Am frühen Morgen, die Sonne ist noch nicht einmal aufgegangen, beginnt die Evakuierung der Menschen aus der zerstörten Seestadt, die nach dem Angriff des Drachen in Thal Schutz gesucht hatten. Unablässig und mit oft nicht mehr als ihren zerrissenen und verbrannten Kleidern am Leib, strömen sie durch einen kleinen, wieder freigelegten Seiteneingang des Haupttors in den Berg hinein. Die unteren Hallen sind warm und sicher und groß genug für alle, aber wenn die Orks eindringen können ... wenn die Schlacht schlecht ausgeht ... werden diese dennoch zur Todesfalle.
Mit befangenen Herzen begleiten wir ihre Ankunft. Einige von ihnen erkennen mich wieder, freuen sich sichtlich, dass ich noch am Leben bin und noch mehr, dass ich als neue Königin unter dem Berge an der Seite Thorins stehe. Andere wiederum, betrachten die Zwerge und unsere Kronen mit Abscheu und Wut in den dunklen eingefallenen Augen, die unter Schmutz und Ruß und Leid kaum zu erkennen sind. Und ich kann sie nur allzu gut verstehen, waren wir es doch, die ihr bisheriges ruhiges und zumindest von kleinem Wohlstand begleiteten Leben zerstört haben.
Fast als Letztes, trifft eine Frau mit ihren drei Kindern ein. Sie hält in einem Arm einen wimmernden Säugling, der in schmutzige Decken eingeschlagen ist. Ihre älteste Tochter, kaum größer als ich, zieht mit ihr zusammen einen schwer erscheinenden Karren, auf dem zudem ein kleiner Junge sitzt, der sich verängstigt umblickt. Als ich sie entdecke, laufe ich schnell auf sie zu und erkenne beim Näherkommen mit einer unglaublichen Freude im Herzen unter all dem schlammigen Dreck und schwarzen Ruß und der namenlosen Furcht das kleine Mädchen, dass mir beim Abschied den Holzdrachen geschenkt hatte. Als auch sie mich sieht, stürmt sie los und wir fallen uns freudetränenweinend in die Arme. „Dein Geschenk hat mir unvorstellbares Glück gebracht...", murmle ich in ihre nach Rauch und Feuer und Schnee riechenden Haare und sie lacht erleichtert und frohgemut auf, vielleicht das erste Mal, seitdem der Drache ihre Welt zerstörte.
„Darf ich Euch vielleicht helfen?", frage ich freundlich, als ich mir ihr zu ihrer Mutter zurückkehrt, bin, aber die Frau sieht mich nur mit große Augen an, als sie die kostbar-funkelnde Krone auf meinem Haupt bemerkt. „Nein, das ist nicht nötig, Majestät", sagt sie schnell und zitternd und senkt ehrerbietend ihren Blick. In ihren Augen kann ich dennoch die Angst und Kraftlosigkeit erkennen, die auch mein Herz gefangen hält. „Bitte", ermutige ich sie noch einmal und lege bestärkend eine Hand auf ihren Arm. „Wenn es Euch nichts ausmachen würde, könntet Ihr vielleicht meine kleine Tochter halten, dann kann ich den Waagen alleine ziehen", lenkt sie schließlich ein und als ich lächelnd nicke, übergibt sie mir den kleinen Säugling, der vielleicht wenige Wochen alt ist. Das Mädchen mit den blonden Locken schaut mit großen, glänzend-blauen Augen zu mir auf und beruhigt sich zum Glück sofort. Blubbernd und lachend streckt sie ihre kleinen Hände nach der glänzenden Krone und den über die Schulter fallenden Locken aus, als ich ihre Familie nach unten begleite. Kili kommt uns entgegen und als er mich mit dem Säugling im Arm entdeckt, der frohgemut gluckst, weil er endlich eine meiner Haarsträhnen zu fassen bekommen hat, verzieht sich sein Mund zu einem seligen Lächeln, das ein klein wenig helle Freude in diesen düsteren Wahnsinn bringt.
Nachdem die kleine Familie sicher untergebracht wurde, helfe ich den Menschen, wo es mir möglich ist. Bringe Decken und Kerzen, zeige den Frauen, wo sie Lebensmittel und Wasser finden können, und versorge zusammen mit Oin, Ori und Gandalf die Wunden der Verletzten.
Entsetzliche Brandmale ... schwarz-verkohlte Haut, nässend und verklebt mit Überresten von verbrannten Stoff ... das Geräusch und der Geruch, der aufkommt, als wir sie davon befreien, ist das Grauenhafteste, dass ich jemals wahrnehmen musste.
Tiefe Fleischwunden ... verschmutz mit Dreck und Holzsplittern und dadurch eitrig entzündet ... herzbrechende Schmerzensschreie lärmen durch die Höhle, als wir sie mit kräuterversetzten Wasser auswaschen und verbinden.
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Die kleine Hobbitfrau
FanfictionIn einem Loch im Boden, da lebte eine Hobbitfrau... Bil führt ein genügsames, ruhiges Leben ... bis sie eines Tages ein alter Bekannter aufsucht und sie zusammen mit 13 Zwergen in ein höchst gefährliches Abenteuer verwickelt, in dem sie letztendlich...