Der Fux und der Wolf

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Stiles war verschwunden und das beunruhigte nicht nur mich, sondern auch Scott. Kira sah sich das alte Foto an, welches wir mitbrachten. Es war aus dem Jahr 1943. Die Frau auf dem Bild sah aus wie sie, was ziemlich gruselig war. “Sie sieht ja aus wie ich. Das muss meine Großmutter sein.“, sagte sie. Kiras Zimmer war sehr mädchenhaft eingerichtet. Es erinnerte mich an mein eigenes. “Wir haben dir von Malia erzählt. Sie ist die letzte, die Stiles im Eichenhaus sah.“, erzählte ich ihr.
“Dieses Bild und das hier fanden sie bei einer Leiche, die in der Wand verborgen war.“, erklärte Scott. Er nahm auch das Schwert hervor und zeigte es ihr. “Das gleiche Zeichen, das uns die Oni einbrannten, war auf dieser Wand.“, sagte er.
“Sieht aus als würde das alles zu deiner Familie zurückführen. Deine Großmutter, deine Mum...“ Ich setzte mich neben Kira aufs Bett und blickte sie an. Ihr Handy vibrierte, weshalb sie es in die Hand nahm und die Nachricht las, die sie bekommen hatte. Sie sah besorgt aus. “Was ist?“, fragte ich.
“Mein Dad.“
Wir rannten förmlich in die Schule und stürmten in den Klassenraum. Kiras Vater schien zu ersticken und seine Frau stand neben ihm und versuchte zu helfen. “Kira, hast du es dabei?“, fragte ihre Mutter, als sie uns sah. Kira lief auf ihren Vater zu und reichte ihrer Mutter ein kleines Fläschchen. “Sagst du mir, was das ist?“, fragte Kira.
“Reishi.“, antwortete sie.
“Du gibst doch Dad jetzt nicht magic mushroom.“ Ihre Mutter antwortete nicht, sondern gab ihrem Mann die Flüssigkeit aus dem Fläschchen. Kiras Vater hustete kurz und spuckte dann etwas in ein Taschentuch. “Stiles hat das getan?“, fragte Scott.
“Er wollte den letzten Kaiken.“ Sie zeigte uns ein schwarzes Messer. “Ich habe ihn bei mir getragen seit euer Freund verschwunden ist.“ Kira sah ihre Mutter eindringlich an.
“Mum, du musst mit uns reden. Und zwar über alles.“ Kira hatte recht. Wenn sie etwas wussten, mussten sie mit uns reden. Ich holte das Foto, das die Polizei gefunden hatte aus meiner Jackentasche und zeigte es Kiras Mutter. “Wo hast du das her?“, fragte sie und nahm es mir aus der Hand. “Ist das Großmutter?“, fragte Kira.
“Nein“, antwortete ihre Mutter. “Das bin ich.“ Scott blickte sie an.
“Wenn Sie das sind, dann müssten sie 90 Jahre alt sein.“, sagte er.
“Ich würde eher sagen 900.“ Mir klappte die Kinnlade runter, als ich das hörte. Auch Kira war sehr geschockt darüber.
“Okay, schon klar. Wieso nicht. Dad wie alt bist du?“, stammelte Kira.
“43. Ich weiß, ich seh aus wie Mitte dreißig.“ Er versuchte witzig zu sein und das ganze aufzulockern, aber vergeblich. Kira gab ihren Eltern das Schwert. Ihre Mutter betrachtete es und brach es auseinander. Im Inneren befanden sich Scherben. “Sie wurde zerbrochen, als sie das letzte Mal benutzt wurde.“, erklärte sie. “Und wann war das?“, fragte Kira. “1943. Gegen einen Nogitsune.“ Verwirrt sah ich sie an. “Moment. All das, das ist schon mal passiert?“ Kiras Mutter nickte.
“Die, die sich nicht an die Vergangenheit erinnern, sind verdammt sie nochmal zu wiederholen.“, sagte dann ihr Vater. “Wo kam es überhaupt her?“, fragte Kira wieder.
“Es war ein Internierungslager im zweiten Weltkrieg. In Oak Creek. Nicht all zu weit von hier.“

“Sekunde“, sagte Scott. “Sie sagten doch Allison und Isaac, dass es dort keine Internierungslager gab.“
“Allisons Familie zeigt eine Geschichte von Gewalt auf. Ich wusste nicht, ob man ihr trauen kann. Und es gab ein Lager, ja, aber alle Berichte wurden vernichtet.“, erklärte Kiras Vater.
“Sie haben es verschwiegen.“, ergänzte seine Frau. Kiras Vater öffnete die Schublade am Pult und holte ein Buch heraus. “Als ich noch studierte, war mein Lieblingsprojekt, naja es war eher eine Obsession, die Wahrheit über Oak Creek auszugraben. So lernte ich deine Mutter kennen, Kira.“ Er holte ein paar Fotos heraus und legte sie auf den Tisch vor sich. “Wie ist der Nogitsune hergekommen?“, fragte Kira ihre Mutter.
“Ist das noch nicht offensichtlich? Er kam von mir. Kira, du musst mir jetzt helfen. Es bleibt nicht viel Zeit. Und es muss im Tageslicht geschehen.“ Kira schüttelte den Kopf. Ihre Mutter hatte die Scherben auf dem Tisch zusammengelegt. “Zuerst erzählst du uns alles.“ Ihr Vater sah ihre Mutter an. “Tu es Noshiko. Erzähl ihnen, was sie wissen müssen.“ Zögernd begann sie zu erzählen. “Wölfe und Füchse kommen nicht miteinander aus. Und nicht nur in Fabeln und Geschichten.“ Es war klar, dass sie auf Scott und Kira hindeutete. Offensichtlicher ging's nicht.
“Doch Verbündete, egal wie unpassend, sollten Willkommen sein. Aber vor allem in Kriegszeiten.“, unterbrach Kiras Vater seine Frau. Kiras Mutter erzählte uns von ihrer Beziehung zu einem Offizier. “Wir wollen deine Love story nicht hören, wir wollen wissen, wie wir Stiles retten können.“, meinte Kira genervt. “Ich versuche es euch zu erzählen.“ Ich schüttelte den Kopf.
“Sie wollen es hinauszögern.“, sagte ich mit verschränkten Armen. “Wenn die Sonne untergeht, werden die Oni hinter ihm her sein, nicht wahr?“
“Dein Freund ist gegangen, Abigail.“ Niemand nannte mich bei meinem richtigen Namen. Das war ungewöhnlich. “Das wissen Sie nicht mit Sicherheit. Sie haben die Oni hervor egebracht. Können Sie sie zurückrufen?“, widersprach ich.
“Hör zu, es ist nicht seine Schuld.“, half mir Kira.
“Stiles mag vielleicht euer bester Freund sein, er ist vielleicht wie ein Bruder für euch, aber er ist jetzt ein Nogitsune. Er verkörpert die Leere.“
“Also können Sie sie zurückrufen?“, fragte ich mit etwas Nachdruck. “Wenn ihr den Rest der Geschichte hört, werdet ihr es nicht wollen. Reece und ich fanden Wege uns öfter zu sehen. Manchmal in den Baracken, manchmal in den Bunkern, wo die Militärfahrzeuge geparkt wurden. Er sollte in ein paar Wochen nach Nordafrika überstellt werden. Ich brachte ihm ein wenig französisch bei. Wir sahen wie Marek und Hayes mit dem Lagerarzt srachen. Sie haben geflüstert und sehr schnell geredet.“ Kiras Mutter ballte ihre Hand zu einer Faust, so dass sich eine der Scherben in das Fleisch bohrten. “Noshiko.“, sagte ihr Mann, als er es bemerkte. “Mum, was tust du da?“ Sie ließ die Scherbe auf den Tisch fallen und nahm ein Taschentuch von ihrem Mann entgegen. Doch ihre Wunde war schon verheilt. “Wie hast du das gemacht?“, fragte Kira beeindruckt. “Eines unserer Talente. Das wirst du noch lernen, Kira. Dir sollte schon längst aufgefallen sein, dass du nicht krank wirst. Niemals. Du wirst nie sowas einfaches wie eine Erkältung oder etwas schlimmes wie eine Grippe durchmachen. Oder sowas wie eine Lungenentzündung.“ Und dann erzählte sie weiter. “Reece sah auf die Liste, aber wir wussten bereits, was dort vor sich ging. Doktor Liston benutzte Marek und Hayes. Sie sollten wichtige Medikamente auf dem Schwarzmarkt verkaufen. Ich erkannte den Fehler, den ich damit beging zu früh zu reden. Ich habe niemandem geholfen, sondern einen Aufstand entfacht. Ich schrie sie an doch endlich aufzuhören, aber so viele Menschen waren krank. Und viele fanden den Tod. Ich habe noch nie eine solche Wut gesehen. Es war ein lebendiges, atmendes Ding. Jetzt wusste ich, warum Satuni immer versuchte ruhig zu bleiben. Wieso sie einmal im Monat Migräne hatte und wieso sie ständig Go gespielt hat. Es hat sie beruhigt.“
Scott schaute uns an. “Sie wurde gebissen.“, bemerkte er.
“Werwölfen, die gebissen wurden, fällt es schwerer ihre Wut zu unterdrücken. Ein plötzlicher Wutausbruch und sie können jegliche Kontrolle verlieren. Die Schüsse haben mich beinahe getötet. Ich weiß nicht, wie viele Kugeln ihren Weg in meinen Körper fanden, aber ich kämpfte gegen jede einzelne. Es schwächte meinen Körper so sehr, verlangsamte meinen Herzschlag dermaßen, dass es aussah, als wäre ich tot. Aber selbst dann erging es mir noch besser als Reece. Seine Schreie konnte man überall im Eichenhaus hören. Sie hallten in jedem Raum, in jedem Flur wider. Er starb unter Qualen. Der Arzt hatte, so schien es, auch das Morphium verkauft. Marek und Hayes erhielten die Aufgabe die Leichen loszuwerden. Sowohl die amerikanischen als auch die japanisch-amerikanischen. Sie brachten auch Doktor Liston weg und stationierten ihn irgendwo anders. Sie haben es verheimlicht. Der Arzt, Marek, Hayes und all die anderen sollten einfach so mit Mord davon kommen. Durch Zufall, schätze ich, wurde Reece Leichnahm neben mich gelegt. Ich wollte, dass die Soldaten und die Verwaltung des Lagers für ihre Verbrechen bestraft werden, aber ich wusste, dass die Uhr tickte. Ich war dabei meine Chance zu verlieren. Denn sie wollten mich verbrennen so wie die anderen. Ich konnte mich nicht wehren, so lange mein Körper schwach war und nicht heilte. Ich konnte mich kaum bewegen. Ich war dem Tode nahe. Während mir die Zeit durch die Finger rann, wusste ich, dass ich eine schreckliche Entscheidung traf. Aber ich konnte nicht in dem Wissen sterben, dass sie davon kommen würden. Also bat ich unsere Vorfahren um Kitsune Zuki, die Besessenheit von einem Fuchs-Geist, um einen mächtigen Nogitsune. Einen der sich von Chaos, Streit und Schmerz ernährt. Er sollte von meinem geschwächten Körper Besitz ergreifen, ihn mit Macht erfüllen und ihn als Waffe benutzen. Aber einen Trickster Geist zu rufen ist eine gefährliche Angelegenheit. Sie können einen sehr dunklen Sinn für Humor haben. Denn der Nogitsune erschien, um von jemandem Besitz zu ergreifen. Aber nicht von mir. Mein Körper begann zu heilen und ich schaffte es mich vom Boden aufzurichten. Aber es war zu spät.“
“Was hat es getan?“, fragte ich vorsichtig.
“Es brachte Chaos, Streit und mehr Schmerz als du dir vorstellen kannst. Ich musste ihn finden. Ich musste ihn aufhalten." Sie blickte kurz aus dem Fenster." Kira, schnell, die Nacht bricht an.“ Während Kiras Mutter die ganze Geschichte erzählte, ordnete sie die Scherben des Schwertes zusammen, mit dem sie damals den Nogitsune bekämpft hatte. “Die wörtliche Übersetzung war Blitzschlag. Auf französisch heißt es aber auch Liebe auf den ersten Blick. Aber um den geht es nicht. Ein echter Blitzschlag ist genau das, was wir jetzt benötigen.“
Fragend sah Kira ihre Mutter an. “Wofür?“
“Der Nogitsune aus Reece' Körper herauszuschneiden, zerstörte das Katana. Aber du kannst es wieder zusammenfügen.“
“Wieso machst du das nicht selbst?“
“Nun, ich bin kein Donnerkitsune.“, antwortete ihre Mutter. “Vertraust du mir?“
“Wie ich jetzt weiß bist du 900 Jahre alt. Ich glaube nicht, dass ich dir je wieder vertraue.“
“Aber hierbei solltest du es.“ Sie führte Kiras Hand über die Scherben. Wie durch Magie wurde das Katana einfach wieder heile. Beeindruckt schaute ich Kira an. Ihre Mutter nahm es in die Hand und reichte es ihrer Tochter. “Na los. Es gehört jetzt dir.“, sagte sie lächelnd.
“Und wenn ich es nicht will?“, fragte Kira unsicher.
“Das solltest du.“ Sie warf es ihrer Tochter zu, die das Schwert mit Leichtigkeit auffing. “Siehst du. Es gibt dir Balance. Meine Macht ist jetzt auch deine Kira. Wenn die Oni Stiles nicht aufhalten können, musst du es tun. So wie ich es tat. Vielleicht suchst du dir einen Wolf aus, der dir dabei hilft.“ Scott blickte misstrauisch zu Kiras Mutter.
“Sie erzählten nicht alles.“
“Wollt ihr Stiles retten, Scott, müsst ihr ihn umbringen. Denn das ist der einzige Weg.“ Das ganze war reine Zeitverschwendung. Alles, was sie wollte war Stiles tot zu sehen. Ich blickte zu Kiras Vater. “Stimmen Sie dem zu?“, fragte ich.
“Nun manchmal wiederholen sich die Geschichten, Abigail.“
Scott schüttelte den Kopf. “Nur wenn man nicht daraus lernt.“
“Aber selbst dann verschwört sich das Schicksal auch gegen dich.“, antwortete Kiras Vater wieder. Ich holte mein Handy aus der Jackentasche, als es vibrierte. Es war eine Nachricht von Allison. “Es gibt einen Weg ihn zu retten. Ganz bestimmt.“, sagte ich und zeigte Scott die Nachricht. Scott nickte und ging vor. Ich folgte ihm. Kira wollte mitgehen, doch ihre Mutter hielt sie auf. “Kira.“ Sie reichte ihr die Schutzhülle und dann gingen wir.

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