Gandalfs Bart zuckt aufgeregt hin und her, während er konzentriert versucht die kleinen weißen Steine, die den Weg nach Bruchtal markieren, zu finden. Einige von ihnen sind schwer zu entdecken, da sie im Laufe der vielen Jahrhunderte mit Moss und Heidekraut überwachsen sind oder weit verstreut auseinanderliegen. Es beginnt bereits zu dämmern, als wir immer noch fast orientierungslos durch den dichten Wald irren. „Gandalf, darf ich dir vielleicht behilflich sein?", frage ich den Zauberer leise, um ihn in seiner Konzentration nicht zu stören. Er sieht mich mit großen Augen an, so als ob er sich fragt, warum er nicht schon längst selber auf diese Idee gekommen ist. Also steige ich von dem Rücken meines Ponys und beginne mit der Suche, denn wir Hobbits sind nicht nur sehr leise, sondern können auch noch erstaunlich gut in der Dunkelheit sehen. So fällt es mir auch nicht schwer, die kleinen Steine zu entdecken, die teilweise sogar im Mondlicht glitzern. Lange laufen wir den Pfad entlang, bis wir schließlich an einer Felsklippe ankommen, die den Blick auf ein bewaldetes Tal preisgibt. „Ich glaube, wir haben es gefunden!", sage ich atemlos, denn der Anblick, der sich mir bietet, raubt ihn mir fast.
Eingebettet in eine tiefe Schlucht, schmiegen sich weiße Häuser an die schroffen Felswände, die nur von saftig grünen Bäumen und schäumenden Wasserfällen unterbrochen werden. Die offenen Behausungen der Elben sind mit filigranen floralen Ornamenten und Bögen, die aus purem Licht zu bestehen scheinen, verziert. Die Luft ist erfüllt vom Duft des Laubs und bunter Blumen, die sogar nachts auf den Wiesen blühen. Ein sanft dahinfließender Fluss durchquert das Tal und hüllt die Umgebung in einen geheimnisvollen Nebel, der von der Wasseroberfläche aufsteigt. In meinem Leben habe ich noch nie so etwas Wundervolles gesehen. Mit offenen Mündern starren wir auf die erhabene Schönheit dieses Ortes, von dem so viel Zauber auszugehen scheint. „Gut gemacht, Fräulein Beutlin!", lobt mich Thorin und ich lächle ihn leicht an, als er neben mich tritt.
Trotzdem wir unser Ziel schon vor Augen haben, gestaltet sich das Erreichen dieses schwieriger als gedacht. Die Felswände, die wir erst hinabsteigen müssen, sind glitschig und steil. Nur auf einem schmalen Pfad, der gerade breit genug für die Hufe unserer Ponys ist, können wir halbwegs sicher in die Tiefe gelangen. Am Fuß des Berges rasten wir, in der festen Annahme, hier vor weiteren Angriffen sicher zu sein. Die Sterne leuchten hell und bläulich auf uns herab und der Geruch von Kiefernadeln, Lilien und Wacholder begleitet uns in einen tiefen und von wunderbaren Träumen begleiteten Schlaf.
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Retrospektive Bil
„Mama, bist du fertig?!", rufe ich meine Mutter und streiche die letzten Falten meines hübschen neuen himmelblauen Kleides glatt, dass ich mir extra für das heutige Sommersonnenwendefest bei meinem Großvater genäht habe. „Vater wartet draußen schon mit der Kutsche." Kaum dass ich durch die halbangelehnte, runde Tür zum Schlafzimmer meiner Eltern getreten bin, stocke ich allerdings in meiner Bewegung. Meine Mutter steht vor ihrem Frisiertisch und hält einen kostbaren Haarreif in der Hand. Federleicht und andachtsvoll streicht sie über die kleinen geschliffenen Kugeln aus Rosenspat, die durch sternenstrahlende Silberspangen gehalten werden und in ihren glänzenden Augen kann ich den namenlosen Kummer und herzzerbrechenden Schmerz erkennen, der sich immer darin bildet, wenn sie dieses Schmuckstück im Verborgenen betrachtet. Und wie schon so oft frage ich mich, warum sie ihn nie trägt ... warum er ihr so viel Seelenschmerz bereitet und von wem sie ihn hat. „Mama ...", spreche ich sie erneut an und als würde sie aus einem Traum erwachen, zuckt sie daraufhin erschrocken zusammen. Schnell wischt sie sich mit dem Ärmel ihres roten Kleides über die Augen, um die Feuchte zu vertreibe und legt den Haarschmuck hastig wieder in ihr Schmuckkästchen zurück. Erst dann sieht sie mich an und ihr Gesicht ist noch immer von Herzeleid und Betrübnis gezeichnet.
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Die kleine Hobbitfrau
FanfictionIn einem Loch im Boden, da lebte eine Hobbitfrau... Bil führt ein genügsames, ruhiges Leben ... bis sie eines Tages ein alter Bekannter aufsucht und sie zusammen mit 13 Zwergen in ein höchst gefährliches Abenteuer verwickelt, in dem sie letztendlich...