Freundschaften

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Müde saß ich am Frühstückstisch und löffelte in meinem Müsli herum. Ich war mir nicht einmal sicher, ob die Milch überhaupt noch gut war, aber ich bekam sowieso keinen Bissen herunter. Ständig musste ich an Stiles und Scott denken, die mir irgendwas verheimlichten. Und das schon seit längerer Zeit, doch ich wusste einfach nicht was. Vielleicht lag es einfach daran, dass die beiden Jungs waren. Vielleicht waren sie so hormongesteuert, dass sie mich einfach aus dem Blick verloren. Mir wurde klar, dass ich dringend jemanden brauchte, der weiblich ist. Dadurch, dass ich bei meinem Dad lebte und nur Scott und Stiles meine Freunde waren, hatte ich mehr männlichen Einfluss als mir lieb war. Und das war nicht gut. Ich hatte nie eine beste Freundin. Also konnte ich nie über wirklich alles mit ihnen reden. Weder mit meinem Dad, weil es mir einfach viel zu peinlich war, noch mit Stiles oder Scott. Mein Blick wanderte zu der Zeitung, die auf dem Tisch lag. Mein Dad las sie jeden morgen bevor er ins Büro fuhr. Seit meine Mum gestorben war, verbrachte er dort mehr Zeit, damit wir über die Runden kamen. Ich ließ meinen Löffel in der Schüssel und schnappte mir die Zeitung. Auf der Titelseite war ein Bild von Lydia Martin, die nachts nackt im Wald gefunden wurde, völlig verwirrt und unterkühlt. Man schrieb, sie könne sich an nichts erinnern. Das war das Tragische dabei. Nachdenklich betrachtete ich das rothaarige Mädchen. Vielleicht würde sie ja meine neue Freundin werden. Ich könnte für sie da sein und ihr helfen. Ihr helfen sich an etwas zu erinnern. Man tut etwas nettes und schließt Freundschaften, hatte ich mal gehört. Vielleicht war das meine Chance auf mehr weiblichen Einfluss. Und Lydia Martin war definitiv jemand, der Weiblichkeit ausstrahlte. Von außen wie von innen.

Ich stieg so schnell es ging aus dem Bus und lief hinter Allison und Lydia her, um sie einzuholen. Schwer atmend lief ich neben den beiden her und erntete einen verwirrten Blick. "Hey Lydia, ich habe von deiner kleinen Nachtwanderung gehört. Kannst du dich wirklich an nichts mehr erinnern?" Die Frage überrumpelte sie. Wahrscheinlich war es nicht so schlau direkt damit anzufangen. Ich hätte ihr vielleicht vorher ein Kompliment machen sollen, denn sie sah mal wieder umwerfend aus. Sie trug ein knielanges rotes Kleid, das sich eng an ihren Körper anschmiegte und somit ihre Figur betonte. Das Kleid passte perfekt zu ihren Kupferfarbenden Haaren, die ihr gelockt über die Schulter gingen. Lydia Martin war eine Queen. Jeder wollte mit ihr befreundet sein. Obwohl ich mich früher immer darüber lustig gemacht hatte, dass sie jeder anbetete, tat ich gerade genau das selbe. Ich kam mir lächerlich vor wie ich neben ihr in meinem karierten Rock stand, den ich seit der achten Klasse besaß, weil ich seit dem einfach nicht mehr wirklich gewachsen war. Den Pullover, den ich trug hatte ich mal in einem Second Hand Shop gefunden. Er war rot und passte perfekt zu den gleichfarbenden Stiefeletten, die ich trug. Sie sahen aus wie Cowboystiefel. Ich war immer zufrieden mit meinen Klamotten gewesen. Doch an diesem Tag fühlte ich mich unwohl darin. Lydia musterte mich kurz bevor sie mir meine Frage beantwortete. "Sie nannten es Fluchtreflex, was eigentlich nur heißt, keine ahnung wieso Sie sich nicht erinnern können zwei Tage lang nackt durch den Wald gelaufen zu sein. Aber mich persönlich kümmert es nicht. Hab vier Kilo verloren." Bewundert sah ich sie an. "Wow, du scheinst wirklich gut damit umzugehen.",sagte ich und wechselte mit Allison kurz Blicke. Allison schien ihr das nicht besonders abzukaufen. Auf mich machte Lydia einen glaubwürdigen Eindruck, aber so gut kannte ich sie ja nicht. Allison sah ihre Freundin fragend an. "Bereit da reinzugehen?" Lydia sah sie amüsiert an. "Liebes, meine Tante ist keine Killerin." Wie eine Königin drehte sie sich um und öffnete die Tür zum Gebäude. Etwas schockiert sah ich zu Allison. Mein Mund öffnete sich, doch ich wusste nicht, was ich hätte sagen können, damit sie sich besser fühlte. Stattdessen sah ich sie einfach nur mitfühlend an. Allison lächelte leicht und ging dann ebenfalls rein. Die ganze Schule starrte Lydia an, als sie drin war. Lydia sah sich wie versteinert um. Wahrscheinlich hatte jeder die Zeitung gelesen oder davon gehört, dass sie nackt durch den Wald gelaufen war. In Beacon Hills verbreitete sich sowas schnell. Die Leute schienen vergessen zu haben, dass Allisons Tante eine ganze Familie umgebracht hatte. "Vielleicht weil du schlanker bist?", versuchte ich die Situation irgendwie zu retten. Lydia schaute kurz unsicher zu Boden, hob dann aber den Kopf und stolzierte durch die Schule als wäre nie etwas gewesen. Allison sah mich grinsend an und auch ich musste etwas lachen. Vielleicht war das ja der Beginn von einer neuen Freundschaft.

Im Chemieunterricht begegnete ich Stiles und Scott und setzte mich zu ihnen. Die Tische bildeten Reihen, so dass man immer zu dritt in einer Reihe saß. Mein Platz befand sich direkt neben Scott, doch statt aufzupassen, unterhielt dieser sich flüsternd mit Stiles. Ich wusste nicht, worüber, aber es war mir auch egal. Ich schrieb alles mit, was der Lehrer an die Tafel schrieb. Mr Harris war jemand, der es nicht duldete, wenn man seinen Unterricht auch nur ansatzweise störte. Um nicht aufzufallen, schrieb ich also jedes Mal mit, damit es so aussah, als würde ich mich tatsächlich gerne mit Chemie beschäftigen. Ruckartig drehte sich Stiles zu Danny um, der hinter uns saß. "Danny, wo ist Jackson?", fragte er. Ich wollte wirklich nicht lauschen, doch mittlerweile nervte mich das Geflüster, weswegen ich nun doch wissen wollte, was so unglaublich wichtig war. Danny sah Stiles etwas genervt an. "Beim Direktor. Er redet mit deinem Dad." Verwundert blickte Stiles ihn an. "Was? Wieso das?" "Vielleicht weil er und Isaac Nachbarn sind?", antwortete Danny als wäre es völlig selbstverständlich. War Isaac in Schwierigkeiten? War etwas passiert? Ich tippte Scott auf die Schulter, damit er sich umdrehte. Irritiert sah er mich an. "Was ist denn mit Isaac?", fragte ich neugierig nach. "Oh ehm... sein Dad wurde gestern Nacht tot aufgefunden.", erklärte er. Schockiert sah ich wieder nach vorne. "Oh mein Gott...", flüsterte ich vor mich hin.
"Schlagen Sie bitte alle Seite 73 auf.", sagte Mr Harris mit dem Rücken zu uns. Plötzlich wurde er mit Papierkugeln abgeworfen, woraufhin er sich wütend umdrehte. "Wer zur Hölle war das?" Stiles und Scott zeigten gegenseitig aufeinander und wurden sofort zum Direktor geschickt. Total irritiert sah ich die beiden an wie sie wie von einer Tarantel gestochen durch die Tür nach draußen rannten.

Nach dem Unterricht beschloss ich die beiden zu fragen was genau das sollte. Die beiden saßen auf zwei Plastikstühlen vor dem Direktoriat und schauten durch das Fenster. Mit schnellen Schritten ging ich auf die beiden zu und verschränkte die Arme. "Könnt ihr mir mal verraten, was das eben sollte? Seit wann legt ihr euch mit Mr Harris an? Und überhaupt, Stiles, du musstest doch letztens schon bei ihm nachsitzen." Die beiden tauschten Blicke, schwiegen aber. Ich sah zwischen den beiden hin und her und blickte durch das Fenser im Direktoriat. Ich sah Stiles Dad und Jackson, die sich unterhielten. Mit zugekniffenen Augen sah ich die beiden Jungs vor mir an. "Sagt mal, habt ihr gelauscht?", fragte ich.                                                                                                           Die beiden schüttelten schnell den Kopf. "Nein, nein. Ich bitte dich, du kennst uns doch.", antwortete Stiles schnell.                                                                                                                                             Ich nickte. "Eben." Die Tür öffnete sich und Sheriff Stilinski und Jackson kamen auf den Flur. Sofort nahm Stiles eine der Zeitschriften, die da lagen und hielt sie sich vor das Gesicht, so als würde ihn dann niemand erkennen. Der Sheriff sah seinen Sohn verwirrt an. Dann sah er zu Scott und mir. "Hey Scott, Abigail." Ich lächelte ihn kurz an. Auch Scott englitt ein 'Hi' aus seinem Mund. Der Sheriff sah seinen Sohn an, öffnete den Mund, als wolle er was sagen, doch schüttelte dann den Kopf, um mit Jackson einfach an ihm vorbei zu gehen. Erleichtert ließ Stiles die Zeitschrift sinken. "Hallo Jungs.", sprach eine Unbekannte Stimme. Die beiden drehten sich sofort um und sahen den älteren Mann fast schon erschrocken an. "Kommt rein."

Als ich die Schule verließ, sah ich wie Isaac im Polizeiauto saß und dann wegfuhr. Wahrscheinlich war er einer der Verdächtigen. Ich konnte mir jedoch nicht vorstellen, dass Isaac seinen Vater umgebracht hatte. Er war der einzige, den er noch hatte, wieso sollte er das tun? Das ergab für mich keinen Sinn. Ich stieg die Treppen hinunter und sah mich um. Mein Blick blieb an Scott hängen, der sauer in ein Auto stieg. Beim genaueren Hinsehen erkannte ich Derek Hale. Diese Freundschaft zwischen den beiden verstand ich einfach nicht. War es überhaupt eine Freundschaft? Das Auto fuhr davon und ich blieb irritiert stehen. Hier stimmte etwas ganz und gar nicht.

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