Missglückte Meisterdiebin

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Nach weiteren fünf Tagen erreichen wir schließlich die Stadt Bree. Die östlichste Ansiedlung in von Hobbits bewohnten Gebieten und zudem auch die letzte halbwegs zivilisierte Stadt westlich des Nebelgebirges. Als wir durch das große Eingangstor reiten ... dass uns ein sehr mürrischer Wächter erst nach einigen Diskussionen und dem Nennen von Thorins und Gandalfs Namen ... geöffnet hat, da es bereits dunkel ist, verschlägt es mir beinahe den Atem.

Trotz der späten Stunde sind die Straßen überlaufen mit Kreaturen jeglicher Rasse. Wir müssen von den Rücken unserer Ponys steigen und sie durch die sich dicht aneinanderdrängenden und vorbeihastenden Massen an Leibern führen. Menschen, Zwerge und Hobbits kommen uns entgegen und auch wenn die Halblinge hier sehr viel aufgeschlossener sind als die im Auenland, sehen sie mich überrascht an, da es anscheinend ungewöhnlich ist, dass einer von ihnen in Begleitung von Zwergen reist. Ich umschließe die ledernen Zügel meines Ponys fester und letztendlich greife ich sogar ängstlich nach Kilis Hand, der neben mir läuft. „Alles in Ordnung?", fragt er mich sofort und seine Stimme klingt ehrlich besorgt. „Ich habe noch nie Menschen gesehen ... sie sind so schrecklich groß ...", flüstere ich furchtsam und drücke seine Finger noch ein wenig kräftiger, als uns eine Gruppe lärmender und anscheinend betrunkener Männer entgegenkommt und rücksichtslos zwischen uns wankt, „... und so entsetzlich laut." Kili lacht leise auf. „Keine Sorge, die meisten von ihnen sind friedlich ... wenn auch ein wenig dumm, einfältig und habgierig", erklärt er mir und beugt sich dann zu mir hinunter, damit ich seine nächsten, jetzt nur noch geflüsterten Worte, auch verstehen kann. „Sie werden dir nichts tun und wenn doch, werde ich dich beschützen", verspricht er und zwinkert mir zu.

Wir halten schließlich an einem Gasthof an, dessen Schild, auf dem ein Pony abgebildet ist, knarzend im leichten Wind hin und her schwankt. Trotzdem ich mir unter dem Schutz von Kilis Versprechen lieber noch ein wenig das geschäftige Treiben auf der Straße angesehen hätte, deutet mir Gandalf, zusammen mit ihm in das Wirtshaus einzutreten. Die Schankstube ist stickig und schummrig, vollgestopft mit Gästen und dadurch unsäglich laut. Das alte und im Laufe der vielen Jahre durch kalten Rauch und den Flüssigkeiten und Gerüchen der vielen Speisen dunkel gewordene Holz an den Wänden, macht sie noch bedrückender. Rauchschwaden der entzündeten Pfeifen wabern langsam durch die Luft.

Selbst der dicke Wirt, der sich augenblicklich über die Theke lehnt, als er uns hereinkommen sieht, scheint lediglich aus einer Ansammlung von Schmutz und Rauch zu bestehen. „Gandalf ... mein alter Freund ... Euch habe ich ja schon eine kleine Ewigkeit nicht mehr hier gesehen", sagt er sofort freudig und zeigt seine gelblichen Zähne, als ein gekünstelt wirkendes Lächeln erscheint. „Butterblume ... ja das stimmt", ruft auch der Zauberer mit einem deutlich unnatürlichen Lachen aus. „Wir benötigen für zwei Nächte Zimmer und Verpflegung für dreizehn Zwerge, einen Hobbit und mich, sowie Stellplätze für unsere Ponys", sagt Gandalf und lehnt sich bedeutsam erschöpft wirkend auf seinen Stab. Der Wirt schüttelt nur seinen Kopf. „Mit Verpflegung und einen Platz in den Stallungen kann ich euch dienlich sein, aber Zimmer habe ich nicht mehr für solch eine Anzahl an Personen", erklärt er augenblicklich und meine Hoffnung endlich wieder einmal eine Nacht in einem richtigen Bett und nicht unter den Sternen zu verbringen, verpufft in selben Moment. „Aber ich kann euch einen der privaten Schankstuben zurechtmachen lassen, wenn es den Herrschaften nichts ausmacht, auf den Boden zu schlafen", schlägt er uns allerdings gleich darauf vor und wir beiden nicken zur Bestätigung.

Das Essen im „Tänzelnden Pony" ist allerdings, anders als die Einrichtung, vorzüglich. Mit endlich wieder einmal gefüllten Magen, lehne ich mich zufrieden in dem hölzernen Stuhl zurück, der bedenklich unter der Bewegung knarzt. Ich lasse den Blick über meine an dem Tisch sitzenden Gefährten gleiten. Sie lachen laut, singen, rauchen Pfeife, unterhalten sich ausgelassen oder prosten sich laut grölend zu, bevor sie ihre riesigen Bierkrüge mit fast einem Zug leeren. Vor wenigen Wochen noch, ist mir ihr ausgelassenes Verhalten als sehr unmanierlich erschienen, aber jetzt finde ich diese herrliche ungezwungene Art einfach nur faszinierend und erheiternd. Fast automatisch beginne ich zu lächeln. In Hobbiton galt ich als Einzelgängerin, hatte schon seitdem ich ein kleines Mädchen war nur wenige Freunde und besonders meine etwas ausgefalleneren Freizeitbeschäftigungen und Lebensweisen schreckten manche ab. Ich möchte nicht wissen, wie viele meiner ach so ehrbaren und kleingeistigen Nachbarn sich bereits ihren Mund zerreißen, weil ich überstürzt in ein Abenteuer aufgebrochen bin ... und dann auch noch in Begleitung von Zwergen und einem Zauberer ... Mein Blick wandert zu Thorin, der herrschaftlich und vielsagend an der Stirnseite des Tisches sitzt und als ich direkt in seine Augen sehe, erahne ich, dass er mich beobachtet haben muss. Ich lächle ihm leicht zu, aber er wendet sich sofort mit einem lauten Schnauben ab.

Die kleine HobbitfrauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt