Die Rückkehrer

99 1 0
                                    

Stiles verbrachte die ganze Nacht im Krankenhaus, während Scott zu Hause versuchte seine eigene Pinnwand zu erstellen. Da draußen gab es immer noch eine Chimäre. Nämlich die letzte, die wir finden mussten. Stiles stieß jeden von uns weg. Nicht nur mich, sondern auch Scott und Malia. Es schien, als bräuchte er etwas Zeit für sich allein. Vielleicht hasste er sich immer noch, Donovan getötet zu haben. Er musste sich selbst verzeihen, aber zunächst musste er Scott verzeihen. Ansonsten würde es nicht funktionieren.
Malia wollte aus irgendeinem Grund nicht mehr helfen. Sie trug selbst ein Geheimnis in sich, welches sie niemandem erzählen konnte oder wollte. Also blieben nur noch Scott, Isaac und ich. Denn wo Lydia war, konnte ich mir auch nicht erklären. Mit vorsichtigen Schritten betrat ich Scotts Zimmer. Weil ich ihn dort nicht finden konnte, ging ich ins Bad, wo er tatsächlich vor dem Spiegel stand. Ein Verband zierte seinen Bauch, was mich das Gesicht verziehen ließ. “Hey“, sagte ich leise und ignorierte die Tatsache, dass er kein Shirt an hatte. “Heilst du immer noch nicht?“, fragte ich ihn. Scott schüttelte den Kopf. “Es dauert einfach etwas länger.“, entgegnete er und griff nach seinem Shirt, um es anzuziehen.
“Wieso bist du hier?“, fragte er dann verwundert.
“Naja, ich... Ich kann nicht zu Hause sitzen und nichts tun.“, antwortete ich und setzte mich auf das Bett. Scott blickte mich kurz an und kam ins Zimmer. “Hast du mal mit Stiles geredet?“, fragte er mich.
“Ich glaube nicht, dass er mich im Moment sehen will.“ Ich senkte den Kopf und starrte meine Schuhe an. Meine Schnürsenkel waren offen, stellte ich fest. “Wieso das?“, fragte Scott und setzte sich neben mich. Ich zuckte mit den Schultern.
“Er braucht mich nicht.“, sprach ich dann aus, was Stiles mir gesagt hatte.
“Das stimmt nicht.“
“Doch, Scott. Das hat er selbst gesagt.“ Meine Stimme wurde leiser.
“Das beschäftigt dich, nicht wahr?“, fragte Scott weiter nach.
“Ich weiß einfach nicht, was mit ihm los ist. Es scheint, als würde ich ihn gar nicht wirklich kennen.“, erklärte ich meinem besten Freund.
“Gib ihm Zeit. In den letzten Monaten habt ihr beide wirklich viel Zeit miteinander verbracht. Ist klar, dass es jetzt komisch ist, dass er dich wegstößt.“
“Ich dachte immer, wir drei wären unzertrennlich.“, begann ich, “Aber immer wenn es Geheimnisse gibt, fallen wir irgendwie auseinander.“
Bevor ich wusste, dass Scott übernatürlich war, fühlte ich mich einsam. Dieses Geheimnis hatte uns auseinander gebracht. Genauso war es, als Donovan starb. Dieses Geheimnis ließ uns schon wieder auseinander fahren.
“Aber wir finden auch immer wieder zurück.“, erwiderte Scott, “Das passiert vielleicht nicht so schnell, wie du es gern möchtest, aber es passiert.“
“Du sagtest mal, die Dinge sind nie immer in der Mitte, sondern sind entweder gut oder schlecht.“
Scott nickte. “Ich denke, wir befinden uns schon viel zu lange im schlechten Bereich.“
Scott neben mir lachte leicht.
“Du weißt, dass Isaac nur wegen dir wieder hier ist?“, fragte er mich dann.
“Ja, das hat er mir gesagt.“, meinte ich nickend. Scott sah mich erwartungsvoll an. “Und?“, fragte er, doch ich zuckte mit den Schultern.
“Ich weiß nicht. Ich hab das Gefühl, als ob es mir völlig egal wäre. Müsste ich mich nicht eigentlich freuen? Die ganze Zeit sorge ich mich um Stiles und um die Chimären. Um dich und Malia. Sogar um Lydia. Eigentlich müsste ich glücklich sein, wenn er sagt, dass er wegen mir hier ist. Das ist doch das, was ich immer wollte. Was stimmt nicht mit mir?“
Scott lächelte mich sanft an.
“Du bist über ihn hinweg.“
Überrascht blickte ich ihn an.
“Meinst du wirklich?“, fragte ich. Es war das erste mal seit langem, dass ich so ein Gespräch mit Scott führte. Und es fühlte sich verdammt gut an mit ihm zu reden. Erst in diesem Moment merkte ich, wie sehr mir das gefehlt hatte. “Ich denke, schon.“, sagte Scott und sah mich an. Seufzend blickte ich auf meine Hände. Mein Nagellack blätterte langsam ab.
“Ich war doch so verliebt in ihn.“
Scott zuckte mit den Schultern.
“Dinge ändern sich.“, entgegnete er. Lächelnd sah ich ihn an. Vielleicht hatte er recht. Vielleicht war ich schon längst über Isaac hinweg, ohne es wirklich zu wissen. Ein Klopfen an der Tür unterbrach unser Gespräch. Stiles stand an der Tür und blickte uns an. “Hey.“, begrüßte er uns und trat vorsichtig hinein. “Ihr habt doch auch von dem Kerl gehört, der da draußen getötet wurde, richtig?“, fragte er. Scott und ich nickten. “Diesen Fernmeldetechniker. Ich hab vielleicht was herausgefunden.“
“Du willst meine Hilfe?“, fragte Scott überrascht, während Stiles sein Handy hervorholte. Stiles blickte uns an. “Eure Hilfe, ja. Ihr sagtet, ihr findet Hinweise, die ich nicht finde.“ Meine Mundwinkel zuckten leicht. Scott atmete neben mir hörbar aus. “Hier, seht mal.“, sagte Stiles und setzte sich zwischen uns. Ich schaute auf ein Überwachungsvideo. “Hier ist der Techniker das erste Mal angekommen. Da geht er rein. Nach Deputy Clarke. Dann kommt etwas echt großes und schnelles rausgerannt. Jetzt kommt Clarke. Zum Schluss der Techniker. Die Sanitäter tragen seine Leiche raus.“
“Okay.“, sagte Scott und sah seinen besten Freund fragend an. “Was sagt mir das?“
“Zwei Leute gehen rein, drei kommen raus. Ich hab alles durchgesehen. Kein einziger Mensch hat das Gebäude vor dem Techniker betreten. Also, woher kam dann dieses wirklich große, wirklich schnelle Etwas?“
Entsetzt sah ich Stiles an.
“Ein anderer Eingang.“

Zusammen mit den Jungs begaben wir uns zum Tatort, um uns genauer umzusehen. In meiner Hand hielt ich eine Taschenlampe, um besser sehen zu können. Auf dem Boden lag überall Blut. “Siehst du das?“, fragte Stiles.
“Ich sehe Blut.“, antwortete ich.
“Siehst du, wo es hinführt?“
Scott hockte sich hin und versuchte den großen Metallkasten wegzuschieben. Doch es gelang ihm nicht. Wenige Sekunden später versuchte er es nochmal. Weil er es allein nicht hinbekam, eilte Stiles zur Hilfe. Zusammen schoben sie das Ding aus dem Weg. Ich leuchtete auf den Boden, in dem ein Loch war. Und eine Leiter, die nach unten führte.
Unten angekommen waren wir genau da, wo wir schon mal waren, als wir nach Noah suchten. Stiles leuchtete mit seiner Taschenlampe auf den Boden. Man konnte Worte erkennen, aber ich wusste nicht, was sie bedeuteten. “Was ist das?“, fragte Scott ihn.
“Könnte Latein sein.“, erklärte ich.
“Halt mal die Taschenlampe drauf, ich will ein Foto machen.“ Stiles tat wie befohlen, während Scott sein Handy zückte. Er wollte gerade ein Foto machen, als das Licht verschwand. “Stiles, halt doch mal still.“, sagte Scott. Verwirrt blickte ich zur Seite und weitete meine Augen, als ich sah, dass Stiles auf dem Boden lag und sich den Hals hielt. Hinter ihm war Tracy. Erschrocken wich ich zurück. Unwillkürlich rannte sie auf Scott zu, um ihn anzugreifen. Währenddessen hielt ich mich zurück. “Abby, hinter dir!“, rief Stiles, der sich aufgrund des Kanimagiftes nicht bewegen konnte. Ruckartig drehte ich mich um und duckte mich, als mich jemand angreifen wollte. Beim genaueren Hinsehen erkannte ich Josh. Bevor er mir was tun konnte, griff Scott nach Tracys Arm und bohrte ihre Krallen in Josh' Brust. Diese bekam einen Stromschlag, so dass sie zurückwich. Josh fiel genau neben Stiles. Hinter Scott tauchte Cory auf, der sich tatsächlich tarnen konnte. Diese Chimären waren wirklich unglaublich.
“Okay“, hörte ich eine bekannte Stimme, “Vielleicht sind sie noch nicht so weit, es mit einem Alpha aufzunehmen.“ Meine Hände ballten sich zu Fäusten, als ich Theo entdeckte. “Vor allem mit einem, der Angst wittern kann.“
“Er hat Fangzähne.“, versuchte Cory sich zu verteidigen.
“Was hast du getan?“, fragte Scott ihn.
“Neue Freunde gefunden. Ich kann Ablehnungen nicht leiden.“, antwortete Theo schlicht. Tracy und Cory trugen Josh weg. Theo blickte hinunter zu Stiles. “Hey, Theo.“, begrüßte Stiles ihn.
“Stiles.“ Er trat fest auf den Boden, so dass sich Risse bildeten. “Du wirst wahrscheinlich denken, dass ihr euch meinetwegen Sorgen machen solltet. Aber da liegst du falsch. Wir sind wieder auf der gleichen Seite. Dieses Ding da, darum müssen wir uns Sorgen machen. Dein Rudel und meins. Wir gehen wieder in die Schule und machen auf normale Teenager, aber in der Nacht werden wir um unser Leben kämpfen.“
“Was ist es?“, fragte ich mutig.
“Keine Chimäre.“, antwortete Theo.
“Aber da drin steckt nur ein junger Kerl. Jemand wie wir.“, versuchte Scott zu erklären.
“Jetzt nicht mehr.“

Stiles konnte sich immer noch nicht bewegen, also half Scott ihm, sich aufzusetzen. Theo und sein Rudel waren längst weg. Ich ließ mich vor den beiden Jungs sinken und blickte sie an. “Er kannte die Worte, aber ich erinnere mich nicht.“, begann Scott.
“Damnatio Memoriae.“, sprach Stiles, “Das heißt, die Verdammung des Andenkens. Oder es heißt, was auch immer die Schreckensärzte erschaffen haben, oder diese letzte Chimäre wirklich ist, es ist nichts Neues. Etwas Altes. Wirklich altes.“
“Also keine neue Kreatur.“, fasste ich zusammen und runzelte nachdenklich die Stirn.
“Sondern eine Auferstandene.“
Scott malte etwas mit seinen Fingern in den Sand auf dem Boden. Es war ein Kreis.
“Wir brauchen Hilfe. Wenn Theo jetzt sein eigenes Rudel hat, dann brauchen wir unseres. Wir müssen die anderen zurückholen.“, sagte er.
“Die anderen? Du meinst sicher Kira, die gerade mit einem mörderischen Fuchsgeist in sich zu kämpfen hat, Malia, die mit keinem von uns beiden mehr redet, Lydia, die im Eichenhaus steckt und von Liam kennst du den Rest.“, entgegnete Stiles.
“Auch beste Freunde genannt.“
“Okay, ähm... und wie?“
“Na, was denkst du denn?“, fragte ich und sah ihn an.
“Du wirst mich das nicht ernsthaft tun lassen.“
“Du bist Teil des Rudels, oder?“, fragte Scott.
“Ok.“, meinte Stiles und malte mit seinem Finger einen weiteren Kreis um den schon vorhandenen. Lächelnd stand ich auf und griff nach Stiles' Arm, um ihm aufzuhelfen. Scott half mir dabei. “Wir müssen Kira finden.“, sagte er.
“Ich hasse dein Tattoo immer noch.“, merkte Stiles an, was uns zum Lachen brachte. Scott nickte.
“Ich weiß.“

Teen WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt