock, den man durch das Seil zieht und einfach immer nur weiter herumdreht und-"
Sie brach ab, als sie Stiles' Gesicht sah. "Stiles? Oh mein Gott kanntest du sie?"
Stiles nickte benommen.
„Es tut mir so leid." Schnell bedeckte sie das tote Mädchen. "Ich hab nicht nachgedacht."
Stiles starrte das Mädchen vor uns weiter an.
"Ich war ... ich war auf ihrer Party. Es war ihr Geburtstag. Ihr Name ist Heather." Stiles bekam Tränen in den Augen, welche er mit dem Ärmel seiner Jacke sofort wegwischte. Mitfühlend strich ich über seinen Rücken.
„Okay, wir müssen deinen Vater anrufen. Du bist ein Zeuge", sagte Mrs McCall. Stiles sah sich auf einmal um. Sein Gesicht war bleich. Er schien eine Idee zu haben.
„Wurde hier heute Abend noch jemand eingeliefert? Irgendwelche anderen Leichen oder Vermisste." Scotts Mutter schüttelte den Kopf. "Keine Leichen, aber ... aber ehm ... zwei Mädchen. Eins ist wegen einer toxikologischen Untersuchung hier. Und dann hörte ich, dass ihre Freundin Emily einfach so verschwunden ist. Sie war draußen in den Wäldern und sie-"
"Und man hat sie nicht gefunden?"
"Das weiß ich nicht."
"Okay, die erste eh..."
"Caytlin."
"Ja ehm ist sie hier? Ist sie jetzt hier?", fragte Stiles aufgeregt.
"Ich denke schon, wieso?"
"Gut, wo?"
"Okay warte, warte eine Sekunde." Mrs McCall hielt ihn auf, als er gehen wollte.
Fragend sah ich Stiles an. "Ja, was ist los?"
"Ich muss mit ihr reden."
"Wieso?", hakte ich nach.
"Ich glaube, ich weiß, was passiert."

~

Wir sprachen mit dem Mädchen in ihrem Krankenzimmer. Sie schien immer noch verstört zu sein, was ich ihr nicht verübeln konnte. "Wir haben überhaupt nichts schlimmes getan, ich mein' ich hab da schon oft gezeltet."
"Und wieso heute Nacht?", fragte Stiles. Ich wusste immer noch nicht, worauf er hinaus wollte, also schwieg ich und hörte einfach zu.
„Wir wollten einfach mal eine Nacht lang allein sein. Emily lebt noch bei ihrer Mum und ich hab drei Mitbewohner. Das sind nicht gerade romantische Orte. Du weißt schon."
"Wie lange seid ihr zusammen?"
"Drei Monate."
"Und ihr wolltet es romantisch haben?", fragte Stiles weiter.
"Nun ja es ist...es ist weil ehm..."
"Es war ihr erstes Mal, hm?"
"Sie werden sie doch finden oder? Ich hoffe es sehr."

~

Was Stiles damit sagen wollte war eindeutig. Scott kam später zu uns und erzählte, dass sie Boyd und Cora gefunden hatten. Im Gegenzug berichteten wir Scott von unserem Verdacht.
„Also haben Boyd und Cora niemanden getötet?", fragte Scott nach.
Ich schüttelte den Kopf.
„Wär es mal so gewesen", murmelte Stiles noch angeschlagen.
"Wieso?", fragte Scott weiter.
"Tja, Stiles ist sich noch nicht ganz sicher, aber das andere Mädchen in den Wäldern, diese Emily, sie werden sie finden. Sie ist eine von ihnen. Emily, Heather, der Typ, den Lydia am Pool gefunden hat, sie alle drei waren noch Jungfrauen. Und alle drei werden die gleichen Verletzungen aufweisen. Stranguliert, Kehle aufgeschlitzt und Schädel eingeschlagen. Einen dreifachen Tod."
Scott hörte mir genau zu.
"Also wenn das keine zufälligen Morde sind, was dann?"
Stiles sah ihn an.
"Es sind Opfer. Menschenopfer."

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