Von Drachen und ihren Schwächen

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Behutsam gehe ich die Treppe hinunter, deren Ende sich in den Kostbarkeiten verliert. Die Münzen kommen ins Rutschen, als ich den ersten Fuß auf sie setzte und prallen zum Glück leise klirrend an goldene Pokale und silberne Teller. Erneut lasse ich meinen ratlosen Blick über die sich vor mir aufbauenden Berge schweifen ... wie bei Ilúvatar soll ich hier diesen Arkenstein finden ... Selbst wenn es keinen Drachen geben würde, der kurz angemerkt jederzeit aufwachen und mich verspeisen könnte, ich würde Jahre ... wenn nicht Jahrzehnte ... brauchen, um auch nur die Oberfläche abzusuchen. Was will man nur mit so unermesslich vielen Reichtümern?!

Ich schnaufe aus ... alles Zaudern und Wundern nützt ja nichts ... ich habe Thorin versprochen, dass ich es zumindest versuche und das werde ich auch. Achtsam gehe ich weiter, hebe hier und da einen Edelstein auf, der auch nur im Entferntesten zu der Beschreibung von Balin passt, aber alle gebe mir nicht das vorausgesagte Gefühl, als wäre es das, was ich suche. Ab und an betrachte ich sprachlos eine edelsteinfunkelnde Kette oder silberglänzende Tiara ... Schmuckstücke, so auserlesen wertvoll und hauchzart gearbeitet, wie ich noch nie etwas dergleichen gesehen habe. So grob und ungelenk Zwerge auch erscheinen, ihre Fingerfertigkeiten sind einmalig. Je tiefer ich in die Halle vordringe, umso gewaltiger erscheinen mir die Ausmaße des Schatzes, denn hinter jeder Säule türmt sich ein neuer gigantischer Berg Kleinode auf und lässt meinen Enthusiasmus ein klein wenig mehr Einstürzen.

Bis jetzt habe ich um den Bereich, in dem ich den Drachen vermute, einen großen Bogen gemacht, aber irgendwie sagt mir mein Gefühl, dass ich den Arkenstein genau dort finden werde. Wenn er so kostbar ist, weiß dass der Drache auch und wird bestimmt ganz besonders auf ihn Acht geben wollen. Lange überlege und schwanke ich ... ringe mit mir und meiner Angst ... aber nachdem ich meinen Mut auch aus den tiefsten Winkeln meines Daseins zusammengefasst habe, schleiche ich mich zu der Säule, hinter der das rot glühende Licht hervorkommt.

Als ich vorsichtig um diese herumblicke, verschlägt es mir fast den Atem vor Angst und Bewunderung zugleich. Dort liegt er und schläft, hoffentlich tief und fest ... Smaug ... der Goldene ... Letzter der großen Drachen Mittelerdes. Ein Dröhnen kommt aus seinem Maul und von seinen Nüstern steigen kleine schwarze, sich kringelnde Rauchschwaden auf. Mit jedem Atemzug leuchtet in der Brust sein schwellendes Feuer auf und verursacht das Glühen, das sich auf den Kostbarkeiten um ihn herum widerspiegelt. Mehrere unterschiedlich lange Hörner ragen aus seinem schmalen Kopf mit der langen, spitzzulaufenden Schnauze und den teilweise daraus hervorlugenden Zähnen. Der großschuppige und mit unterschiedlich riesigen Stacheln gespickte Panzer schimmert rotgolden im Blendwerk. Die Klauen an den jeweils drei Zehen seiner vier Füße sind unglaublich lang und machen den Eindruck, messerscharf zu sein. Die kräftigen Flügel hat er schützend um sich gelegt, genauso wie den langen, dornenbewährten Schwanz, der in einer knöchernen Keule endet. Er ist so gewaltig ... mächtiger noch, als ich ihn mir je vorstellen konnte und dabei nur der kleinste Vertreter seiner Rasse ... wie monströser muss dann erst Ancalagon, der Schwarze Drache, der im Krieg des Zorns besiegt wurde, gewesen sein.

(AN: ; Ich habe Smaug absichtlich nicht als Wyvern-Drache dargestellt, so wie er im Film zu sehen ist, sondern als Europäischer-Drache. Die Arten unterscheiden sich vor allem durch die Anzahl der Beine und ihrer (vermeintlichen) Lebensweise, die ich für den goldhortenden Smaug zutreffender finde.)

Lange starre ich ihn mit wild schlagenden Herzen einfach nur an, die Gefahr, in der ich mich befinde ausblendend. Die bösen Kreaturen Mittelerdes sind hässlich und abstoßend ... aber von diesem Drachen geht eine unglaubliche Anziehungskraft aus und in gewisser Weise ist er faszinierend und sogar anmutig anzusehen. Und dann sehe ich ihn ... den Arkenstein. Ein großer, weißer und wunderschön geschliffener Edelstein, der in seinem Inneren in den unterschiedlichen Farben schwach leuchtet und ebenso das rote Glühen des Drachenfeuers imitiert. Ich atme erstaunt aus ... noch nie habe ich so etwas Kostbares und Betörendes gesehen und er scheint mich augenblicklich in seinen unermesslich kraftvoll scheinenden Bann zu ziehen. Aber da gibt es ein Problem ... Smaug ... der eine seiner Krallen direkt auf ihn abgelegt hat, um ihn zu behüten, so wie ich es mir bereits gedacht habe.

Die kleine HobbitfrauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt