Thorins tiefe Stimme bittet mich nur wenige Augenblicke später durch das dunkle Holz der Tür hinein. Achtsam drücke ich die Klinge herunter und trete in das nur mit wenigen flackernden Kerzen erhellte Königsgemach. Selten war ich bislang hier ... es ist ähnlich geschnitten wie meine Räumlichkeiten, aber bedeutend prunkvoller eingerichtet. Mit Raben verzierte, wie Bäume anmutende steinerne Säulen, die eine hohe kuppelförmige Decke stützen, kunstvolle Banner des Hauses Durins an den mit zum Glück wenigen Goldadern durchwirkten Wänden, schwere Sessel vor einem elbhohen feuerlosen Kamin, jedes Geräusch verschluckende Teppiche und ein gigantischer schwarzer Sekretär bestimmen den Salon. Thorin steht an dem zuletzt bemerkten und studiert stumm eine große Karte von Rhovanion. Das flammende Licht der Kerze vor ihm illuminiert schattenhaft sein ernstes Gesicht. Er hat die Rüstung abgelegt, trägt nur eine einfache dunkelblaue Tunika über der schwarzen Hose und die dichten Haare fallen ihm lockig und schwer über die Schultern. Ich muss unruhig schlucken, denn in diesem so schmucklosen Moment wirkt er dermaßen vollkommen und erhaben auf mich ... stark, majestätisch, bescheiden und vor allem begehrenswert ... so wie ein unbearbeitetes Mineral ... nur in der Natürlichkeit wunderschön.
Wie es sich geziemt, schweige ich untergeben bis er mich anspricht ... was zum Glück nicht lange auf sich warten lässt, denn wie schon so oft, scheint er meine Anwesenheit regelrecht spüren zu können. „Was möchtest du, Bil?", fragt er mich schließlich brummig, ohne sich auch nur einmal umzublicken. Ich würge beständig den harten Kloß in meinem Hals herunter, der sich darin unablässig bildet ... mir fast die Luft zum Atmen nimmt und schwer auf meinem Dasein lastet. Mein Innerstes beginnt aufgeregt zu zittern und das Herz scheint aus meiner Brust springen zu wollen, so unruhig schlägt es darin. Ich muss es tun, jetzt oder nie, vielleicht ist die Hoffnung, die wir alle haben, noch nicht gänzlich vergebens. „Eure Majestät ... ich möchte Euch mitteilen, dass ich den Arkenstein gefunden habe", sage ich respektvoll mit verblüffend fester Stimme und augenblicklich dreht sich Thorin um. Mit Kummer stelle ich fest, dass in seinen Augen erneut die tiefschwarze, leblose Leere herrscht, die mir so unsägliche Angst bereitet.
Wie es die Etikette verlangt, beuge ich leicht die Knie und senke meinen Blick, als er mich direkt ansieht. „Du hast was!?", stößt er aufgebracht aus. „Der Arkenstein befindet sich in meinem Besitz, Majestät ..." Ich traue mich nicht ihn anzusehen, vornehmlich, weil ich Panik davor habe, was mich nach meinen nächsten Worten erwarten wird. „... aber ich werde ihn Euch nicht geben können ..." Der Versuch so entschlossen und unerschrocken zu klingen, wie nur irgend möglich, scheitert kläglich. Und einen Moment lang bereue ich es, Stich nicht dabei zu haben ... auch wenn ich trotz allen Trainings im direkten Kampf mit ihm nie eine Chance haben würde.
Der König unter dem Berge tobt aufgebracht auf mich zu und bringt die sowieso schon anfällige Entschlossenheit zum furchtsamen Erzittern. „WAS hat das zu bedeuten!?", donnert er erregt und da ist er wieder, dieser grenzenlose, gefährliche Hass in seiner Tonlage, der die Reinheit der Stimme so sehr verzerrt. Jetzt gibt es keinen Ausweg mehr aus der Misere, die ich heraufbeschworen habe. Ich muss meine nächsten Worte mit Bedacht wählen, damit ich keinen neuerlichen Wutanfall von ihm heraufbeschwöre, der vielleicht eskalieren kann ... körperlich habe ich ihm nichts entgegenzusetzen und alleine werde ich seinem ungezügelten Hass nicht standhalten können, das musste ich schon mehrmals leidvoll erfahren. „Thorin ... dieser Krieg, der uns bevorsteht ... er wird alles zerstören ... ist dir das überhaupt bewusst?!", beginne ich unsicher und richte mich wieder auf.
Aber noch immer kann ich ihn nicht ansehen, obwohl er direkt vor mir steht. Seine an den Seiten verweilenden Hände ballen sich zu Fäusten und beginnen vor aufkommender Erregung zu zittern. „Du setzt dein und das Leben derer, die dir treu ergeben sind ... die dich bedingungslos lieben ... aufs Spiel ... für Dinge, die keinen besonderen Wert haben", erläutere ich sorgenvoll weiter. „Das deiner geliebten Neffen, die dir wie Söhne sind ... das von Balin, mehr Freund als Berater ... deiner Gefährten, die unbezwingbar immer an deiner Seite stehen werden ... und auch meines. Willst du noch mehr Schmerz und Leid ertragen müssen als sowieso schon? Thorin ... komm wieder zur Vernunft ... erst dann werde ich dir den Arkenstein aushändigen."
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Die kleine Hobbitfrau
FanfictionIn einem Loch im Boden, da lebte eine Hobbitfrau... Bil führt ein genügsames, ruhiges Leben ... bis sie eines Tages ein alter Bekannter aufsucht und sie zusammen mit 13 Zwergen in ein höchst gefährliches Abenteuer verwickelt, in dem sie letztendlich...