Der Angriff

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„Trolle so weit unten im Tal ... sehr ungewöhnlich", brummt Gandalf misstrauisch und klopf mit seinem Stab an dem Kopf eines der versteinernden Kreaturen. „Sie müssen vom Nebelgebirge heruntergekommen sein. Anderswo habe ich schon lange keine Steintrolle mehr angetroffen ... damals herrschte allerdings eine dunkle Macht über diesem Land." Thorin wendet sich dem Zauberer zu, nachdem er die auf den Boden liegenden Schmuckstücke, die mir aus der Tasche geglitten sind, durchsucht und sich daraus zielgerichtet die Kette, die ich ja eigentlich auch für ihn vorgesehen hatte, herausgenommen hat. „Sie müssen in der Nähe eine Höhle haben, in dem sie sich vor der Sonne verstecken und ihre Beute horten", mutmaßt er und ein seltsamer Schatten huscht über seine blauen Augen und verdunkelt sie für einen Moment unheilvoll.

Wir suchen die Umgebung ab und tatsächlich entdecken wir recht schnell die deutlich sichtbaren Spuren der schweren Trollstiefel, die tiefer in den Wald hineinführen. Sie lenken uns einen leichten Hügel hinauf und verborgen hinter dichten Büschen, finden wir schließlich die steinerne Tür zu einer Höhle. Die Zwerge müssen viel Kraft aufbringen und nur mit der Hilfe der stärkenden Zaubersprüche Gandalfs, schaffen sie es schließlich, die Tür aufzustoßen und augenblicklich kommt uns ein widerlicher Gestank entgegen, von dem mir entsetzlich übel wird. Deshalb ziehe ich es auch vor draußen zu warten, während der Zauberer und die Zwerge einer nach dem anderen unter der Erde verschwinden.

Als sie wieder herauskommen, tragen sie etliche Körbe mit Nahrung bei sich und Thorin und Gandalf zusätzlich, trotz der vielen anhaftenden silbrigen Spinnweben, edel wirkende Schwerter mit juwelenbesetzten Heften. Der Zauberer tritt auf mich zu und überreicht mir eines davon. Ein Kurzschwert in einer ledernen Scheide, für Menschen eher ein Messer, aber für hobbitmaße gerade richtig. „Das kann ich nicht annehmen, Gandalf", sage ich leise, „ich wüsste noch nicht einmal, wie ich es führen sollte." Der alte Zauberer lächelt sanft. „Dann wirst du es lernen, obwohl ich hoffe, dass du nie davon gebrauchen machen musst", entgegnet er väterlich und legt mir eine Hand auf die Schulter. "Es wurde von den Hochelben des ersten Zeitalters geschmiedet, eine bessere Klinge kann man sich nicht wünschen. Sie leuchtet blau, wenn Orks in der Nähe sind", sagt er geheimnisvoll und geht mit dem Thema abschließend an mir vorbei. Ich wiege ehrfürchtig das Schwert in meiner Hand und ziehe schließlich die Klinge aus der Scheide. Trotz seiner Größe ist es erstaunlich leicht, das Metall ist mit elbischen Runen und feinen Linien verziert, die sich über die gebogene Schneide schlängeln und ich hoffe wirklich, dass ich es nie einsetzen muss...

Während des Frühstücks beschließen wir, uns bis zum Mittag ein wenig Ruhe zu gönnen, da die ereignisreiche Nacht uns alle erschöpft hat. Die Zwerge richten sich ihr Lager und bereits wenig später schlafen die meisten ... begleitet durch die gewohnt lauten Töne ... tief und fest. Ich aber nehme mir ein paar neue Kleidungsstücke und ein Stück Seife aus meinem Rucksack. „Ich werde runter zum Fluss gehen und mich ein wenig frisch machen, damit du deinen Mantel wiedererhältst", sage ich leise zu Thorin, der an die Felswand gelehnt Wache hält. „Soll ich dich begleiten?", fragt er mich ebenfalls flüsternd, um die anderen nicht zu wecken. Ein leichtes Lächeln huscht über mein Gesicht. Es sind diese kleinen Gesten und Aufmerksamkeiten, die mir zeigen, dass er in gewisser Weise doch um mich besorgt ist. Ob aus persönlichen Beweggründen oder weil wir vertraglich aneinandergebunden sind und er es zwangsweise als seine Pflicht ansieht, da ich zu seinem Gefolge zähle, habe ich allerdings noch nicht herausfinden können. Allerdings möchte ich einige Dinge nun wirklich nicht in der Gesellschaft der männlichen Zwerge erledigen und deshalb schüttle ich nur verneinend mit meinem Kopf. „Wenn ich in Schwierigkeiten gerate, werde ich wieder zweimal schuhuuh wie eine Schleiereule und einmal wie eine Schnee-Eule machen", sage ich lächelnd und begebe mich auf den Weg zum Fluss.

Das kalte Nass erfrischt meinen geschundenen Körper, entfernt das getrocknete Blut und den Schmutz der letzten Nacht und beruhigt meine Wunden, die so zahlreich sind, dass ich sie kaum zählen kann. Das Flussbett ist tief, von den seit Jahrhunderten wirkenden Kräften des seichten Stroms geprägt und lässt das Wasser bis über meine Brust reichen. Ich fühle regelrecht, wie es seine Kraft auf mich überträgt und die Strapazen der letzten Tage von mir abwäscht und mit sich davonträgt. So von der heilenden Wirkung des Wassers gebannt, merke ich nicht, wie mich jemand geduckt von der Anhöhe aus aufmerksam überwacht.

Die kleine HobbitfrauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt