Die Pflichten eines Königs

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Kurze Zeit später sitzen wir in einer geräumigen Halle innerhalb des Haupthauses, die von Fackeln an den Wänden und einem großen Ofenfeuer, das in der Mitte brennt, flackernd erhellt wird. Auf dem niedrigen Tisch vor uns sind allerlei Köstlichkeiten aufgebahrt, die größtenteils aus Milch, Honig, Gemüse, Obst, Eiern und Käse bestehen. Fleisch ist Beorn zuwider, denn dafür hätte er seine oder die Tiere des Waldes töten müssen und auch wenn vor allem die Zwerge diese Zutat vermissten, so akzeptierten sie seine Abneigung. Innerhalb des Hauses haben auch Schafe, Ziegen, gewaltige Rinder mit ebenso gigantischen Hörnern, große, langbeinige, graue Hunde und etliches an Federvieh ihre Unterkunft. Alle sind besonders, scheinen mit ihren Herren durch eine eigene Sprache zu kommunizieren und besitzen besondere Fähigkeiten, die sie ungewöhnlich intelligent wirken lassen. Noch nie habe ich solche wundervollen Tiere bestaunen können ...

Beorn erzählt uns mit seiner tiefen Brummstimme Geschichten, die sich um allerlei gute und böse Geschöpfe, die diesseits des Gebirges leben, drehen und um den Düsterwald, der noch zwischen uns und dem einsamen Berg liegt. Wir offenbaren ihm unsere abenteuerlichen Erlebnisse, wie wir vor dem Gewittersturm auf dem Bergpfad Schutz in einer Höhle gesucht haben und dann von den Orks gefangen genommen worden. Wie Gandalf uns befreit hat, von dem Angriff Azogs und seiner Söldner, Thorins mutigem Aufbegehren und unserer Rettung durch die Adler. „Und was bringt euch dazu, euch in solch eine gefährliche Lage zu begeben?", fragt Beorn schließlich und sieht dabei Thorin eindringlich an. Der angesprochene dreht ausweichend seinen Blick und geradewegs zu mir. Seine vieldeutigen Augen, die bis auf den Grund meiner Seele zu dringen scheinen, lassen mir einen kribbelnden Schauer über den Rücken jagen. „Ihr wollt zum Berg und den Drachen vertreiben, der sich eurer Schätze angenommen hat, nicht wahr?!", vermutet Beorn richtig und Thorin schaut ihn wieder direkt an. „Und wenn es so wäre?!" Beorn hebt seinen Krug und leert ihm mit einem mächtigen Zug. „Eine böse Macht beschützt diesen Drachen ... ich hoffe, ihr seid gut auf ihn vorbereitet." Langsam wird es draußen Nacht und von den Strapazen der letzten Tage ermattet, schlafe ich schließlich mit dem Kopf auf dem Tisch liegend, zum Klang seiner melodischen Stimme und dem Gesang der Zwerge ein.

Am nächsten Morgen erwache ich allerdings auf einem weichen Heuhaufen liegend und zugedeckt mit einer warmen, flaumigen Wolldecke. Ich reibe mir noch immer verschlafend meine Augen und strecke mich ausgiebig. Seit Langem habe ich nicht mehr so gut geschlafen und fühle mich unglaublich ausgeruht. Ich schüttle meinen Kopf, um die letzten Überbleibsel meiner Träume zu verbannen, in denen ich einen großen, schwarzen Bären um das Haus habe schleichen hören und stehe schließlich auf. Die Zwerge sitzen bereits um den Tisch herum und frühstücken ausgiebig. Beorn und Gandalf kann ich nirgendwo entdecken und Dori erzählt mir beiläufig, dass beide sich schon sehr früh aufgemacht haben.

Auch den Rest des Tages verbringen wir alleine. Beorn hatte uns gestern noch gestattet, sein Gut erkunden zu können, solange wir nichts zerstören oder die Tiere stören. Also begebe ich mich nachmittags nach draußen. Die Sonne scheint erneut ungetrübt und warm vom Himmel und lässt die Blumen, von denen mir viele völlig unbekannt sind, einen betörenden Duft verbreiten. In allen erdenklichen Farben leuchten sie zwischen dem Grün des Grases hervor, umgarnt von den Bienen. Ich laufe zwischen ihnen hindurch, immer darauf bedacht, keine durch meine großen Hobbitfüße zu zerquetschen, bis ich plötzlich unweit von mir die Pferde entdecke. Sie haben mich längst bemerkt und schauen mich interessiert an. Das Größte von ihnen kommt schließlich langsam auf mich zu. Schwarze Mähne und Schweif wehen im seichten Wind und ich senke meinen Kopf, um es nicht zu erschrecken. Als er vor mir steht, strecke ich ganz vorsichtig meine flache Hand aus. Seine Nüstern blähen sich und es nickt schnaubend leicht mit seinem Kopf. Ich habe noch nie ein so wunderschönes und anmutiges Tier gesehen. Nach einigen Momenten, in denen es mich einschätzend beschnüffelt hat, legt es schließlich sein weiches und von kitzelnden Barthaaren bedecktes Maul in meine Hand. Bestärkt durch diesen vertrauensvollen ersten Schritt, schaue ich es an. Seine blauen Augen, die durch unglaublich lange Wimpern umrandet sind, mustern mich interessiert und ein klein wenig auffordernd. Vorsichtig lasse ich meine andere Hand über seine Blässe wandern, gehe um es herum und streichle seinen starken Hals unter der weichen Mähne. Es ist so ein Berauschendes Gefühl, diesem einzigartigen Wesen so nahe zu sein und sein Zutrauen zu haben.

Die kleine HobbitfrauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt