Auge um Auge

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Derek Hale war verschwunden. Seit den Ereignissen, die in seinem Loft passiert waren, Boyds Tod vor allem, verleihten ihn dazu abzuhauen. Er war der Meinung, dass alle um ihn herum verletzt wurden. Möglicherweise stimmte das, aber es war nicht seine Schuld. Alles, was ich über Derek gedacht hatte, erstrahlte nun in neuem Licht. Während Scott versuchte, mit Allison herauszufinden, warum das Rudel hinter Scott her war, statt wie wir vermuteten hinter Derek, wollten Stiles, Cora und ich versuchen Derek zu finden. Noch in der selben Nacht erzählte Cora uns etwas über Derek. Er war damals noch ein Teenager. Er und Peter versteckten sich damals vor den Werwolfjägern.
„Sie versteckten sich und warteten dort. Das wurde uns beigebracht, wenn die Jäger nach uns suchten. Verstecken und heilen."
Ich saß auf dem Boden an einer Wand gelehnt, während Stiles es bevorzugte zu stehen und auf und ab zu gehen.
„Okay, sind zwei Tage dabei der Standard? Oder war es bei Derek eher so 'ne Art verlängerte Flucht?" Cora drehte sich zu Stiles um und sah ihn an. "Wieso interessiert dich das?"
Stiles verschränkte die Arme. "Naja also ich denke, weil mein bester Freund neulich versuchte, sich selbst umzubringen, sein Boss beinahe rituel geopfert wurde, ein Mädchen, das ich kenne seitdem ich drei Jahre alt war wirklich einem Ritual zum Opfer gefallen ist und Boyd von den Alphas getötet wurde. Soll ich weiter reden? Denn das kann ich, klar? Von mir aus stundenlang."
Seufzend stand ich auf und stellte mich zu Stiles. "Du denkst, Derek konnte da irgendetwas tun?", fragte Cora.
"Da er derjenige ist hinter dem alle her zu sein scheinen, sollte er etwas dagegen tun." Stiles begann wieder auf und ab zu laufen.
"Ich weiß nicht", begann Cora wieder. „So kenne ich meinen Bruder gar nicht."
Ich kannte Derek nicht anders. Aber diese eine Nacht hatte alles verändert.
„Irgendwas hat ihn stark verändert."
Ich blickte sie an. "Wie war er denn?"
Peter kam die Treppe herunter und kam zu uns.
"Er ähnelte Scott", sagte er,."Fast wie die meisten Teenager. Unerträglich romantisch und ungemein narzisstisch. Also im Grunde nur für die anderen Teenager erträglich."
Stiles ging einen Schritt vor. „Was dann? Was hat ihn verändert?"
Peter brauchte nicht lange zu überlegen. "Nun das gleiche, was viele junge Männer verändert. Ein Mädchen."
Ungläubig sah Stiles ihn an. „Und ihretwegen ist sein kleines Herz gebrochen? Deshalb ist Derek wie er ist?"
Peter blickte Cora an. "Erinnerst du dich noch an die Augenfarbe, bevor er zum Alpha wurde?" Dann sah Peter zu Stiles und mir. "Weshalb haben einige Wölfe blaue Augen?"
Stiles zuckte die Schultern. "Ich dachte, es wär 'ne genetische Sache."
Peter redete weiter. "Um zu wissen was ihn verändert hat, solltet ihr wissen, was seine Augenfarbe verändert hat."

