Die Macht der Liebe

247 14 0
                                    

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Frostklirrend und schneidend fegt der schneeschwangere Wind über die Eisebene. In der Ferne verklingt langsam das Geräusch des Krieges ... zwar lethargisch und immer wieder unterbrochen von einzelnen Rufen ... aber der ehemals brausende Sturm des Schlachtens verstummt. Allerdings, die einsetzende Stille ist noch schlimmer als jeder Gefechtslärm ... denn die grimmigen Schritte des Todes, der anmaßend und erbarmungslos über den Kriegsschauplatz schreitet, sind jetzt nur allzu deutlich zu vernehmen. Als Retter der Verletzten bringt er Erlösung von Schmerz und Pein.

Dunkel sind seine Augen ... suchend schweifen sie zwischen den Wehklagenden umher.

Schwarz ist sein Mantel ... im Wind wehend nimmt der Stoff die Seelen der Gefallenen in sich auf.

Dornig ist seine Krone ... geformt aus dem Leiden und letzten Atemhauch seiner Opfer, die ihn somit ebenfalls quälen.

Mandos holt die Kinder Erus und Aules in seine gewaltigen und niemals enden wollenden Hallen des ewigen Wartens, in denen sie im Schatten ihrer Gedanken verweilen, bis die Welt sich verbessert und sie zurückgeschickt werden in ein Leben des Neuanfangs. Im Lande Valinor, dass frei von Unheil und die Wohnstätte der Valar ist. Für die Verwundeten eine Erlösung ... für die die weiterleben, eine Entbehrung. Und ich höre sein Wandeln bereits den Berg hinaufstolzieren ... begleitet von Todeshauch und Eiseskälte ... finster und ungerührt von dem Flehen und Bitten der Verbliebenen.

Ich stoße angestrengt meinen Atem aus und umfasse Thorins blutverschmiertes Gesicht, versuche den Tod allein durch meinen Willen von ihm fernzuhalten. Immer wieder schluchze ich seinen Namen, aber als er nicht aufwacht, sehe ich mich hektisch um ... die Vergänglichkeit des Lebens bereits flackernd erkennend in der Undurchsichtigkeit des Schneesturms. „HILFE ... HILFE! Jemand muss uns helfen!", brülle ich panisch und meine verzweifelten Schreie hallen über die Hochebene, werden von den steinernen Hängen zurückgeworfen und verfangen sich in den trostlosen Mauern der Ruinen.

Plötzlich höre ich die knackenden Schritte von Stiefeln auf geharschten Schnee auf uns zukommen und in mir glimmt ein winziger Hoffnungsfunke auf. Mandos hält inne ... verweilt abwartend am Rande der Szenerie und ich kann den Unmut über die Belästigung beinahe spüren. Keinen Wimpernschlag später kommen Dwalin, Kili und Fili eine der Treppen heruntergestürmt und treten auf die Eisfläche. Mit ebenfalls von namenloser Panik gezeichneten Gesichtsausdrücken, als sie ihren König bewegungslos und in einer großen Blutlache unter mir liegen sehen, stürmen sie auf uns zu. „Bil ... bei Mahal ... was ist passiert!?", fragt mich Kili, der als erstes bei uns ankommt und ich werfe mich erleichtert in seine Arme. „Thorin ist schwer verletzt ... wir müssen ihn schnell von hier fortschaffen!", schluchze ich immer noch erstickt und vernehme das erzürnte Zischen des Todes, da er seiner Chance vorerst beraubt wurde.

Nur wenige Minuten später machen wir uns bereits auf den Rückweg. Kili, Fili, Dwalin und Nori tragen den noch immer bewusstlosen und bereits aschfahlen Thorin vorsichtig, aber so schnell wie nur irgendwie durch das unwegsame und von toten Körpern überhäufte Gelände möglich, zurück auf die Ebene. Die von den Elben aufgebauten Zelte im zerstörten Thal wurden zu improvisierten Lazaretten eingerichtet, in denen bereits während der Schlacht einige Verwundete versorgt worden. Hierhin führt nun auch unser Weg. Ich laufe an Thorins Seite, immer seine bereits erschreckend erkaltende Hand umklammernd, so als ob ich das wenige Leben damit in seinem Körper halten könnte. Balin schicke ich voraus, um alles für unsere Ankunft vorzubereiten.

Als wir in der Zeltstadt ankommen, erwartet uns bereits Gandalf und auch in seinem blutverschmierten Gesicht kann ich die unsägliche Angst um das deutlich sichtbar schwindende Leben Thorins ausmachen. „Rasch, hier entlang!", weist er aufgeregt an und führt uns zu einem etwas abgelegenen Zelt, begleitet von erschrockenen Augen und angstvollem Wehklagen der Umstehenden, als sie den totengleichen Körper zwischen uns entdecken. Vorsichtig betten die Zwerge ihren schwer verletzten König auf eine bereitstehende Liege und ich trete sofort wieder an seine Seite, als sie mir in achtbarem Respekt Platz machen. Heiße Tränen der Verzagtheit rinnen unablässig aus meinen Augen, aber ich merke weder den durch sie, noch durch die vielen Wunden verursachten Schmerz. Zu sehr kämpfe ich mit dem Tod, der uns entgegen aller Hoffnungen erneut gefunden hat. Schwarz und leidenschaftslos verharrend sehe ich ihn in einer Ecke des Zeltes stehen ... grimmiges Gesicht und lange Finger, die nur darauf warten die Seele zu umschlingen und mit sich in das unsterbliche Reich zu ziehen.

Die kleine HobbitfrauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt