Ich würde für dich sterben

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„Flüchtet auf die Bäume", schreit Thorin und läuft bereits auf die am Klippenrand stehenden Kiefern zu, dessen untere Äste tief ansetzten und stark genug sind, um uns zu tragen, und schneller, als wir es je für möglich gehalten haben, hängen wir in ihrem Geäst. Alle bis auf mich ... verzweifelt versuche ich einen Ast zu erreichen, aber so sehr ich mich auch anstrenge, meine Finger kommen an keinen heran. Als ich mich umdrehe, sehe ich bereits die Warge aus dem Wald zu uns herüber stürmen. Ihre gefletschten Zähne blitzen gefährlich im Mondschein und feurig rot leuchtende Augen spiegeln ihre Mordlust wieder. Plötzlich höre ich Noris Stimme nach mir rufen und als ich hinaufschaue, sehe ich seine Hand, die er mir entgegenstreckt. Erleichtert greife ich nach ihr und gerade noch rechtzeitig, zieht er mich auf einen der untersten Äste, von dem ich ohne Hilfe weiter hinaufklettern kann. Im nächsten Augenblick erreichen die wilden Wölfe die Klippe und schnappen nach meinem Fuß, den ich glücklicherweise gerade noch im letzten Moment retten kann.

Da sitzen wir nun ... 13 Zwerge, ein Zauberer und ein Hobbit ... verteilt auf drei Bäumen, die gefährlich nahe an einem Abgrund stehen und werden von bösartigen und angriffslustigen Wargen umkreist, die teilweise genauso schreckliche Orks auf ihren Rücken tragen. Ihr Knurren und Heulen und Geifer vermischt sich zu einem Missklang, der mir in den Ohren schmerzt. Aber plötzlich halten sie inne und schauen ehrfürchtig zu einem Neuankömmling, der nicht weit von uns gebieterisch auf einen flachen Felsen schreitet ... ein bleicher Ork auf einem ebenso weißen Warg mit gelblich leuchtenden Augen. „Azog", höre ich Thorin neben mir bei seinem Anblick fassungslos murmeln. Sein Gesicht ist von Narben entstellt ... inwieweit das bei einem Ork überhaupt noch möglich ist ... und die untere Hälfte seines linken Arms fehlt. Er redet etwas in der dunklen Sprache der Orks, aus der ich nur Thorins Namen entnehmen kann. „Das kann nicht sein?!", der Angesprochene ist sichtlich verwundert über das Erscheinen seines Erzfeindes, wähnte er ihn doch schon längst an seinen Verletzungen zugrunde gegangen.

Azog zeigt mit seiner gewaltigen Keule auf uns und im nächsten Moment stürmen die Warge erneut zum Angriff. Immer wieder springen sie an den Stämmen der Bäume empor, zerren an den Ästen und irgendwann geben die Wurzeln nach und müssen ihre mühevoll errungene Verankerung vom Boden lösen. Und auch der nächste Baum gibt unter der Belastung nach und kippt und schließlich finden wir uns alle zusammen auf dem als letzten übrig gebliebenen wieder. Unter uns die wütenden Warge, vor uns der Abgrund in ein Tal, dessen Boden wir durch die Dunkelheit noch nicht einmal annähernd ausmachen können.

Das zufriedene dunkle Lachen von Azog dröhnt durch die Luft zu uns herüber. Angstvoll schaue ich mich um, meine Finger krallen sich in das Holz des Baumes und ich habe mir noch nie mehr gewünscht, jetzt sicher und geborgen in meinem Sessel zu sitzen. Plötzlich fliegt ein brennender Tannenzapfen an mir vorbei und trifft einen der Warge, der daraufhin laut jaulend davonrennt. Augenblicklich fangen die trockenen Heidekräuter unter uns Feuer und die Wölfe springen panisch auseinander. Ich sehe nach oben, wo Gandalf mit seinem Stab erneut einen Zapfen entzündet und herunterwirft. Von dem Feuer eingeschüchtert, fliehen die Warge, ungeachtet des wütenden Gebrülls ihrer Herren.

Wir jubeln bereits siegessicher, als ein Ruck durch die Äste geht und auch dieser Baum sich nicht länger am Stein halten kann. Schlagartig rasen wir abwärts, bis der Fall auf einmal gestoppt wird. Die Wurzeln sind doch stärker als gedacht und geben nicht so schnell auf. Ich halte mich der Verzweiflung nahe mit aller Kraft an einem Ast fest, flehende Gebete zu Ilúvatar und allen Valar ausstoßend, als ich plötzlich wahrnehme, wie Thorin sich neben mir auf den Stamm zieht und aufsteht. Er befreit mit einer geschmeidigen Bewegung Orcrist aus seiner Scheide, starrt fest und furchtlos zu Azog hinüber und als er sich langsam, aber entschlossen, in Bewegung setzt, wird mir klar, was er vorhat. „Thorin ... nein ...", flüstere ich verängstigt, denn ich befürchte, dass er seinem Tod entgegengehen wird.

Die kleine HobbitfrauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt