Ouroboros

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Meine Augen ließen sich kaum öffnen. Meine Augenlider fühlten sich schwer und träge an. In meinem Kopf drehte sich alles. Als ich meine Arme bewegen wollte, merkte ich, dass ich es nicht konnte. Sie waren angekettet. Genauso wie meine Beine. Ich hörte wie jemand meinen Namen sagte, aber ich vernahm es nur schwach. Ich versuchte mich daran zu erinnern, was passiert war. Ich wusste, dass wir versucht hatten Hayden zu beschützen und dass Scott und Lydia ihre Tabletten aus dem Spind holen wollten, weil sie sie vergessen hatte. Liam, Hayden und ich waren allein. Hayden. Es fiel mir wieder ein. Die Schreckensärzte kamen, um Hayden zu holen. Vorsichtig versuchte ich meinen Kopf zu bewegen und sah dann in Isaacs Gesicht. “Alles in Ordnung?“, fragte Isaac mich sofort.
“Soll ich diese Frage ehrlich beantworten?“, stellte ich die Gegenfrage.
“Scheinbar geht es dir nicht so schlecht wie ich dachte, wenn du deinen Sarkasmus noch raushängen lassen kannst.“
Mein Blick glitt zu Hayden, die auf einem Tisch lag. Um sie herum die Schreckensärzte. Mein Herz begann sofort schneller zu schlagen. “Wo ist Liam?“, fragte ich und versuchte mich umzusehen. Ich vernahm immer noch alles verschwommen.
“Ihre Kondition verschlechtert sich.“, hörte ich einen der Maskierten sagen.
“Stopp!“, rief jemand. Erst nach wenigen Sekunden realisierte ich, dass es sich um Liam handeln musste. Erleichtert atmete ich aus. Es hieß, dass er lebte. “Tun Sie ihr nicht weh! Sie dürfen ihr nicht wehtun!“, rief Liam laut. Einer der Typen ging langsam auf ihn zu, nur um ihm dann ins Gesicht zu treten. Liam stöhnte vor Schmerz auf. Wenig später legten sie Hayden neben Liam. “Hayden? Alles ok?“, fragte Liam sie.
“Es tut weh.“, sagte sie und krümmte sich.
“Gib mir deine Hand. Ich versuch das, was Scott kann. Er kann den Schmerz nehmen. Ich hab das noch nie gemacht, aber ich versuche es.“ Liam griff nach ihrer Hand und Hayden nickte. Aber es klappte nicht. “Sorry.“, entschuldigte er sich sofort.
“Warum tun sie uns das an?“, fragte Hayden ängstlich.
“Keine Ahnung.“ Liam hielt ihre Hand trotzdem. Auch wenn er ihr den Schmerz nicht nehmen konnte.

Während Hayden versuchte einen Schlauch aus Liams Arm zu bekommen, versuchte ich das gleiche bei Isaac. Beide stöhnten schmerzerfüllt auf. Als der Schlauch endlich draußen war, hielt Isaac sich das Loch in seinem Arm zu. “Tut mir leid.“, sagte ich sofort.
“Schon gut. Es wird heilen.“, entgegnete Isaac und lächelte leicht. Dann weiteten sich seine Augen. “Nein!“, sagte er, doch es war schon zu spät. Erschrocken schrie ich auf, als ich einen Stich in meinem Hals wahrnahm. “Abby!“, schrie Isaac und wollte helfen, doch er wurde von den maskierten Typen aufgehalten. Ein paar Sekunden später wurde wieder alles schwarz.

“Abby.“, nahm ich eine Stimme wahr. “Abby, wach auf.“ Schnell schreckte ich auf und sah mich panisch um. “Hey, alles gut. Ich bin es nur.“ Erleichtert blickte ich in Isaacs Gesicht. Unsere Arme und Beine waren nicht mehr gefesselt, sondern wir konnten uns frei bewegen. Reflexartig packte ich mir an den Hals. “Wenn die mich zu einer Chimäre machen, ich schwör bei Gott, dann bring ich sie um.“, sagte ich sauer. Isaac blickte mich überrascht an. “Ja, klingt nach einem super Plan. Bin dabei. Zumindest wenn sie uns vorher nicht töten.“, entgegnete er.
“Wo sind wir?“, fragte Hayden.
Vorsichtig sah ich mich um. Wir waren in einem dunklen Raum. Liam stand auf und ging auf ein Gitter zu, doch als er es anfasste, schrie er auf und wich zurück. Ein Lachen brachte mich zum zusammenzucken.
“Entschuldigung. Ich hätte euch warnen sollen.“, sagte jemand. Beim genaueren Hinsehen erkannte ich einen Jungen. “Wer bist du?“, fragte ich verwirrt.
“Mein Name ist Zack. Ich denke, die bessere Frage wäre, was ich bin. Schon okay, ich bin wie ihr. Eines ihrer Experimente.“, erklärte Zack.
Isaac und ich tauschten Blicke. “Hey, vielleicht könnt ihr mir bei etwas helfen. Die Kerle in den Masken, sie haben etwas von meinem Rücken entfernt. Ich weiß nicht, was es war, aber ich fühle, dass ein Teil davon noch da ist.“ Zack robbte sich so weit es ging nach vorne zu uns.
“Sollen wir nachsehen?“, fragte Liam vorsichtig.
“Ist das okay?“, fragte Zack. Liam nickte. Der Junge drehte sich vorsichtig um und hob sein Shirt an. Mir gefror das Blut in den Adern, als ich sah, was es war. Man hatte ihm die Flügel gestutzt. Ich zuckte zusammen, als die Rückstände anfingen sich schnell zu bewegen, als ob er jeden Moment losfliegen würde. Mein Mund öffnete sich, doch es kam kein Ton raus. Auch Isaac schien völlig verstört zu sein.

Liam versuchte die ganze Zeit das Gitter anzufassen, doch es endete jedes Mal mit einem Stromschlag, was Zack sehr amüsierte. “Wir kommen hier nicht raus.“, lachte er.
“Du könntest etwas optimistischer sein.“, merkte Hayden an. Liam gab es auf und setzte sich prompt neben sie.
“Nicht, wenn man zusehen musste wie drei Leute hier schreiend rausgeschleift wurden.“
“Was passierte mit ihnen?“, stellte Isaac die Frage, die uns alle beschäftigte.
“Sie waren Fehlschläge. So sagten sie. Zuerst vergisst man. Man weiß nicht, wer man ist oder was man tut. Dann wird man gewalttätig. Zwei von ihnen haben sich fast gegenseitig getötet. Und einer von ihnen hatte so eine fies aussehende Verletzung. So wie deine.“ Ich blickte zu Hayden, die ihre Verletzung schnell mit ihrem Shirt bedeckte. “Keine Sorge, schwarz ist okay. Es ist erst wirklich vorbei, wenn man anderes Zeug blutet. Wenn es anfängt silber zu werden.“
“Quicksilber.“, sagte ich und erinnerte mich an Tracy, die ebenfalls Quicksilber blutete, als sie starb.
“Dann wissen sie nämlich, dass man ein Fehlschlag ist.“, machte Zack weiter.
“Wie viele weitere Fehlschläge soll es denn noch geben?“
“Wer weiß, aber fragt ihr euch denn nicht wie dann erst der Erfolg aussehen wird? Ich meine, in was werden wir uns alle eigentlich verwandeln? Irgendwas mit Krallen und Fangzähnen?“
“Irgendwas mit Flügeln?“, fragte Liam. Ein Schauer durchfuhr meinen Rücken, als ich daran dachte, dass mir dasselbe passieren konnte. Ich schluckte und sah die anderen an. “Oder irgendwas schlimmeres.“

Es verging eine Weile bis ich Geräusche wahrnahm. “Sie kommen.“, sagte Zack nervös. Aus seiner Nase kam Quicksilber, was ihn panisch werden ließ. “Oh Gott. Nein.“, sagte er und wich automatisch zurück, als einer der Schreckensärzte in den Raum kam. “Lassen Sie ihn in Ruhe!“, rief Liam und wollte aufstehen, aber etwas hielt ihn zurück. Isaac versuchte es ebenfalls, aber es gelang ihm nicht. “Nein! Helft mir!“, schrie Zack und wurde kurzerhand hinausgezerrt. Erschrocken sah ich ihnen nach. Und ich betete, dass Scott und die anderen uns bald fanden.

Müde lehnte ich meinen Kopf an Isaacs Schulter. Der Gedanke einer ihrer Fehlschläge zu sein machte mir genauso Angst wie eine Chimäre zu werden. “Sie kommen zurück.“, bemerkte Liam und half Hayden aufzustehen. Isaac und ich standen ebenfalls auf. Reflexartig griff ich nach Isaacs Hand und hielt sie fest. Ich brauchte einen Anker und im Moment war es Isaac. “Liam? Hayden?“, rief eine mir bekannte Stimme. Die Person trat näher an das Gitter und blickte uns an. “Abby? Isaac?“ Erleichtert atmete ich aus, als ich sah, dass es Theo war. “Theo, nein warte!“, rief Liam laut, doch es war zu spät. Theo griff das Gitter und bekam einen Stromschlag, der ihn bewusstlos machte.
“Theo! Theo, alles in Ordnung?“, fragte ich und blickte zu ihm runter.
“Ja.“, antwortete Theo und setzte sich langsam auf. “Ja, alles gut.“
“Denkst du, du kannst Hilfe holen?“, fragte Liam.
“Ich bin die Hilfe.“, antwortete Theo und griff erneut an das Gitter. Hayden, Liam, Isaac und ich wichen automatisch zurück, als Funken sprühten. Ängstlich sah ich die anderen an. Es dauerte nicht lange und Theo hatte uns wirklich gerettet.

Hayden krümmte sich auf der Rückbank des Autos vor Schmerzen, was nicht gerade fördernd für unsere Situation war. Liam blickte auf die Wunde an ihrem Bauch. “Tut es noch weh?“, fragte er sanft.
“Ja, überall. Ich heile nicht. Nicht so wie zuvor. Also bin ich ein Fehlschlag, richtig?“, fragte Hayden ängstlich. Statt zu antworten küsste Liam sie einfach. Peinlich berührt blickte ich aus dem Fenster. “Er ist weg. Der Schmerz ist weg.“, hörte ich Hayden dann sagen. “Wie ging das?“ Liam sah sie ratlos an. “Keine Ahnung.“ Ich blickte in den Rückspiegel des Autos, um Isaac anzusehen. Er blickte mir direkt in die Augen, so dass mir etwas klar wurde. Etwas, worüber ich später weiter nachdenken würde.
Bei Scott im Haus angekommen, schliefen Liam und Hayden auf dem Sofa ein. Isaac und ich saßen am Tisch und warteten, dass die anderen kamen. Als sich die Tür öffnete, stand ich sofort auf. Scott blickte uns nacheinander an. Erleichtert lief ich auf meinen besten Freund zu und umarmte ihn fest. Zum ersten mal in meinem Leben war ich mehr als nur froh meine Freunde zu sehen.

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