Lieben und geliebt werden

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Nach einer für mich schlaflosen und schwermütigen Nacht, brechen wir am nächsten Morgen bereits bei Sonnenaufgang in Richtung Erebor auf. Alle Bewohner Esgaroths haben sich am Hafen versammelt und wollen uns mit einem prunkvollen Aufmarsch verabschieden. Wobei die einfachen Bürger fast nicht hinter den pompös und schillernd herausgeputzten Adligen und Kaufleuten zu sehen sind und zudem von schwerbewaffneten Wachen am Vordringen gehindert werden, obwohl ich mich gerne persönlich von einigen von ihnen verabschiedet hätte. Zu ehrlich, herzlich und wohlwollend wurde ich einfach von ihnen aufgenommen. Dennoch schafft es ein kleines Mädchen, kaum kleiner als ich, sich zwischen festgehaltenen Speerstöckern, weiten Röcken und edlen Beinkleidern hindurch zu schmuggeln und mir ein letztes Mal in die Arme zu springen.

„Bitte versprich mir, dass du vorsichtig sein wirst", fleht sie und sieht mich mit Tränen in den braunen Kulleraugen an. „Das werde ich und wenn wir den Erebor befreit haben, dann erlaubt Thorin euch bestimmt den Berg einmal anzusehen", gelobe ich und versuche so viel Sicherheit und Selbstglauben wie nur möglich in meine Stimme zu legen und zaubere ihr damit ein kleines Lächeln auf die Lippen. Unerwartet zieht sie plötzlich ein kleines Holzspielzeug aus ihrer Schürzentasche und reicht es mir. „Hier, das soll dir Glück bringen." Ich drehe den filigranen Drachen mit den weit aufgespannten Flügeln zwischen meinen Finger ... ehrfurchtsvoll und ergriffen bis in die aufrichtigste Tiefe meiner Seele, denn ich weiß, dass es ihr liebstes Spielzeug ist das sie besitzt ... und das ist nicht viel. Wie als wäre es der größte Schatz, den ich jemals gesehen hätte, drücke ich das Stück helles Eichenholz an meine Brust und kann nicht verhindern, dass sich Tränen in meinen Augen bilden.

Eine Kapelle spielt, als wir in das bereitgestellte Boot steigen, dass uns auf die andere Seite des Sees bringen soll. Von dort aus können wir den Weg zum Berg nehmen, den schon so viele Jahre lang niemand mehr betreten hat. Der Bürgermeister hält eine Rede, in der er uns noch einmal alles Gute und viel Erfolg wünscht und sich überschwänglich für unseren Aufenthalt in seiner Stadt bedankt ... verdammter Heuchler.

Ich setze mich absichtlich so weit von Thorin entfernt, wie es in dem kleinen Boot nur möglich ist. Seit dem Vorfall von gestern Abend kann ich nicht in seiner Nähe sein, ohne dass sich mein Innerstes qualvoll unter Schmerzen zusammenzieht. Ich würde ihm so gerne sagen, wie viel er mir bedeutet ... was für einen Sturm seine Berührungen in mir auslösen ... welche Geborgenheit ich verspüre, wenn ich in seinen Armen liege ... wie schnell mein Herz schlägt, wenn er mich anlächelt ... aber kein Gefühl der Welt gibt mir das Recht, einem König ... so erhaben und machtvoll wie er ... in dieser Weise zugetan zu sein ... Dafür lasse ich annehmend zu, dass Kili und Fili auffällig intensiv tröstenden Kontakt zu mir suchen, so als wüsten sie um den kräftezehrenden und bitterlichen Kampf, der in meinem Herzen stattfindet.

Auf dem Wasserweg, der uns auf die Weite des Sees hinausbringt, kommen wir unter einer Brücke hindurch. Bard steht dort mit seinen drei Kindern und blickt argwöhnisch zu uns hinunter. Ich kann seine dunklen Augen sehen, die das Misstrauen in den Erfolg unserer Unternehmung ausdrücken und ich bete zu Ilúvatar und allen Valar, dass er mit seiner Voraussagung nicht Recht behält.

Drei Tage und Nächte lang rudern wir über den Langen See und gegen die Strömung des Flusses Eilend an, der am Südhang des Berges entspringt. Erst als der Fluss eine leichte Biegung nach Westen einschlägt und seine Ufer flacher werden, legen wir an und der Berg baut sich bereits beunruhigend nahe vor uns auf. Die verwilderte und zerklüftete Landschaft um uns herum bietet kaum Schutz vor dem eisigen Wind, der seit einigen Tagen den Winter immer mehr ankündigt, und so entzünden wir ein Feuer, als die Nacht hereinbricht und wickeln die dicken Decken und Felle eng um unsere zitternden Körper.

Die kleine HobbitfrauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt