und einen Moment lang, war alles gut.

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Retrospektive Bil

Die Haut meiner Mutter ist blass ... bildet kaum einen Kontrast zu den Weiß der Laken, auf dem ich ihren ausgezehrten Körper gebettet habe. Ich halte zitternd ihre kraftlose Hand und versuche ihre spröden Lippen mit etwas Feuchtigkeit aus einem Leinentuch zu benetzen. Die Heiler haben sie aufgegeben ... meine Tanten und Onkel waren hier um sich ein letztes Mal zu verabschieden und mein Vater betrinkt und vergnügt sich seit Tage lieber weit entfernt in Gasthäusern und Bordellen, nur damit er ihren elenden Zustand nicht sehen muss. In unserer Höhle ist es still, den nur Isegrim ist noch bei uns geblieben um mich bei ihrer Versorgung zu unterstützen, ungeachtet seiner Stellung und dringlichen Verpflichtungen als Thain und ich bin ihn zutiefst dankbar dafür.

„Weine nicht um mich Ghivashel ... ich weiß, dass ich gehen muss und das Einzige, was mich dabei traurig stimmt, ist, dass ich dich alleine zurücklasse." Ihre Stimme ist nur noch ein geflüsterter Schatten ihres Selbst und jedes Wort strengt sie sichtlich an. Ich streiche ihr eine Strähne des glanzlosen Haares aus dem Gesicht und hauche einen Kuss auf die raue und bereits langsam erkaltende Hand. Meine Augen beginnen zu brennen und nur wie durch einen alles verschluckenden Nebel nehme ich wahr, wie die Tür zaghaft geöffnet wird und mein Onkel hereinkommt. „Ich wünsche mir nur Eines von dir, damit ich in Ruhe gehen kann ...", flüstert sie und ich beuge mich zu ihr herunter, denn die gequält ausgestoßenen Laute werden immer schwächer. „Begehe nicht den gleichen Fehler wie ich ... liebe wer dich liebt ... lebe kein Leben, das von Schmerz, Missgunst und Hartherzigkeit bestimmt ist. Versprich mir, dass du deine Liebe niemals anzweifeln und ihre Aufrichtigkeit infrage stellen wirst ... denn lieben und geliebt zu werden, ist das Schönste, dass dir jemals widerfahren kann ..." Jeder ihrer Worte vergräbt sich in meinem Herz und die ersten Tränen fallen auf ihr Gesicht. „Ich verspreche es dir ...", hauche ich aus und mein Schwur zaubert ihr das letzte Lächeln ihres Daseins auf die Lippen.

Ich nehme die trostspendenden Umarmungen meiner Verwandten kaum wahr, als ich vor ihrem mit weißen Rosen und zartrosa Kirschbaumästen geschmückten Sarg stehe. Die Gruft der Tuks ist dunkel und weitläufig, voll mit Trauer und Erinnerungen an die hier Liegenden und meine Mutter ist nun zu eine von ihnen geworden. Und trotzdem ich ihr Sterben begleitete, ihren toten Körper der Tradition nach in ihr bestes Kleid gehüllt und sie zusammen mit meinem Vater in den Sarg gehoben habe, kann ich es immer noch nicht glauben, dass sie nicht mehr bei mir ist. Ihre Stimme ... zart und herzlich ... hallt in meinem Kopf wieder ... der Duft ihrer weichen langen Haare ... nach Erde und Lavendel ... scheint bis auf alle Ewigkeit in meinem Gedächtnis eingebrannt zu sein und mein Herz zieht sich schmerzvoll zusammen, als mit letztendlich doch bewusst wird, dass ich die herrliche und mich, seit meiner Geburt begleitende Kombination all dieser Dinge niemals wieder erleben kann.

Mein Onkel lässt seine Hand trostreich und schmerzlindernd auf meiner Schulter verweilen und legt einen der vielen Steine aus ihrer Sammlung auf den hölzernen Deckel des Sarges ... ein schwarzglänzender Ilmenit, wertlos zwar, aber eines ihrer liebsten Stücke. Mit einem letzten ermutigenden Blick wendet er sich ab und dann bin ich alleine mit meiner Trauer und Betrübnis. Tränen habe ich keine mehr, so viele habe ich bereits heiß und unkontrolliert in den letzten Tagen vergossen und so ist das Letzte was ich ihr geben kann ihr Haarreif, denn ich die ganze Zeit haltsuchend umklammert habe. Bedächtig lege ich das filigrane Kunstwerk aus Silber und Rosenspat auf einen der Kirschzweige ab. „Ich werde mich immer an mein Versprechen erinnern", beteure ich noch einmal und verlasse dann die Gruft, unfähig schon in diesem Moment zu wissen, dass ich es brechen werde, aus den gleichen Gründen, aus denen auch sie ihre wahre Liebe verleugnete.

Die gleißend-helle Sonne die mich draußen nach der Dunkelheit empfängt, foltert unvermittelt meine geröteten und brennenden Augen. Schützend lege ich meine Hände über sie und versuche den stechenden Kopfschmerz zu verbannen, einen klaren Kopf zu bewahren, obwohl ich mich lieber in eine tief gelegene Ecke einer weltenfernen Höhle zurückziehen möchte. Als der Schmerz langsam versiegt, entferne ich die verdunkelnden Hände und unerwartet sehe ich einige Meter vor mir eine Gestalt auf einer kleinen Anhöhe von mir stehen. Sie scheint kein Hobbit zu sein, obwohl die gebeugte Haltung ihre wirkliche Größe verfälscht. Und je mehr sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnen, umso deutlicher erkenne ich, dass es sich um einen Zwerg handelt. Das Gesicht verborgen durch die in seinem Rücken stehende Sonne. Seine Kleidung ist edel und das Zaumzeug des ruhig an seiner Seite grasenden Ponys hochwertig. Die im seichten Wind wehenden schwarzen Haare und der dunkle Bart sind mit im Sonnenlicht glänzenden Metallperlen verziert. Und selbst von hier aus, kann ich das Leuchten seiner eisblauen Augen erkennen, auch wenn sie von Trauer und Schuld und Gewissensqualen gezeichnet zu sein scheinen. Ich starre ihn einfach nur an, unfähig mich im Angesicht seiner selbst auf diese Distanz zu spürenden, unbeschreiblich Einfluss ausstrahlenden Präsenz zu bewegen, und merkwürdigerweise kommt er mir bekannt vor, so als ob ich ihm schon einmal begegnet bin.

Die kleine HobbitfrauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt