Stille im Radio

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Völlig niedergeschlagen saß ich im Unterricht und starrte nach draußen. Die Tatsache, dass die anderen einfach aufgaben, machte mich fertig. Mein Blick blieb an einem blauen Jeep hängen, der auf dem Parkplatz stand. Ein Mann schrieb etwas auf einen Zettel und steckte ihn zwischen die Scheibenwischer. “Abigail?“ Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch und blickte meine Biologielehrerin an. “Ich äh... stimme Ihnen zu.“, stammelte ich, ohne zu wissen, worüber wir eigentlich geredet hatten.
“Ist dort irgendwas, das faszinierender wäre als die Struktur des menschlichen Verstandes?“
“Nein. Ich denke nicht, nein. Nein.“, sagte ich und sah unsere Lehrerin entschuldigend an. Scott musterte mich von der Seite, doch ich schaute immer noch nach draußen zu dem Mann, der den Jeep abschleppen wollte. “Ich bin gleich wieder zurück.“, sagte ich und lief einfach raus. Schnell rannte ich auf den Parkplatz und rief nach dem Mann. “Hey!“ Fragend sah er mich an, als ich vor ihm stehen blieb. “Sie können ihn nicht einfach abschleppen.“
“Die Papiere sagen, ich kann. Es gibt keinen Besitzer.“, erklärte er mir.
Ohne darüber nachzudenken, legte ich meine Hand auf den Jeep und sah den Mann selbstsicher an. “Aber jetzt schon.“, sagte ich.
“Oh, ist das Ihr Fahrzeug?“
“Ist das wichtig?“, fragte ich. Der Mann lachte auf.
“Klingt wie Nein.“, meinte er.
“Das ist meiner. Mein Jeep.“, hörte ich Scott plötzlich neben mir. “Dankeschön, ich fahr ihn weg. Ich hol nur noch die Schlüssel aus dem Schließlich. Nachdem sie weg sind.“, stammelte Scott.
“Er hängt schon am Haken. Ich kann's nicht ändern.“
Frustriert verschränkte ich die Arme vor der Brust. “Bitte, können Sie ihn nicht runter lassen?“, fragte ich.
“Das geht leider nicht.“
“Hören Sie. Es muss doch etwas geben, das wir tun können. Irgendwas unterschreiben oder-“
“Irgendwen bezahlen.“, unterbrach ich Scott. Der Mann sah uns lächelnd an. “Die Gebühren betragen 150. Cash.“, meinte er dann.
Entsetzt kramte ich in meiner Tasche nach dem Portmonee.
“150? Das Ding ist nicht mal so viel Wert.“, sagte Scott leise zu mir. Doch mir war es das wert, also öffnete ich das Portmonee. “Wie viel hast du?“, fragte ich meinen besten Freund.
“Ähm...Wie viel hast du denn?“
“Gib mir dein Geld.“, flüsterte ich. Scott sah mich genervt an und griff in seine Hosentasche. “Ich hab nur 50 Dollar und wenn ich sage nur, dann mein ich auch nur.“ Bevor er weiter reden konnte, nahm ich ihm das Geld aus der Hand und bezahlte den Mann. Dieser sah uns fröhlich an und machte sich ans Werk.
“Hey, du weißt, dass ich nicht mal die Schlüssel dafür habe, richtig?“, fragte Scott mich.
“Aber jetzt haben wir einen Jeep.“

Als Scott und Malia aus der Schule stürmten, stand ich immer noch am Jeep und betrachtete ihn. Ich hörte ein Geräusch, doch ich wusste nicht, was es war. Nur, dass es aus dem Jeep kam. “Es kommt von da drinnen.“, sagte ich zu Scott und Malia. Scott versuchte die Tür zu öffnen, doch es ging nicht.
“Hat irgendwer die Schlüssel drin liegen lassen?“, fragte Malia.
“Brech sie auf.“, sagte ich schlicht. Scott tat, was ich sagte und die Tür öffnete sich. Das Geräusch wurde lauter. Ich setzte mich in den Jeep und öffnete das Fach vor dem Beifahrersitz. Auf einmal hörte das Geräusch auf, was mich inne halten ließ. “Wieso hat es aufgehört?“, fragte Malia uns.
“Ist nicht wichtig.“, sagte ich und drückte auf einen Knopf. Doch es tat sich nichts. “Es gibt sicher einen Grund.“
“Was...“, murmelte Scott und verzog das Gesicht. Erwartungsvoll sah ich den Alpha an. “Ein Geruch?“, fragte ich.
“Ja, unseren. Meinen, deinen, naja von uns dreien.“, erklärte Scott.
“Meinen? Ich bin noch nie in diesem Jeep gewesen.“, meinte Malia verwundert.
“Genau wie ich.“, entgegnete Scott.
“Doch waren wir.“, warf ich ein. “Wir erinnern uns nur nicht.“
“Ich dachte, wir wären damit fertig.“, murmelte Malia.
“Ja, Abby. Parrish hat alles gecheckt. Es gibt nichts über den Besitzer.“, meinte Scott, aber ich traute dem ganzen nicht.
“Der Jeep hat sich also selbst hergefahren.“, entgegnete ich sarkastisch. Langsam wurde ich wirklich sauer. Scott blickte Malia an.
“Auf welcher Seite stehst du?“, fragte Malia ihn. Scott schien hin und her gerissen zu sein.
“Auf jedermanns Seite.“, antwortete er dann.
“Er ist nicht real. Vertrau mir.“, wandte Malia sich an mich. Doch ich ignorierte sie und kramte weiter in dem Fach, das ich geöffnet hatte. “Ich habe viele Menschen in meinem Leben verloren. Ist 'ne lange Liste, keine Lust noch mehr hinzuzufügen.“
“Musst du vielleicht auch nicht.“, sagte ich und holte Papiere aus dem Fach. “Nicht, wenn wir ihn zurück kriegen.“, fügte ich hinzu. Scott nahm die Papiere und sah sie sich an.
“Der ist von 96 und es gibt keinen Namen.“, sagte er.
“Aber eine Adresse.“, meinte Malia und zeigte auf eine Stelle auf dem Papier. “129 Woodbine Lane.“
“Ich kenne diese Adresse.“, sagte ich. Es war die der Stilinskis.

“Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich hab diesen Jeep fast 18 Jahre nicht gesehen.“, erzählte Mrs Stilinski, als ich bei ihr war.
“Aber er läuft auf Ihren Namen.“, entgegnete ich.
“Er wurde gestohlen.“
“Und wie ist er bei der Schule gelandet?“, hakte ich nach.
“Keine Ahnung, ich meine, ich denke, er war damals reif für den Schrottplatz und Gott weiß, wer ihn jetzt wollen würde.“, erklärte Mr Stilinski.
“Vielleicht wurde er dort abgeladen.“, vermutete seine Frau.
“Könnte man die Geschichte des Jeeps nach dem Diebstahl zurück verfolgen?“, fragte ich.
“Nein.“, sagte Mr Stilinski.
“Vielleicht sind Fingerabdrücke darin.“, machte ich weiter. Langsam war ich wirklich fertig mit den Nerven. Egal was war, alle Hinweise führten mich in eine Sackgasse.
“Abby, geht's hierbei um Stiles?“
Ich schwieg und senkte den Kopf.
“Schätzen, denkst du nicht, dass es jetzt genug ist?“, fragte Mrs Stilinski und reichte mir den Zettel, den ich im Jeep gefunden hatte. Niedergeschlagen nahm ich ihn entgegen. “Ich weiß wirklich nicht, was neuerdings mit dir los ist, aber vielleicht wäre es an der Zeit mit deinem Dad zu reden.“
Ich nickte langsam und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.
“Tut mir leid, Sie haben recht.“, meinte ich leise.
“Hey, alles okay?“, fragte Mr Stilinski besorgt.
“Ja.“, sagte ich.“Verzeihung, könnten Sie... Könnte ich...“, stammelte ich und deutet auf den Flur.
“Aber natürlich. Lass dir Zeit.“, antwortete Mrs Stilinski. Also stand ich schnell vom Sessel auf und ging Richtung Bad. Als ich den der Tapete vorbeiging, blieb ich jedoch stehen. Ich starrte sie an und lehnte mich dann frustriert dagegen. Die Tränen sprudelten förmlich aus mir heraus.

Niedergeschlagen fuhr ich zurück zur Schule, wo Scott mit dem Mann diskutierte, der den Jeep wieder abschleppen wollte. “Ja, ich hab ihn stehen lassen. Und jetzt nehm ich ihn doch mit.“, hörte ich den Mann sagen, also lief ich schnell auf die beiden zu.
“Wie viel? Ich stelle einen Scheck aus.“, sagte ich. Auch wenn ich gar nicht die Befugnis dazu hatte, Schecks auszustellen.
“Darum geht es nicht. Die wollen ihn hier nicht, okay? Ich tue nur meine Pflicht.“ Scott baute sich vor dem Mann auf und versperrte ihm so den Weg. “Du willst keinen Ärger, oder? Ich schleppe das Teil jetzt ab. Und dann ist die Sache erledigt.“ Scott ballte die Hände zu Fäusten. Malia stand hinter dem Mann und durchbrach etwas aus Metall. Verwundert drehte sich der Typ um und sah sie an. “Ihr Truck ist kaputt.“, sagte Malia und lächelte triumphierend. Lächelnd sah ich meine Freunde an. Genau so kannte ich sie.

Als ich ein Brüllen wahrnahm, setzte ich mich ruckartig auf. Ich war im Jeep eingeschlafen. Scott neben mir sah sich auch erschrocken um. Sofort stiegen wir aus und liefen auf Malia zu, die uns fragend ansah. “Habt ihr das gehört?“, fragte sie.
“Ich denke, ganz Beacon Hills hat das gehört.“, erwiderte ich.
“Wer ist das?“, fragte Scott.
“Ich bin mir nicht sicher. Aber ich kann's rauskriegen.“, entgegnete Malia.
“Los!“, sagte ich, als sich die beiden nicht regten. Sofort liefen sie los.
Nach einer Weile kam Scott wieder und reichte mir einen Schlüssel. Also setzten wir uns sofort in den Jeep. Scott sah mich aufmunternd an, also steckte ich den Schlüssel ein und startete den Motor. Doch der Wagen sprang nicht an. “Nicht zu viel.“, befahl Scott, als ich öfter auf das Gaspedal trat.
“Was kann das denn bedeuten?“, fragte ich meinen besten Freund.
“Ich weiß es nicht.“, sagte dieser.
Frustriert drehte ich den Schlüssel noch einmal. Unerwartet gingen alle Lichter an und der Motor lief. Fröhliche sah ich Scott an, der mich ebenfalls lächelnd ansah. Mein Blick gleitete durch den Wagen. Plötzlich hörten wir wieder die Geräusche, die wir schon einmal wahrgenommen hatten. Scott drehte an einem Rädchen. Als ich eine Stimme hörte, deutete ich an, dass er aufhören sollte. “Warte, warte, warte.“, sagte ich und hörte genauer hin.
Hallo? Ist da irgendwer? Kann mich jemand hören?“, fragte eine Jungenstimme. Ungläubig blickte ich Scott an und griff nach dem Funkgerät. “Stiles?“, fragte ich vorsichtig. Mein Herz raste.
“Stiles, bist du da?“, fragte auch Scott.
Scott? Abby? Seid ihr das?“, hörte ich wieder die Stimme.
“Oh mein Gott, Stiles. Wir können dich hören.“, weinte ich.
Oh mein Gott, ihr kennt mich? Ihr erinnert euch an mich?“
“Stiles, bist du das... bist du das wirklich?“, fragte ich und schluckte den Kloß hinunter, der sich in meinem Hals gebildet hatte.
Ja, ich bin's. Erinnerst du dich an das letzte, das ich dir sagte?“
Scott sah mich erwartungsvoll voll an. Ich dachte nach und nickte dann, bis ich realisierte, dass er mich nicht sehen konnte.
“Du sagtest...“, begann ich und sah kurz Scott an. “Erinnere dich, dass ich dich liebe.“
Kurz herrschte eine Pause.
“Alles okay?“, fragte Scott an Stiles gewandt.
“Sag uns, wo du bist.“, sagte ich.
“Wir kommen dich holen.“
Nein, das könnt ihr nicht. Ihr seid nicht in der Lage mich zu finden.“
“Wieso denn? Stiles, was... was sagst du denn da? Sag uns einfach, wo du bist und wir kommen dich holen.“, machte Scott verzweifelt weiter.
Denkt nur an das Wort Canaan. Ihr müsst Canaan finden. Okay? Ihr müsst Canaan finden. Findet einfach Canaan.“
Dann brach die Verbindung ab.
“Stiles?“, rief Scott, “Stiles!“

Teen WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt