Die Hallen, die sich mir eröffnen, sind gewaltig. Weitläufiger noch als die Höhlen in den Tukbergen, eindrucksvoller und filigraner noch als Bruchtal ... Mehrere Ebenen, verbunden durch steinerne Übergänge und abgestützt durch stämmige Säulen, sind sie in mühevoller Arbeit in den Hang gehauen worden. Erhellt durch unzählige flackernde Lampen, die ein angenehmes gelbliches Licht spenden. Von überall her dringen helle Stimmen, fröhliche Lieder und beschwingtes Lachen zu uns.
Der Elb, der an der Spitze gegangen ist, hochgewachsen und schlank wie ein junger Baum, mit aschblonden Haaren und majestätischem Gesichtsausdruck, streift Thorin den Sack vom Kopf. Noch immer kleben Reste der Spinnenfäden an seinen Sachen, in den Haarsträhnen und Bartstoppeln. Misstrauisch wandert sein mürrischer Blick umher, bis dieser schließlich wieder den Elb trifft ... bedrohlich und trotzig. „Glaubt ja nicht, dass ich nicht wüsste wer Ihr seid ... Thorin, Sohn des Thráin", wendet sich dieser an den Thronerben Erebors. Der Angesprochene hebt selbstbewusst seinen Kopf und setzt das grimmigste Gesicht auf, das ich jemals bei ihm sehen konnte ... und das heißt schon einiges. „Und glaubt ja nicht, dass ich nicht weiß wer Ihr seid ... Legolas, Thranduils Sohn." Die grollende Abneigung gegenüber dem Volk der Elben ist deutlich aus seiner Stimme zu hören und übertrifft sogar die, die er ihnen in Bruchtal hat zukommen lassen. Legolas verzieht seinen Mund zu einem leichten Schmunzeln. „Mein Vater wird sich sehr freuen, Euch wiederzusehen", sagt er abfällig und wendet sich dann an seine Krieger. „Die Anderen sperrt in die Verliese und gebt Anweisung, sie gut zu bewachen!" Sofort greifen die Angesprochenen nach den übrigen Zwergen und ziehen diese in Richtung eines Übergangs, der in die unteren Hallen führt, ungeachtet ihrer heftigen verbalen Proteste, die die Schamesröte auf mir aufsteigen lassen. Zusammen mit zwei Wachen geleitet Legolas Thorin hingegen zu einem Aufgang in der Mitte des Eingangsbereiches und ich entschließe mich ohne lange darüber nachzudenken, ihnen zu folgen.
Wir laufen lange über die steinernen Brücken, die sich wie Baumwurzeln durch die unterirdische Höhle winden und trotzdem wir immer tiefer in das Erdinnere vordringen, ist die Luft angenehm kühl und frisch. Die steinernen Säulen und Wände sind verziert mit floralen Mustern und in ihnen eingelassene leuchtend-bunte Edelsteine. Elben kommen uns entgegen ... hochgewachsen wie Bäume und wunderschön wie Blumen ... gekleidet in edlem grün und braun und mit erstaunten Ausdrücken in ihren sonst unbewegten Gesichtern, als sie Thorin sehen, dessen stolze Herrschaftlichkeit selbst die demütigenden Handfesseln nichts anhaben können.
Schließlich kommen wir auf ein hohes Podest, auf dem ein mit Blättern, Ranken und Blumen geschmückter riesiger Thronsessel steht. Vor diesem wartet ein ebenfalls stattlicher und würdevoll aussehender Elb bereits auf Legolas und Thorin. Auf seinen goldenen Haaren prunkt eine Krone aus in den unterschiedlichen Farben des Herbstes leuchtenden Blättern, roten Beeren und gelben Felsenrosen. Sein porzellanpuppenhafter Gesichtsausdruck ist nichtssagend ... regungslos starrt er auf die Ankömmlinge und erst als Legolas sich neben ihn begibt und ihm etwas zuflüstert, verengen sich seine Augen zu kleinen Schlitzen. Das ist also Thranduil, Sohn von Oropher ... König des Waldlandreiches.
Thorin baut sich mit einer eindrucksvollen Körperhaltung vor ihm auf und trotzdem er sogar nur etwas weniger als halb so groß ist wie Thranduil und lediglich Spinnweben sein Haupt krönen, wirkt er doch um einiges königlicher auf mich. Ich stelle mich an den Rand des Absatzes und beobachte beide still und abwartend ... Thorins Gesicht kann ich dabei nur von der Seite sehen, aber selbst von hier, erkenne ich den abgrundtiefen Hass in seinen Augen und den fast vernichtenden Blick, den er dem Elbenkönig entgegenbringt.
„Thorin Eichenschild ... ", beginnt Thranduil schließlich und seine eiskalte Stimme zerschneidet die Luft und fährt direkt in meine Glieder. „Ich möchte Euch in meinen Hallen willkommen heißen." Thorin bewegt sich nicht ... keine Erwiderung ... keine Geste der Ehrerbietung ... keine Gefühlsregung spricht aus seiner Haltung. Thranduil lächelt leicht und steigt dann von dem Thronpodest herunter und augenblicklich erinnert er mich an einen Hirsch, so anmutig und leichtfüßig sind seine Bewegungen. Mit einer eleganten Handgeste weißt er die Wachen an, Thorin von den Fesseln zu befreien. „Man berichtete mir, dass Ihr zusammen mit Eurem Gefolge meine Wälder durchstreift ... anscheinend ein Ziel verfolgend, dass Ihr aber aus den Augen verloren habt", sagt er würdevoll und umkreist Thorin abschätzend, während dieser sichtlich mit dem Verlangen kämpft, sich die schmerzlich geröteten Handgelenke zu reiben. „Ihr wollt Eure Heimat zurückerobern und den Drachen töten ... habe ich recht ... Ein ehrenvolles Ziel ... zweifellos ..." Thorin zeigt immer noch keinerlei Regung ... sein trotziger Blick ist starr nach vorne gerichtet. „Ihr wollt den Arkenstein bergen ... das Königsjuwel, dass Euch das Anrecht verleiht zu herrschen ... Ein gefährliches Unterfangen, wenn man die Schwäche Eures fast untergegangenen Hauses betrachtet ..." Während Thranduil die abfälligen Wörter spricht, schreitet er langsam wieder auf seinen Thron zu, aber ohne Thorin aus den Augen zu lassen. Arkenstein ... was bei Ilúvatar ist denn das?!
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Die kleine Hobbitfrau
FanfictionIn einem Loch im Boden, da lebte eine Hobbitfrau... Bil führt ein genügsames, ruhiges Leben ... bis sie eines Tages ein alter Bekannter aufsucht und sie zusammen mit 13 Zwergen in ein höchst gefährliches Abenteuer verwickelt, in dem sie letztendlich...