~

Peter erzählte uns von einem Mädchen, in das sich Derek verliebt hatte. Sie war musikalisch und probte gerade, als er sie das erste Mal traf. "Also wenn Derek damals ein Zehntklässler war, wie alt war er da?", fragte Stiles. "Wie alt warst du?"
Peter saß auf dem Sofa und blickte uns einfach nur an. Stiles schaute Peter komisch an und fragte weiter:"Wie alt bist du jetzt?"
Endlich fing Peter dann an zu reden. "Nicht so jung wie wir hätten sein müssen, aber nicht so alt wie du vielleicht denkst."
Das reichte mir. "Okay das war frustrierend vage. Wie alt bist du?", fragte Stiles an Cora gewandt. Ich verdrehte die Augen. War doch egal wie alt sie war. "17.", begann sie.
Stiles sah zu Peter. "Das ist eine Antwort. So antworten normale Leute."
Doch Cora war gar nicht fertig gewesen. "Eh, 17 Jahre in deiner Zeitrechnung."
Stiles hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. "Schon gut, ich lass es einfach."
Um auf das richtige Thema zurückzukommen unterbrach ich das Gespräch. "Was geschah mit Derek und dem Mädchen?", fragte ich Peter.
„Ja was glaubst du denn? Sie waren doch Teenager. Am Anfang heißt es noch, ich hasse dich, rede nicht mit mir und danach ist es ein wildes Gefummel in jeder dunklen Ecke, die sie fünf Minuten endlich für sich allein haben. Ihr liebster dunkelste Ort war eine verlassene Schnapsbrennerei außerhalb von Beacon Hills."
Stiles unterbrach die Geschichte. "Okay moment mal. Woher weißt du das alles?" Diese Frage war durchaus berechtigt. "Du sagtest doch, sie waren allein?"
„Damals war ich nicht nur Dereks Onkel, auch sein bester Freund. Sein engster Vertrauter. Und daher weiß ich es." Er erzählte uns von Anis, der jemanden aus seinem Rudel verlor, weil die Argents diesen jemand töteten. Er wollte sich dafür an den Jägern rächen. Peter zeichnete einen Kringel auf die beschlagene Fensterscheibe. Er war mittlerweile aufgestanden und lief im Raum herum. "Unser Zeichen für Vendetta."
"Oh man ihr Leute bringt diese ganze Vergeltungssache auf ein ganz neues Level, richtig?", sagte Stiles.
"Hör zu, es ist nicht nur Vergeltung. Im Rudel ist es nicht so, als würde man ein Familienmitglied verlieren, sondern ein Körperteil", widersprach Cora. Ich sah wieder zu Peter.
"Er durfte nicht mal die Leiche sehen."
Ich schüttelte kurz den Kopf. "Ich kapier's nicht. Was hat das denn mit Derek zu tun?"
Fragend sah ich Peter an. "Alles. Es gibt nie nur einen Moment. Es ist ein Zusammenfluss aller Ereignisse. Ich persönlich hab mir Anis' Umstände angesehen und sah tiefschürfenden Verlust. Derek sah etwas anderes. Er sah eine Möglichkeit."
Stiles sah Peter nun auch wieder an. "Eine Möglichkeit für was?"
"Immer mit ihr zusammen zu sein. Doch da war diese konstante Angst. Er war besessen davon, dachte darüber nach die ganze Nacht, den ganzen Tag über, es war immer präsent."
Derek wollte das Mädchen in einen Werwolf verwandeln, damit sie immer zusammen sein konnten.
"Ich sagte immer wieder, er soll es nicht tun. Doch je mehr er darüber nachdachte, desto überzeugter wurde er. Nun ja, Teenager. Vielleicht gibt er mir die Schuld. Er hat sich wahrscheinlich eingeredet die ganze Sache wäre meine Idee gewesen."
"Sie halten unsere Verbindung zur Menschlichkeit aufrecht, aber sie sind sogar im Rudel ein Geheimnis. Manchmal weiß nur der Alpha wer der Abgesandte ist", erklärte Cora im Zusammenhang mit der ganzen Geschichte. "Derek und ich hatten keine Ahnung von Deaton."
"Oder seiner Schwester. Maurel", fügte Peter hinzu.
"Sie ist auch eine Abgesandte?", fragte ich verblüfft.
"Für das Alpharudel", antwortete Peter.
"Warte. Unsere Vertrauenslehrerin? Verflixt, wieso erzählt mir keiner von euch solche Dinge? Schließlich hab ich ihr ein paar wirklich intime Dinge anvertraut", sagte Stiles perplex.
„Und halfen ihre Ratschläge?", fragte Cora.
Stiles überlegte kurz ehe er antwortete. "Eigentlich schon."
Ich sah zu Peter.
„Das ist es, was sie tun", erzählte dieser. "Das ist es, was Deaton für Talia getan hat."
Peter erzählte weiter, doch Cora unterbrach ihn. "Anis? Wieso sollte man ihn auswählen?"
"Wieso denn nicht? Anis hat für sein Rudel ein neues Mitglied gebraucht. Paige war jung und stark. Und Derek einen Gefallen zu tun bedeutete Anis würde bei Talia gut darstehen. Damals wollte jeder bei ihr gut darstehen."
Ich sammelte mich kurz und sah dann Peter an.
"Er weiß nicht mehr, dass es Anis war oder?"
"Und wenn doch, behält er es für sich."
"Was ist dann passiert? Hat er sie verwandelt?"
"Beinahe. Er griff Anis an. Ein fünfzehnjähriger Bursche gegen einen Giganten. Es gab keinen Grund für ihn zu kämpfen. Sie wurde bereits gebissen."
"Also hat Paige sich verwandelt?", fragte Cora.
"Das hätte sie sollen. Meistens funktioniert der Biss. Meistens ja."
Stiles sah verwirrt zu Peter. „Als du ihn mir angeboten hast, sagtest du, wenn es dich nicht tötet." Peter nickte bedrückt. „Wenn."
Paige starb in Dereks Armen, nachdem sie gebissen wurde. Peter war ihnen gefolgt und Derek fragte ihn, was mit ihr passierte.
„Er kannte die Antwort bereits. Es war egal, dass sie jung und stark war. Manche Menschen sind nicht dafür geschaffen. Sie kämpfte. Wehrte sich verzweifelt. Sie wollte überleben."
Derek tötete Paige selbst endgültig, damit sie sich nicht quälen musste.
„Ich weiß noch, als ich ihm die Leiche aus dem Arm nahm und sie in den Wäldern an einen Ort brachte, von dem ich wusste, dass man sie dort finden würde. Ein weiterer in einer langen Reihe von Beacon Hills Tierangriffen."
Cora sah ihren Onkel an. "Was ist mit Derek?"
Peter schaute zu Boden. "Ein unschuldiges Leben zu nehmen, nimmt auch etwas von dir. Ein Teil deiner Seele ist dunkel. Trübt ein einst blendenes gelb in ein kaltes stählernes blau. Wie das hier."
Peters Augen färbten sich blau, als er uns ansah. Es war tatsächlich ein sehr kühles blau.

