Was bedeutet Heimat?

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POV Fili

Diese Melodie ... dieses Er- und Verklingen von heiteren, klaren Tönen ... dem Gesang eines Vogels gleich, der den aufblühenden, neuen Leben verheißenden Frühling nach einem langen, kalten Winter bejubelt. Ein Geräusch, das diese dunklen, leidvollen Gänge so lange schon nicht mehr durchdrang und sich nun ungehindert ausbreitet wie ein gleißend-leuchtender Strahl aus silbernem Licht. Jede Spalte, jeden Riss füllt ... durch alle Kammern, Minen, Hallen schallt ... jedes Herz erreicht und begeistert ... sie mit Freude, Zuversicht und Leben bedeckt. Ein Lachen, das so natürlich und wahrhaftig ist und unverschleiert deutlich macht, was wir alle verspüren.

Ich vernehme es bereits leise und hell, als ich den Weg zu den Gemächern meines Onkels einschlage und willenlos bemächtigt sich auch ein Lächeln meiner Gesichtszüge, auch wenn es noch immer befremdlich wirkt in den kantigen, dämmrigen Hallen einer Zwergenbehausung. Bisweilen durfte ich es hören während unserer wagehalsigen und abenteuerlichen Reise. In den dichten Wäldern des Auenlandes, als wir das Irrlicht verfolgten ... unterdessen wir in Bruchtal ausgelassen zusammen tanzten ... in Beorns Haus, sobald Thorin ihr eine Geschichte erzählte und zuletzt in dem flüchtig-kurzen von allem Kummer befreiten Moment zwischen dem Wahnsinn eines Drachen und dem zerstörerischen Krieg. Und jedes Mal, war es eine mentale Stärkung gegen Wut, Kampf, Gefahr, Hunger und Kälte. Aber seitdem mein Onkel erwachte, scheint es gar nicht mehr verstummen zu wollen. Fortwährend verkündigt es unbändige, niemals aufgegebene Hoffnung und verdeutlich die Mächtigkeit des Geschöpfes, das diese Zuversicht verkörpert, auch wenn es aus einem Körper dringt, der schwach und wehrlos erscheint.

Meine Schritte beschleunigen sich unmerklich, als ich den Gang immer weiter entlanglaufe und das Lachen erstarkt mit jedem zurückgelegten Meter. Eine kleine Gruppe von Menschen, die im Berg Unterschlupf gefunden haben, kommt mir entgegen. Junge Frauen, beladen mit Stoffen und Decken, mit denen sie die Unterkünfte ausstatten wollen. Als sie mich bemerken, fangen sie an schüchtern zu tuscheln und hoch zu kichern, wie es nur Mädchen in ihrem Alter tun können. Ein Aufheben, das ich kenne und verblüfft kopfschüttelnd zur Kenntnis nehme, da es mich auch hier ereilt. Dem Thronfolger schöne Augen machen ... bei Mahal wie habe ich es gehasst und gleichzeitig genossen, als ich noch im Ered Luin wohnte. Kili und mir wurde die Ansehnlichkeit der Durins geschenkt ... Fluch und Segen zugleich ... wie es unsere Mutter immer betonte, wenn sie erneut zu hören bekam, dass eine junge Zwergin sich unsterblich in einen von uns verliebt hatte und mein Onkel das Heiratsersuchen ihres Vaters abwies. Eine Verlobung aus materiellen oder Machtgründen kam für ihn nie in Frage. Stets wurden wir als Erstes gefragt, ob die Verbindung wohlwollen bei uns fand ... und jedes Mal lehnten wird mit der Begründung ab, noch zu jung zu sein. Was uns natürlich nicht davon abhielt, den Verehrerinnen anderweitig näher zu kommen, eine Freiheit, die wir auch so schnell nicht aufgeben wollten und die Abwehr zu einer dauerhaften Vereinigung noch bestärkte.

Als die jungen Frauen, viele davon kaum größer als ich, an mir vorbeilaufen, nicke ich ihnen wohlwollend lächelnd zu und selbst in der schattigen Helligkeit des Ganges, kann ich ihre errötenden Gesichter erkennen, die einige schamhaft versuchen zusätzlich hinter den getragenen Stoffbergen zu verstecken. Und dann senkt sich meine Wahrnehmung auf sie ... die bronzefarbenen Haare locker zusammengebunden, sodass nur einzelne Wellen über die schmalen Schultern fallen ... die sanften, braunen Augen mustern mich unter langen Wimpern interessiert und kein Hauch Befangenheit ist in ihnen zu erkennen. Ich bleibe wie gebannt stehen und sie tut es mir gleich ... die Blicke gefesselt in Herzklopfen und Bewunderung.

„Ihr seid Bards älteste Töchter ... Sigrid, wenn ich mich recht erinnere", frage ich schließlich und das erhitzt-aufgeregte, tiefe Einatmen ihrer Begleiterinnen neben uns ist kaum zu überhören. Sie senkt ihren Blick und knickst achtungsvoll, darum bemüht, die waghalsig hoch aufgetürmten Decken auf ihrem Arm ob der Bewegung nicht fallen zu lassen. „Ja, Hoheit, die bin ich", gibt Sigrid mir als Bestätigung und ich bedeute ihr, sich wiederaufzurichten. „Es freut mich, dass es Euch gut geht und hoffe, Ihr und Eure Familie seit angemessen untergebracht und es fehlt Euch an Nichts unter den gegebenen Umständen." Erst jetzt stielt sich eine hauchzarte, bezaubernde Rötung auf ihre Wangen und sie wirft ihren Freundinnen einen mahnenden Blick zu, als diese beginnen verzückt zu tuscheln. „Ich danke Euch, Hoheit ... es mangelt uns tatsächlich an Nichts und wir sind dankbar, dass Ihr uns Zuflucht gewährt", sagt sie flüsternd und die brennende Schuld, dass wir eigentlich dafür verantwortlich sind, dass so viele ihre Heimat verloren, wütet erneut durch meine Adern.

Die kleine HobbitfrauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt