Die Erfüllung von Wünschen

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Die folgenden Tage sind überfüllt durch Zusammenkünfte und Verhandlungen mit den anderen Herrschern. Friedens- und Handelsverträge werden abgeschlossen, Bündnisse geknüpft oder erneuert und es vergeht kaum eine Minute, in dem Thorin nicht von Beratern und anderen hochwohlgeborenen Abgesandten umgeben ist. Ich sehe ihn kaum noch, denn er scheint selbst kaum mehr zu ruhen und dadurch wenigstens mit mir das Bett zu teilen. Wenn er müde und abgeschlagen spät nachts unser Gemach aufsucht, schlafe ich bereits und er steht auf, manchmal Stunden bevor ich wieder erwache. Dieser Umstand zehrt an meinen Inneren wie ein schwerer Stein und lässt das Herz schmerzlich aufschreien, war ich doch die letzten Monate kaum mehr als einige Stunden von ihm getrennt. Auch wenn ich andere wichtig erscheinende Aufgaben habe, die ich zusammen mit meinen Freunden bewerkstellige, die meinen veränderten Gemütszustand natürlich bemerken und mich so gut es ihnen möglich ist versuchen aufzumuntern ... ich vermisse ihn schrecklich.

„Majestät?" Ich höre den mir geltenden Titel, von dem ich allerdings noch immer nicht vollends begreifen kann, dass er nun wirklich und unantastbar meiner Stellung entspricht, aber ich fühle mich einfach nicht in der Lage darauf zu reagieren. „Majestät?" Nunmehr wird er bereits eindringlicher ausgesprochen und ich vernehme die Unruhe, die in Dwalins sonst so brummig-festen Stimme mitschwingt. „Bil?" Erst jetzt sehe ich von den in dem Schoß zusammengefalteten Händen auf, direkt in mehr als nur besorgte Augen, die mich mustern. „Kindchen ... lass dein Herz nicht so unglücklich werden. Es kommen auch wieder ruhigere Zeiten", versucht Bifur mir einzureden und ich lächle ihn dankend an, merke aber, wie schwer es mir fällt die Mundwinkel zu heben.

Bifur, Dwalin, Bofur und Ori werfen sich sofort eindringliche Blicke zu und schieben die vielen losen Blätter, dicken Bücher und staubigen Pergamentrollen, die wir gerade auf der Suche nach alten Verträgen und Übereinkünften durchforstet haben, zur Seite. „Wir zeigen dir jetzt etwas Schönes, bei diesen unbefriedigenden Tätigkeiten kann man ja nur Depressionen bekommen" brummt Dwalin und zieht mich mit sich nach oben, ungeachtet der protestierenden Abwehr.

Sie führen mich in einen Bereich des Berges, den ich seither nur selten betreten habe, denn hier liegen die einstigen Werkstätten der Handwerker. Von dem damalig hier vorherrschenden Bild, kurz nachdem Smaug vertrieben wurde und ich umhergeisterte um Thorins Wahn zu entfliehen, ist nicht einmal mehr ein Staubkorn übrig geblieben, und erneut wird mir bewusst, wie betriebsam und leistungsfähig Zwerge doch sind. Bifur schließt die Tür einer der Arbeitsräume auf. Sie ist alt und die rostigen Scharniere knarzen, während sie aufschwingt. Drinnen empfängt uns geheimnisvolle Dunkelheit und die Luft riecht schwer nach altem Holz und aufgewirbelten Staub. Ich betrete nur unsicheren Schrittes den Raum, trotz der zuverlässigen Führung von Ori. Bofur, der sich in der Finsternis erstaunlich gut zurechtzufinden scheint, so als ob er hier beinahe jeden Tag verbringt, zündet schließlich eine der Kerzenleuchter an und stellt sie auf eine alte Werkbank. Und was sich mir im Schein der Flammen auf den Tischen liegend und in den hohen Regalen stehend offenbart, bringt tatsächlich die Freude in mein Herz zurück.

Spielsachen ... Puppen, kleine und große Tiere aus Holz, Pferdewagen, filigrane Möbelstücke, Kreisel, Holzschwerter, schillernd-bunte Murmel aus Glas und lederne Bälle. Ich weiß, dass Bifur Spielzeugmacher in den Ered Luin war und Bofur ihm oft mit geschickten Fingern zur Hand ging, besonders, als in der Folge eines Okrangriffes auf einen vom ihm begleiteten Handelszug die sich dabei in seinen Kopf verirrende Axt nicht mehr entfernt werden konnte. Aber dass er so hochbegabt in diesem Handwerk ist, hätte ich nie vermutet.

Ich nehme wieder ehrlich und mit Leichtigkeit lächelnd einer der kleinen Stoffpuppen zur Hand. Sie hat braune Haare aus Wolle, ist in einfache mir auf eine besondere Art sehr vertraut vorkommende Kleider gehüllt und hat ... große Hobbitfüße. „Eine Hobbitpuppe ... o je", stoße ich aus und beginne gleichzeitig zu lachen ... hell und unbeschwert wie seit einigen Tagen schon nicht mehr. „Sie ist dir nachempfunden und wird bestimmt ein Erfolgsartikel", sagt Bifur und zeigt stolz auf das kleine Schwert, das wohl Stich imitieren soll.

Die kleine HobbitfrauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt