Von Wunden und Narben

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Ich war nie ein besonders großer Fan von Derek Hale, doch nun war er tot und es schien fast so als ob Scott daran zerbrechen würde. Auch wenn er sagte, es ginge ihm gut, wusste ich, dass das nicht stimmte. Er war zwar ein Werwolf, aber er musste nicht ständig stark sein. Besonders nicht vor uns.
„Bin ich zu nah dran? Ich bin viel zu nah dran, oder?", fragte Allison. Lydia, sie und ich saßen im Auto und verfolgten den Schulbus, der das Lacrosse-Team zu einem Treffen bringen sollte. Wir wollten Scott auf keinen Fall allein damit lassen, also schnappten wir uns Lydia und fuhren los. Auf der Rückbank hatte ich es mir mit einem Buch gemütlich gemacht. Doch Allison, die ständig nervös nachfragte, ob wir zu nah dran waren, hielt mich vom Lesen ab.
„Kommt drauf an", setzte Lydia an. „Willst du dem Bus nur folgen oder ähm planst du ihn irgendwann zu rammen?"
Lachend sah ich zu den beiden nach vorne.
„Ich sollte mich zurückhalten."
Ich klappte das Buch zu und legte es zur Seite. "Kommt auch drauf an", sagte Lydia. "Oh meinst du den Bus oder den Exfreund, den du gerade stalkst?" Allison sah nach vorne und seufzte. "Nach dem was passiert ist, lasse ich ihn nicht mehr aus den Augen." Ich stimmte ihr zu. "Seh ich auch so."
Lydia überlegte kurz und sah uns dann nur komisch an.
„Ach übrigens, das alles fing an, als er neulich Abend an meiner Zimmertür klopfte", erklärte Allison. Lydia sah ihre Freundin an. "Weswegen?"
Ich wusste genau weswegen. Allison hatte es mir erzählt. Auch wenn ich den gefundenen Pfeil vor dem Schulgebäude als Ausrede betitelte, damit Scott zu Allison gehen konnte.
„Also war die nicht aus den Augen lassen wörtlich gemeint oder eher eine Art allgemeine Regel?" Verdutzt sah ich zu Lydia. "Wieso?"
Lydia legte das Buch, mit dem sie lernte, auf ihrem Schoß ab. "Weil der Tank gleich leer ist."
Allison und ich sahen auf die Tankanzeige und fluchten, als wir sahen, dass der Pfeil schon fast bei dem E war.
„Ja und ich bin mir ziemlich sicher, dass der Bus weit mehr Sprit hat als unser Auto."
Ich beugte mich nach vorne zwischen die Sitze. "Sollen wir anhalten?"
Lydia sah mich an. "Das wär nun wirklich kein Ding. Dann verlieren wir sie eben. Ihr Ziel kennen wir ja." Ich zog eine Augenbraue nach oben und sah sie an. "Du weißt, was passiert ist."
"Ich weiß, wer angefangen hat."
"Das hat dir Aiden erzählt oder?"
"Aiden? Oh whoa, eine Sekunde. Deshalb habt ihr mich zu dieser kleinen Rundreise eingeladen? Du meine Güte, ihr behaltet also sie im Auge und mich."
Ich verdrehte die Augen und sah Allison hilfesuchend an. Diese sah zu ihrer rothaarigen Freundin. "Also läuft da doch nichts zwischen euch?"
"Welch Unterstellung. Ich bin erschüttert."
"Also ich nicht.", murmelte ich und ließ mich in den Sitz fallen.
"Also nichts?", fragte Allison belustigt.
"Gar nichts", antwortete Lydia, als wäre es selbstverständlich. Sie holte ihren Lippenstift raus und trug ihn nach. Wenige Sekunden brauchte es bis sie merkte, dass wir sie anschauten.
„Was ist?" Plötzlich mussten wir halten, weil sich ein Stau gebildet hatte. Vorne stand ein LKW quer und blockierte somit die Straße. Das Klingeln von Lydias Handy weckte meine Aufmerksamkeit. Genervt ging sie ran.
„Hey Stiles. Wir wollen uns einen Film ansehen eh... du weißt schon mit Popcorn und eh..."
An ihren Schauspielkünsten musste sie dringend arbeiten. "Jo, okay.", sagte sie räuspernd und schaltete auf Lautsprecher.
„Na gut, hört zu. Scott ist immer noch verletzt", sagte Stiles durchs Telefon. Mein Herz setzte kurz aus und schnell saß ich kerzengerade auf der Rückbank des Autos.
„Was? Du meinst er heilt nicht?", fragte ich nach.
"Ja er heilt nicht. Es geht ihm sogar schlechter. Das Blut nimmt so eine schwarze Färbung an."
"Was stimmt nicht mit ihm?", fragte Lydia.
"Was nicht mit ihm stimmt? Hab ich 'nen Doktor in Lyncotrapie? Woher soll ich das Wissen?"
Ich verdrehte die Augen und beugte mich vor. "Wir müssen ihn aus dem Bus holen."
"Und dann wohin bringen? Ins Krankenhaus?", fragte Lydia.
Manchmal fragte ich mich wirklich, was Stiles an diesem Mädchen so toll fand.
"Ja bevor er stirbt", sagte Allison. "Stiles nicht weit von hier ist ein Rastplatz. Sag dem Coach, er soll anhalten."
"Das hab ich schon versucht", erklärte er.
"Tja dann überzeuge ihn."
"Überzeu- Hast du ihn eigentlich je erlebt?"
"Lass dir was einfallen."

~

Nicht viel später war es dann so weit und wir, wie auch der Bus, hielten an dem Rastplatz. Allison und Stiles stützten Scott und brachten ihn in die Toilettenräume. Lydia und ich folgten den dreien. Allison setzte Scott auf dem Boden ab und sah ihn an. Sein Shirt war voller Blut und seine Wunde war offen.
„Oh mein Gott", entfuhr es Allison, als sie die Wunde betrachtete. "Und du sagst uns nichts."
Scott entschuldigte sich schwach.
„Okay, gib uns eine Sekunde. Das sollte nicht passieren."
Ich sah sie an. "Offensichtlich."
Besorgt schaute ich kurz zu Scott und dann wieder zu den anderen. "Ich hab bei ihm schon schlimmere Wunden heilen sehen."
Wir gingen einen Schritt zur Seite, sodass Scott uns nicht hören konnte.
„Okay sollen wir einen Krankenwagen rufen?", fragte Stiles unsicher.
"Was wenn es zu spät ist? Wenn sie nicht helfen können?", meinte Allison mit einem Anflug von Panik.
"Wir müssen was unternehmen", bemerkte Stiles.
"Vielleicht ist es was Psychologisches." Ich sah Lydia fragend an.
„Meinst du sowas wie psychosomatisch?"
"Somatoform. Es resultiert aus einer psychogenen Ursache."
Stiles sah sie weiterhin fragend an.
"Ja eine Kopfsache", sagte Lydia und verdrehte die Augen.
"Eine Kopfsache", murmelte Stiles. "Wegen Derek. Weil Derek starb, lässt Scott sich nicht heilen."
Er trauerte. Deshalb heilte seine Wunde nicht.
"Was sollen wir tun?", fragte ich. Lydia kramte in ihrer Tasche herum, bis sie etwas fand und es uns entgegen hielt. Es waren Garn und eine Nadel.
„Wir müssen die Wunde nähen. Im ernst, vielleicht muss er ja einfach nur daran glauben, dass es heilt." Wir nickten und sahen zu Allison. Diese nahm die Sachen in die Hand und blickte zu Scott.
„Er sollte ein anderes Shirt anziehen. Wo ist seine Tasche?"
Stiles sah Allison an. "Ehm ich hole sie. Ich hasse Nadeln sowieso. Eh weißt du was du da tust?"
"Dad brachte es mir bei."
"Und wie schnell wirst du ... ehm ich meine, der Bus, der Bus könnte losfahren und..."
"Dann mach, dass er nicht losfährt."
Lydia und ich sahen ihn an. "Wir helfen dir."
Lydia packte Stiles bei der Hand und verließ die Herrentoilette. Schnell folgte ich ihnen. Wir stellten uns in die Nähe des Busses und sahen uns um. Ständig schaute ich auf die Uhr. Das ganze dauerte zu lange. Der Coach stieg aus dem Bus und pfiff einmal laut mit seiner Trillerpfeife. Stiles und ich wechselten panische Blicke. Die Leute begannen langsam in den Bus zu steigen. Ich hatte keine ahnung, was wir tun sollten. Lydia lief auf Allison und Scott los, die aus den Toilettenräumen raus kamen. Allison musste Scott stützen, aber er sah schon viel besser aus als vorher. Stiles versuchte, den Coach hinzuhalten und ich stand draußen rum und überlegte, wie wir nach Hause kamen. Schließlich war unser Tank leer. Plötzlich hörte ich laute Geräusche und blickte mich um. Ich lief auf Stiles zu. „Was ist passiert?"
Stiles sah erst zu mir, dann zu Scott, der dazu kam und uns fragend ansah. "Als ich ihm sagte was passiert ist, ist er sofort auf ihn losgegangen."
Scott sah Stiles an. "Wer? Boyd?"
Doch es war nicht Boyd. Isaac ptügelte auf Ethan ein, der blutend am Boden lag. Ein Glück konnte er sich selbst heilen.
„Isaac! Isaac!", rief der Coach und versuchte dazwischen zu gehen, doch jeder, der ihn davon abbringen wollte, wurde von Isaac aus dem Weg geschubst. Er hatte sich nicht mehr unter Kontrolle. Als Scott jedoch seinen Namen laut rief, ließ Isaac augenblicklich von Ethan ab. Geschockt schauten wir ihn alle an während Danny sich um Ethan kümmerte. Erleichtert atmete ich aus. Wäre ich doch einfach nur zu Hause geblieben.

~

Da Allison unbedingt bei Scott bleiben wollte, fuhren wir mit dem Lacrosse Team mit. Das Auto ließ sie einfach an der Raststätte stehen, was ich persönlich nie gemacht hätte, wenn ich an ihrer Stelle gewesen wäre. Aber ich hielt mich zurück, weil es hier um Scott ging. Im Bus saß ich neben Isaac, der aus dem Fenster schaute.
„Musstest du dich gleich prügeln?", fragte ich. Isaac lachte leicht auf und blickte mich an.
„Ja, musste ich."
Ich schüttelte leicht lachend den Kopf.
„Aber das hab ich für Scott getan."
Ich blickte zu ihm.
„Ich dachte, Scott würde sterben. Und ehm ... es wäre ja irgendwie Ethans Schuld gewesen. Die Schuld von diesem Rudel."
Ich sagte nichts dazu. Isaac war zwar impulsiv und handelte manchmal sehr unüberlegt, aber er war jemand, der Scott schützen würde, was auch immer passierte. Isaac Lahey war ein wahrer Freund.

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