~

Nachdem wir die ganze Geschichte gehört hatten, setzten wir uns und dachten nach. Fassunglos darüber was wir eben gehört hatten.
„Was? Was ist das für ein Ausdruck in deinem Gesicht?", fragte Cora, als sie auf Stiles blickte. Er sah völlig nachdenklich aus. Wahrscheinlich verarbeitete er gerade die ganze Geschichte.
„Was für ein Ausdruck?"
Cora seufzte. "Ein Ausdruck für den ich dich schlagen könnte", sagte sie.
„Oh mein Gott, du bist echt Dereks Schwester. Ich vergaß."
Ich sah ihn nun auch an. "Jetzt sag schon, was hast du?"
"Ich glaube ihm nicht."
Verdutzt sah ich ihn an. Stiles drehte sich zu uns. "Okay, in Miss Blakes Klasse haben wir Herz der Finsternis gelesen. Es ist in der ersten Person geschrieben. Und zwar von Marlon. Das Ding ist, dass er ein unglaubwürdiger Erzähler ist. Nur dass sich wegen seiner Perspektive die Details verändert haben."
Das wusste ich zwar alles, weil ich in seiner Klasse war, also wusste ich langsam, was er damit sagen wollte.
„Und wir kennen die Geschichte aus Peters Perspektive", sagte Cora.
"Ich schätze, das ist nicht die ganze Geschichte."
Ich sah ihn an. „Also willst du Derek einfach nach dem Mädchen fragen, in das er sich verliebte und dann tötete?"
Stiles sah zu Boden. "Wenn es sein muss. Ja."

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