Stolz und Vorurteil

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Natürlich hat Thorin Dwalin nicht umgebracht ... weder am nächsten Tag, noch am übernächsten ... aber er behält ihn vorsorglich im Auge. Argwöhnisch betrachtet er jedes Näherkommen, jede zufällige Berührung und legt jedes Wort zwischen ihm und seiner Schwester auf die sprichwörtliche zwergische Goldwaage, die äußerst genau aufwiegt. Mir bleibt nichts Anderes übrig, als dem Schauspiel belustigt zuzusehen und ihn jedes Mal daran zu erinnern, dass Dís kein kleines Mädchen mehr und schon alt genug ist, um eigene Entscheidungen zu treffen.

Am Tag nach ihrer Ankunft stellen meine Gefährten mir nicht ohne überwältigenden Stolz ihre Familien und Freunde vor. Ori, Nori und Dori haben das Vergnügen die Dienerschaft einzuführen, zu der sie einst selber gehörten und die sich teilweise bereits seit mehreren Jahrzehnten um das Wohl der Königsfamilie bemühen. Es fühlt sich komisch an plötzlich umgeben von Gesinde zu sein, die, würde ich es nicht zur Belustigung Thorins strikt ablehnen, mir sogar beim Ankleiden behilflich wären. Indes fällt mir auf, dass Ori begeistert darum bemüht ist eine junge Zwergin mit Namen Breda, ein wirklich hübsches Mädchen mit roten Locken und grasgrünen Augen, hoch zu schätzen und mir empfiehlt sie als Kammerzofe anzustellen. Ich komme seinem Ersuchen mit einem wissenden Lächeln nach, haben doch die direkten Bediensteten öfters die Aufgabe den Hofschreibern Nachrichten oder ähnliches zukommen zu lassen.

Bifur und Bofur führen die beiden älteren Zwerge die sie begrüßt haben vor unseren Thron und stellen diese als ihre Großväter und einzigen noch lebenden Ahnherren vor. Unter den überraschten Augen von Thorin erhebe ich mich und helfe dem Älteren von beiden eilig wieder auf, nachdem sie sich ehrerbietend tief und dabei mit aller Kraft ein schmerzverzogenes Gesicht kaschierend verneigt haben. „Es ist mir eine Freude, dass Ihr die lange und beschwerliche Reise auf Euch genommen habt um hier zu sein. Ich hoffe, der Erebor wird Euch wiederkehrend noch für viele Jahre ein sicheres und ruhiges Zuhause bieten", sage ich respektvoll, denn meine Gefährten berichteten mir, dass Beide eine der wenigen sind, die den Einsamen Berg noch vor dem Drachen kannten. Und die erstaunt weiten und achtungsvoll schwimmenden Augen unter den buschig-weißen Augenbrauen lassen mich tränentreibend spüren, wie viel ihnen dieser Wunsch bedeutet.

Bombur nennt mir in einer rasenden Geschwindigkeit, und sodass ich sie mir eigentlich gar nicht alle merken kann, die Namen seiner zehn Kinder, die erstaunlich wohlerzogen und bezaubernd liebenswürdig der Größe nach aufgereiht vor uns stehen. Der Kleinste von ihnen sitzt noch auf der Hüfte seiner Mutter Saphiri, die ihren Namen zu Recht trägt, denn die blauen Saphieraugen die zwischen blonden Wellen hindurchblitzen, leuchten so hell und klar wie es nur der Edelstein kann.

Als Letztes macht mich Gloin mit seiner Familie bekannt und ich vernehme den Stolz auf jeden Einzelnen von ihnen in den präsentierenden Worten. Seine Gemahlin Yrsa ist stämmig und offenbar schwere Arbeit gewöhnt, aber ihre Ausstrahlung ist so mütterlich-liebevoll, dass ich sie augenblicklich Gernhabegernhabe. Seine kleine Tochter Gimris ist das Ebenbild ihrer Mutter und sein Sohn trotz des noch jungen Alters genauso robust und kriegerisch wie er. Gloin berichtete mir einst, dass unter viel Gegrummel allein seine noch ein paar Jahre in der Zukunft liegende Mündigkeit ihn davon abhalten konnte, mit auf unsere Reise zu gehen. „Ich begrüße Euch, Gimli, Gloins Sohn. Euer Vater hat mir nicht ohne glänzende Bewunderung schon viel von Euch erzählt, vor allem, dass Ihr hervorragend mit der Streitaxt umgehen könnt", empfange ich ihn mit einem gutmütigen Lächeln. Der Zwergenjunge sieht mich lange schweigend und mit großen Augen an und erst als sein Vater ihn unsanft anstößt, verbeugt er sich erneut vor mir. „Verzeiht mir Majestät, aber ich kannte Hobbits bislang nur aus Büchern und keine selbst noch so bildreiche Erzählung hat mich auf die Schönheit und Liebenswürdigkeit der Frauen Eures Volkes vorbereitet. Sie blendeten mich für einen Moment und ließen mein Denken in Bewunderung aussetzen." Ich lache amüsiert und beschämt zugleich über seine huldigenden Worte und sehe zu Thorin, der das kurze ebenfalls belustigte Heben der Mundwinkel nicht verstecken kann. „Dein Sohn hat die beachtliche Fähigkeit Schmeicheleien zu formulieren noch immer nicht verlernt, Gloin. Selbst die kühlste Elbin würde unter seinen warmen Worten dahinschmelzen." Gimli schließt unberechtigterweise beschämt die Augen und ich ihn voller Wohlwollen in mein Herz.

Die kleine HobbitfrauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt