Die Geister des Berges

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Die Tage vergehen schnell und überwiegend glücklich und als er sieht, dass alles Gut und Richtig ist, beschließt Gandalf uns zu verlassen ... plötzlich und unerwartet, wie es sich für einen Zauberer geziemt. Seit Anbeginn des Abenteuers stand er an unserer Seite ... immer mit weisen Ratschlag, immer mit guten Worten ... und nun will er einfach so gehen.

Die Gemeinschaft Thorin Eichenschilds ... dreizehn Zwerge und ein Hobbit ... steht versammelt am bereits weit geöffneten Ausgangstor um ihn zu verabschieden und ich bemühe mich verzweifelt nicht zu weinen. Aber als er jedem von uns wohlwollend zum Abschied seine Hand auf die Schulter legt, kann ich die langsam brennend-aufsteigenden Tränen nicht mehr zurückhalten. „Du bist uns immer willkommen, Tharkûn. Wir haben dir viel zu verdanken ... ich habe dir viel zu verdanken", sagt Thorin respektvoll und erhält ein anerkennendes Lächeln von dem alten Zauberer.

Als er als Letztes vor mich tritt, kann ich trotz aller angestrebten Willensstärke nur mit tränennassem Gesicht zu ihm hinaufschauen. „Weine nicht, meine liebe Bil", beginnt er väterlich und legt auch mir seine gütige Hand auf die Schulter. „Ich werde vorbeikommen, sooft mich mein Weg in diese Lande führt", versichert er mit warmherziger Stimme und aller Etikette trotzend, werfe ich mich haltlos schluchzend in seine Arme und als ob meine Tränen auch die sonst so störrischen Dämme bei den Zwergen zum Einstürzen bringen würden, höre ich einige von ihnen leise über den Verlust unseres Zauberers wehklagen. Sanft löst er sich und schaut mich mit seinen so vertrauten eisblauen Augen an, die fast nicht unter den buschigen Augenbrauen zu erkennen sind. „Auch wenn du nicht ins Auenland zurückkehrst, du bist eine Andere geworden, so wie ich es dir prophezeit habe", sagt er bedeutungsvoll und ich lache erstickt.

Ja das bin ich wirklich ... vergangen ist die kleine, ängstliche und schüchterne Hobbitfrau von damals, die nichts von der Welt, ihren Gefahren und Wundern wusste und auch außerhalb beschriebener Seiten nichts wissen wollte. Die Wandlungen waren mitunter klein, aber gewaltig in ihren Auswirkungen und ich werde ihm auf ewig meinen Dank schulden, dass er diese heraufbeschworen hat. Noch lange winken wir Gandalf hinterher, bis das Braun des Pferdes und das Grau des Mantels nicht mehr am dunstigen Horizont auszumachen ist.

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Allerdings, bei allem reichlich Guten, noch immer gibt es Momente, in denen die Schatten des Vergangenen durch die lichtdurchfluteten Hallen wabern wie ein schwerer grauer Nebel an einem dunklen Wintermorgen.

Seitdem Dáin seinen Anteil aus dem gehorteten Besitz der Zwerge entnommen hat, habe ich die Schatzkammer nicht mehr betreten. Ich vermied es regelrecht auch nur in die Nähe der goldenen und mit Diamanten und Runen verzierten Türen, die diese verschließen, zu kommen. Aber als Balin mir eines Tages aufgeregt mitteilt, dass er Thorin in deren Richtung gehen sah, durchfährt ein Schrecken den zitternden Körper, der meine Gedanken genauso verschleiert wie eben dieser Nebel. Ich bemühe mich noch nicht einmal darum einen halbwegs herrschaftlichen Anblick abzugeben, als ich so schnell mich meine Hobbitfüße tragen können durch die Gänge eile.

Als ich an der Kammer ankomme, stehen die Türen wie ich befürchtet habe weit offen und der Widerschein der Kostbarkeiten erhellt den Vorraum. Langsam und mit vor Besorgnis wild schlagenden Herzen betrete ich die Halle, und das vielfarbig- changierende Licht malträtiert die angsttränenüberfluteten Augen. Thorin steht vor den Ausläufer einer der Schatzberge und beobachtet mehrere der Zwerge, die hier bereits seit vielen Wochen versuchen die schier unvorstellbare Menge an Kleinoden zu ordnen, damit die versprochenen Anteile ausgezahlt werden können. Achtsam gehe ich auf ihn zu und bereits an den vertrauten Schritten erkennt er das Näherkommen und dreht sich zu mir um. Und erneut sehe ich diesen schwarzen Unheilschatten auf den Augen liegen, düsterer und gefährlicher noch, als er bereits vor einigen Tagen war.

Die kleine HobbitfrauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt