Bilsenkraut und Mohn

239 14 0
                                    

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Es bedarf zwei weiterer Tage und Nächte, bis ich endlich die Kraft finde aufzustehen. Allerdings, noch eine Weile benötige ich mithelfenden Beistand von Fili und Kili bei selbst kleinen Dingen ... und ich schäme mich unermesslich dafür, sehe ich doch auch ihre verbundenen Wunden und erschöpften Gesichtszüge nur allzu unbeschönigt unter dicken Stoff und gespieltem Lächeln. Aber Zwerge sind hart und widerstandsfähig wie der Stein, aus dem Aule sie einst erschuf. Niemals würden sie sich wegen nicht todbringender Wunden Schwäche erlauben, das beobachte ich in den nächsten Tagen erneut erstaunt und bewundernd. Zusammen mit der auferlegten Verpflichtung meines Königs ein Fixstern der Hoffnung zu sein und der Entschiedenheit nicht als machtlos und bemitleidenswert aufzutreten, übernehme ich schließlich ebenfalls ungeachtet von Kummer und Entkräftung dringend zu erledigende Aufgaben und stehe meinen Freunden bei in der Situation der führungslosen Notlage.

Die Versorgung der zahlreichen Verletzten, die größtenteils im Berg untergebracht wurden, ist eine eigens gewählte Pflicht, auch wenn es die abscheulichste und schwerste ist und widererwartend nicht die Einzige bleibt. Bedeutende Entscheidungen werden plötzlich wie selbstverständlich von mir gefordert ... Verfügungen über den Verbleib von Zivilisten und Kriegern, Anordnungen zur Rationierung der wenigen Lebensmittel, Befehle zur weiteren Verteidigung des Berges ... Obliegenheiten und Verrichtungen die Aufstieg oder Niedergang heraufbeschwören können.

Und was für ein ungewohnt-beschwerendes Druckgefühl diese Last über andere bestimmend zu sein auf dem sowieso schon mit Beengtheit trächtigen Gemüt ist ... uneingeschränkt und nicht nachvollziehbar wird von mir erwartet, dass ich sie zusätzlich aushalte. Ich bin keine Herrscherin und die Ehrfurcht mit der die Anderen mir begegnen und welche gewichtigen Verfügungen sie von mir verlangen, ist erschreckend und lässt mich immer mehr verzagen. Die Bürde eines Anführers ist niemals die meine gewesen und in den nächsten Tagen erlebe ich nur allzu deutlich, welche Masse diese Beschwerlichkeit aufbieten kann ... unter was Thorins Seele über Jahrzehnte gelitten hat. Aber ich will sie nicht ... nicht solange der der mir diese Pflicht eigentlich erst auferlegen kann nicht an meiner Seite steht und mich unterstützt. Dennoch, alles Abwehren und Zögern findet keine Beachtung.

Die ersten Tage verbringe ich daher gekleidet in prunklose Trauergewänder und standesgemäß kronlos in dem erdrückend-weiten Thronsaal. Zusammen mit entscheidungsunwilligen Thronfolgern an meiner Seite und Seiten von Pergament, auf denen dringende Staatsgeschäfte dessen ungeachtet nach ihrer Durchführung verlangen. Die einzigen stillen aber nicht befreiten Momente ertrage ich auf dem Wall, wenn ich die Augen über die blutgetränkte Erde schweifen lasse, denn der Blick in die Ferne ist durch Asche und Rauch der beständig brennenden Scheiterhaufen verborgen. Obendrein in Thorins Krankenzimmer, in dem ich zusätzlich zu viel Zeit wie nur möglich verbringe, denn ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn ich nicht dort wäre und er erwachen würde, oder ... nein ... daran möchte ich noch nicht einmal denken.

Die Feinde haben sich nach dem Tod ihres Anführers, seines Otterngezüchts Bolg und ihrer Leibwache in die dunklen Löcher zurückgezogen, aus denen sie gekrochen waren. Nur vereinzelte Kreaturen streifen noch durch die Lande und werden von unseren Patrouillen erbarmungslos niedergeworfen. Dáin hat Fragen und Ersuche, verständliche Reparationsansprüche für gefallene Kämpfer und zerstörte Kriegsgeräte. Familienpflicht in allen Ehren, aber das Streben nach angemessener Vergütung ist begreiflich, sodass ich das aufkommende verstimmte Grummeln meiner Gefährten nicht verstehen kann. Ich überlasse allerdings dieses Mal stur den Thronfolgernd die Entscheidung über die Höhe der Bezahlung für Unbezahlbares aus dem unnützen Goldhort. Es ist nicht mein Recht über den Schatz der Zwerge zu verfügen, egal wie sehr Balin es von mir erwünscht. Andererseits, die dunkle Schwärze, die in Dáins Augen aufglimmt, als er die Berge aus Kostbarkeiten betrachtet und die mir nur allzu bekannt vorkommt, bereitet mir unsägliche Angst und ich bin froh, als er die Kammer nur mit dem ihm Zustehenden verlässt. Noch immer schwebt der habgierige Einfluss des Drachen über dem Gold und wartet nur darauf eine anfällige Seele zu vergiften.

Die kleine HobbitfrauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt